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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

2. 5. 2010 - 12:20

Worum geht's hier eigentlich?

Computerspiele machen sich oft schwer verständlich.

"Wir sind ja auch wahnsinnig"", meint Kollege Burstup leicht resignativ. "'Aber immerhin lernen wir viel dabei." Wir spielen schon seit zwei Stunden das sehr hübsche, aber auffallend wirr gestaltete Computerspiel "Love". Seit zwei Stunden versuchen wir gemeinsam, der Steuerung und dem Spielprinzip auf die Spur zu kommen - mit mäßigem Erfolg.

Screenshot aus dem Computerspiel "Love".

Eskil Steenberg

Wer sich mit Spielkultur beschäftigt, kommt nicht umhin, sich dauernd mit neuen Settings, Systemen und Regelwerken auseinanderzusetzen. Meist sind das jene Personen, die bei der Brettspielrunde immer als erste die Anleitungen lesen und danach alles geduldig jedem Mitspielenden einzeln zwei Mal erklären.

Das Erlernen eines Spieles ist absurderweise genau das Gegenteil davon, was es in den besten Momenten liefern soll: Unterhaltung, Spannung, Zerstreuung. Die "readme.txt" zu studieren und das doofe Tutorial durchzuspielen gehört da garantiert nicht dazu. Und doch gilt eben auch beim Spiel: Zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen. Jeder erfahrene Gamer weiß: Ist die Lernhürde erst mal überwunden, können sich glorreiche Erlebnisse offenbaren.

Read the heavy manual

"Irgendwie finde ich das ja auch super", kontere ich dem Kollegen, "das ist ja wie in den 80ern, wo du dir den Spielspaß oft buchstäblich erkämpfen musstest". Tatsächlich sind wir es nun schon seit gut zehn Jahren gewohnt, dass uns Computer- und Videospiele entgegenkommen, sich manchmal indirekt fast schon devot dafür entschuldigen, dass wir sie erst erlernen müssen. Wo das dicke Handbuch in den frühen 1990er Jahren noch Gang und Gäbe war, ist seit der Jahrtausendwende auch inhaltlich aufwändigen Spielen bloß noch ein schmales Heftchen beigelegt. Learning by doing ist das Gebot der Gegenwart, die ersten fünf Spielminuten sind oft entscheidend, ob jemand dran bleibt oder nicht.

Screenshot aus dem Computerspiel "Love".

Eskil Steenberg

Auch das Spiel an sich und sein Interface waren zu Zeiten von C64 und PC XT mitunter noch spröde und sperrige Zeitgenossen. Es gab, im Gegensatz zu heute, eine klare Trennung: Für Konsolen wurden wegen der fehlenden Tastatur zugängliche Spiele entwickelt, die nach ein paar Tastendrückern erlernt waren. Der Heimcomputer hingegen war das Zentrum der ExpertInnen und Teilzeit-Masochisten. Die Lernhürde war oft das geringste Problem - hinzu kam die richtige Konfiguration von Computer und Eingabegerät. Wurde das Spiel endlich zum Laufen gebracht, hat es sich danach nicht selten als sadistische Trial and error-Tour entpuppt. Da ist schon mal der eine oder andere Joystick an die Wand geflogen.

John Walker von eurogamer.net hat erst kürzlich ein lesenswertes Feature über die Veränderung von Game Design geschrieben - anhand des Beispiels von "Another World".

Wandel des Game Design

Was früher einfach nur als schwer, schwer zugänglich oder - im schlimmsten Fall - als unfair bezeichnet wurde, gilt heute nahezu einstimmig als schlechtes Game Design. Es kann nicht sein, dass man die Spieler für ihr oft von den Entwicklern aufgezwungenes Scheitern verantwortlich macht.

Ausgehend von dieser Prämisse ist das Pendel der Zugänglichkeit innerhalb der letzten 20 Jahre so weit ins Gegenteil ausgeschwungen, dass sich in jüngster Zeit schon wieder eine Art Gegenrevolution formiert hat. Teilweise zu Recht: Untersagen einem Games etwa den Bildschirmtod komplett, wird die Sache nämlich erneut problematisch. Denn dadurch wird ein wesentliches Element - die Herausforderung - minimiert.

Mut zum Experiment

"Love", ein Ein-Mann-Projekt aus Schweden, ist eine seltsame Mischung aus First Person Shooter und Echtzeitstrategiespiel. Mehrere SpielerInnen bauen gegen die Computergegner.

Nochmal eine Stunde später. Burstup und ich bestaunen weiterhin die schöne Landschaft von "Love" und reden dabei auf Skype über alles mögliche - nur nicht über das Spiel selbst. Das Gameplay bleibt trotz der wachgerufenen Nostalgie an ehemalige Computerspieltage verwirrend, holprig und belanglos. Wir hüpfen und laufen noch ein bisschen durch das interaktive Gemälde und ärgern uns, dass wir dafür gleich mal 10 Euro pro Nase hingelegt haben. "Aber den Mut zum Experiment" sage ich aufmunternd, "den kann man dem Entwickler wirklich nicht absprechen."

Screenshot aus dem Computerspiel "Love".

Eskil Steenberg

Und selbst?

Was sind eure Erfahrungen bei Spielen, die sich nur sehr widerwillig begreifbar machen? Welches ehemals vermeintlich herausfordernde Game Design eurer Jugend lässt euch heute nur noch fassungslos den Kopf schütteln?