Erstellt am: 3. 5. 2010 - 13:00 Uhr
Fährtensuche
Alle Bilder: Christian Stoppacher Filmproduktion
Vor fast zwei Jahren begannen Jörg Hartenthaler und Christian Stoppacher mit dem Projekt. Sie wollten die feinen Linien, die der österreichische Widerstand in unserer Geschichte hinterlassen hat, mit einem Stück Leuchtmarkierung versehen. Was mit der Dokumentation einer Zeitgeschichte-Exkursion im Salzkammergut begann, wurde zu einem spannenden Filmprojekt, das beim Crossing Europe Festival in Linz das Licht der Welt zu reflektieren wusste.
christian stoppacher
"by any means necessary" ist ein Zitat des Afro-Amerikanischen Bürgerrechtlers Malcolm X. Er wollte damit das Selbstbestimmungsrecht der Afro-Amerikaner unterstreichen und die Mittel zur Erreichung der politischen Ziele definieren. Da sich Malcolm X auf Rückfrage auch von Gewalt nicht distanziert hat, bleibt seine Position bis heute umstritten.
Es war ein schöner Zufall, dass ich von dem Projekt schon so lange weiß. Aber es ist eine Schande, dass dieser Zufall an sich den Beginn vom Wissen über den österreichischen Widerstand in der nationalsozialistischen Diktatur markiert. Zu meiner Schulzeit wären die ZeitzeugInnen noch lebendig und redselig gewesen. Aber selbst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war das Wissen über die vornehmlich kommunistischen Widerstandskämpfer tabu.
Jetzt ist es zu spät. Wäre unsere Gegenwart nicht so erfüllt von Revision, könnte man es auch als „traurig aber wahr“ abtun. Risiko von „oral history“ eben. Aber Doron Rabinovici sagt es im Film so schön: „Es gibt eine Verbindung zwischen dem Widerstand und dem Vergessen, sowie es eine Verbindung zwischen den Verbrechern und dem 'Vergessen machen' gibt.“ Wir müssen also „by any means necessary“ das verblichene Wissen dieser parallelen Geschichte Österreichs am Leben erhalten. Solange, wie es auch die Negierung der geschehenen Ereignisse gibt.
christian stoppacher
So sitzt man mit brennender Neugierde im Kinosaal und hört sich die Geschichten von Menschen an, die ihre „Pflicht erfüllt haben“ und sich der Tyrannei widersetzt haben. Es ist so unglaublich und rührend, wenn man anhand der Dokumente erkennt, dass es auch ein so ganz anderes Österreich gab, ein Land, das aus dem kollektiven Gedächtnis fast schon verschwunden zu sein scheint.
Diese Menschen waren durch den Austrofaschismus zwischen 1934 und 1938 vorgewarnt, abgehärtet und mürrisch geworden. Sie blickten auf mehrere Jahrhunderte des Konfliktes zurück: Das Salzkammergut, besser gesagt, die in ihm lebenden Protestanten konnten nicht so besonders gut mit den katholischen Habsburgern. Der Ständestaat war ebenso nicht so ihres und als 1938 die Grenzmasten weggeräumt wurden, waren viele von ihnen schon lange im Gefängnis.
christian stoppacher
So ging es z.B. Sepp Plieseis, einem der Rädelsführer des Widerstandes im Salzkammergut. Er floh aus dem KZ und konnte sich im Toten Gebirge verschanzen. Die Widerstandsgruppe rund um ihn hat es geschafft, sich in einer Mulde im Gebirge zu verstecken und übergab 1945 Bad Ischl friedlich den einziehenden Amerikanern. Bis dahin fanden Fahnenflüchtige und politisch Verfolgte Schutz und Unterstützung.
Offensiver sollte, im Auftrag der Engländer, Josef Hans Grafl vorgehen. Er desertierte in der Ukraine aus der Wehrmacht, floh nach Athen und wurde vom britschen Geheimdienst angeheuert, in seiner „Heimat“ militärische Aufklärungsarbeit zu leisten. Er war ausgebildeter Funker und mit diesem Wissen und seiner Ortskenntnis ein wichtiger Partner für die britischen Strategen. Die Mission geht schief, seine Anekdoten sind dafür umso beklemmender: Man sah es damals nicht so eng wie jetzt, "das mit dem Tod und dem Leben." Weil man musste jederzeit damit rechnen, dass man entweder stirbt oder einfach weiterlebt. Mehr Optionen standen oft nicht zur Verfügung.
christian stoppacher
Eine weitere faszinierende Geschichte, die der Film kurz anspricht, aber nicht wirklich ausführlich beleuchtet, ist die außergewöhnliche Rolle der Frauen für den Widerstandskampf. Nichts, rein gar nichts hätte funktioniert, wenn es nicht ein unglaublich gut funktionierendes Netzwerk der Frauen gegeben hätte. Die Männer haben sehr gefährlich gelebt, aber die Frauen haben das Essen, die Waffen und die Informationen geschmuggelt. Ihr Verdienst ist unbeschreiblich und leider oft unausgesprochen. Man hört es auch: Sie wollten gar nicht mehr darüber reden. Wieder weiterleben, das war die Devise nach 1945.
christian stoppacher
Eine weitere Mission des Nachkriegsösterreich war das konsequente Vergessen. Die Widerstandsnester und deren KämpferInnen hatten ganz kurz eine Rolle in Österreich gespielt. Jedenfalls solange sie für die glaubwürdige Darstellung der "Opferrolle" als Anschauungsmaterial zur Verfügung standen. Aber dann kam der Kalte Krieg und damit auch das Ende der politischen Relevanz der engagierten WiderständlerInnen. Sie hatten die falsche Utopie. Sie wurden unbequem und wurden vergessen gemacht.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) hat über die Jahre hinweg versucht, das Material für die Nachwelt zu sichern. In Ebensee wurde ein Zeitgeschichte-Museum eröffnet, das überaus erfolgreich die unsägliche Geschichte des Ortes für die Gegenwart aufbereitet und darstellt. Und dann gibt es noch die kleinen gallischen Dörfer praktizierten Nonkonformistentums die sich auch heute noch trotzig dem Lauf der Zeit entgegenstellen und sich zum Beispiel letzten Donnerstag vor ein Polizeiauto setzen.
christian stoppacher
Der Film hat versucht, diese vielen verschiedenen Stränge von Geschichten rund um die Auflehnung und ihrer kleinen Erfolge darzustellen und eine Brücke zu bauen. Das ist schwierig. Dr. Wolfgang Neugebauer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ist es wichtig, dass eine Antifa-Demonstration in einem Rechtsstaat nicht mit dem Widerstand in einer repressiven Diktatur verglichen werden darf. Hannes Androsch merkt an, dass Widerstand nur funktionieren würde, solange sich eine Dikturatur noch nicht wirklich durchgesetzt hätte. Das Erste Wiener Heimorgelorchester meint überhaupt: „Widerstand ist Ohm“.
"Spuren des Widerstands" bietet hier keine Lösung an, die Diskussion nach dem Screening kreist daher auch weiterhin um die Befriedung von Neugierde: „Wie hat es funktioniert?“, „Wieso wurde der Kampf nicht offensiv geführt?“ oder „Gab es dies auch in meiner Gemeinde?“. Es wurde noch lange diskutiert und so ganz subversiv das Leben der Geschichte aufrecht erhalten. Das nenne ich geschickt eingefädelt.
Offizielle Website von
SPUREN DES WIDERSTANDS
von Jörg Hartenthaler und Christian Stoppacher
P.S. Aufmerksame LeserInnen wissen, dass Kilo meine Lieblings-After-Hour-Band des temp-Festivals ist. Schön. Kilo hat den Soundtrack zur Dokumentation produziert und verleiht dem Bildmaterial einen weiteren ästhetischen Mehrwert. Demnächst im Programmkino Deiner Lieblingsstadt.