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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

30. 4. 2010 - 10:16

Donaufestival: Unknown Pleasures

Die amerikanischen Abstrakt-Rock-Bands Xiu Xiu und Deerhoof führen die erste Platte von Joy Division auf. Römisch Eins.

Joy Division-Lieder sind gar nicht so einfach zu spielen wie man vielleicht bei der ersten Überlegung denken würde. Die Pausen, das Auslassen, das Nichtspielen ist entscheidend. Greg Saunier von Deerhoof ist sich beim Interview der Verantwortung bewusst, die er ein paar Stunden später auf der großen Donaufestivalbühne mit seinen Drumsticks zu tragen hat. Und auch Jamie Stewart von Xiu Xiu sieht man das Verantwortungsbewusstsein an.

ondrusova

Tag 2 beim Donauinselfestival:

Max Tundra, Fuck Buttons, Dan Deacon und Panda Bear im Artikel von Philipp L´Heritier.

Gern gebuchte Gäste sind Xiu Xiu beim Donaufestival. Und das Donaufestival sieht sich gerne in der Rolle des Aufgabenstellers. Diesmal hatte Kurator Thomas Zierhofer-Kin die Idee die beiden amerikanischen Bands Xiu Xiu und Deerhoof, Labelkollegen von der berühmten Kill Rock Star-Plattenfirma, eine fremde Platte aufführen zu lassen. Von vorne bis hinten, dem Originaltracklistening folgend. Die Entscheidung überließ er Jamie Stewart.

ondrusova

Und der hat dann für den Monolith Unknown Pleasures entschieden. Weil Joy Division seine Lieblingsband aus der Vergangenheit ist und weil Deerhoof seine gegenwärtige Lieblingsband ist, meint er beim Interview. Und weil Unknown Pleasures identitätsstiftend für ihn war.

1979 veröffentlicht die Band Joy Division aus Manchester ihr erstes Album Unknown Pleasures. Ein Jahr später erschien das zweite Album und im selben Jahr hängte sich dann auch Sänger Ian Curtis auf. Joy Division ist so tief und traurig und mächtig und leidenschaftlich wie eine griechische Heldensage.

ondrusova

Die letzten Tage haben Xiu Xiu und Deerhoof in Krems gelebt und diese berühmten zehn Lieder geprobt. Und sie nehmen ihre Aufgabe sehr ernst und sind sich dem Wagnis bewusst. Ein wenig nervös lachen sie bei Kaffee und Interview über die Unzahl schlechter Nirvana-Coverversionen. Aber Jamie Stewart und Greg Saunier, die beiden Bandanführer, sind Perfektionisten und ihre Musik atmet ja von Geburt an den dunklen Geist des unglücklichen Ian Curtis. Also viel kann eigentlich nicht schiefgehen.

Day of the lords

Und sie übertreffen dann die hohen Erwartungen. Linientreu und respektvoll, aber nicht übertrieben ehrfürchtig führen sie das dreißig Jahre alte Liedgut auf. Jamie Stewart muss an diesem Abend seine Neigung zur pathetischen Operette auf die Seite schieben und die von Ian Curtis vorgegebene herbe Pose annehmen und das steht im sehr gut. Kein Suhlen im zuckrigen Artrock und keine Kehlkopfeskapaden, sondern harter Todesrock.

ondrusova

Bemerkenswert an den Texten von Ian Curtis sei die außergewöhnliche Mischung der Standpunkte. Die Fusion aus Teenagerpanik und der Weisheit eines alten Greises, meint Greg Saunier.

Und so freut sich das Publikum still und empathisch vor sich hin und verbietet sich selbst bei She's Lost Control aus Gründen der Pietät abzugehen. Wir alle wissen um das selbe Geheimnis. Gutes Gefühl.

Dass Jamie Stewart der Stimmbandgott mit änlich gearteten Strängen wie den seligen Curtis gesegnet hat, macht die Ausgangsposition günstig. Die Band verbietet sich Interpretationen fast vollständig, betont nur ein wenig die lärmigen Aspekte von Unknown Pleasures und dann sind sie auf einmal für Momente die jungen Sonic Youth.

Das nächste Mal Pornography bitte. Thomas Zierhofer-Kin hat ja noch ein paar Festivals zu kuratieren.