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Ballesterer FM

Artikel aus dem Magazin zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts.

29. 4. 2010 - 15:52

Schwarz-Weiße Parallelwelten

Wiener Sport-Club oder Wiener Sportklub? Was nach einer Debatte über die Rechtschreibreform klingt, ist eine jahrelange Auseinandersetzung um die Abspaltung der Sport-Club-Fußballer 2001.

Das Cover des Ballesterer Nummer 52: Piratenflagge

ballesterer FM

Weitere Inhalte des ballesterer Nr. 52 (Mai 2010) mit dem Schwerpunktthema FC St. Pauli:

Verhandlungen zur Zusammenführung der beiden Vereine geraten regelmäßig ins Stocken. Jetzt wollen die Fans den zögerlichen Annäherungsversuchen einen Schub verpassen.

Text: Jakob Rosenberg - Fotos: Stephan Kössler

"Es hat ja mal einen alten Sport-Club gegeben." "Ja, die waren doch mit der Vienna zusammen." Auf dem Sportclubplatz läuft gerade die Begegnung der Regionalliga Ost zwischen dem Wiener Sportklub und Waidhofen an der Ybbs. Zwei Fans mittleren Alters sinnieren über die Historie des Klubs. Das Stadion ist mit 1.300 Zuschauern recht gut besucht, die Friedhofstribüne voll. Das Match wird vom Sportklub dominiert, und die Stimmung lässt selbst auf der Fantribüne lockere Plaudereien zu. Ein Stehnachbar mit Aufklärungsbedürfnis mischt sich in das Gespräch der beiden Friedhofstribünenbesucher ein: "Nein, die waren nicht mit der Vienna zusammen, aber es gibt zwei Vereine – einen mit c, einen mit k. Die Fans wollen die beiden zusammenbringen, aber das ist eine komplizierte Geschichte."

Unbemerkte Trennung

Die komplizierte Geschichte beginnt in der Winterpause der Saison 2001/2002. Der wirtschaftlich von zwei Konkursen gebeutelte Wiener Sport-Club steht an der Tabellenspitze der Regionalliga Ost, die Schulden des Vereins stehen den sportlichen Ambitionen der Fußballsektion im Weg, und es kommt zur Abspaltung eines Großteils der Fußballsektion. Um deren genaue Bedingungen ranken sich seither Legenden, für den Außenstehenden passiert sie fast unbemerkt. "Im Ablauf für einen Fußballanhänger hat sich nichts geändert. Da rennen immer noch elf schwarz-weiße Hanseln aufs Feld, sie haben ein ähnliches Wappen, und es sind immer noch dieselben Leute im Stadion", sagt Rainer Müllauer, WSC-Vorstandsmitglied. "Es war halt der WSK und nicht der WSC, nur gemerkt hat’s keiner."

Fans am Sportklub-Platz

Stephan Kössler

Auch die Funktionäre des Wiener Fußballverbands lassen die kreative Entschuldung der Fußballsektion stillschweigend durchgehen: Der neue Verein wird Meister, obwohl er nie um die Aufnahme in die Liga angesucht und streng genommen nur die Hälfte der Spiele absolviert hat. Franz Jackel, WSC-Vorstandsmitglied und Stadionverwalter des WSK am Sportclubplatz, ärgert sich heute noch über die damalige Entscheidung der Mitglieder: "Ich wünschte, wir hätten uns nie auf das eingelassen. Wenn der WSC nach der Herbstsaison nicht vorne gewesen wäre, hätte es den Lizenzierungsantrag nie gegeben. In diesem Jahr haben wir uns alles zusammengehaut, nur um einmal abzusteigen." Nach der Abspaltung bricht ein Streit über die Geschichte und die Schulden des WSC aus. Der WSC beansprucht die Vereinsgeschichte mit Erfolg für sich, bei den Namensrechten wird 2004 eine Einigung erzielt: Der WSK kauft für zehn Jahre das Recht, sich als Wiener Sportklub bezeichnen und das modifizierte Wappen verwenden zu dürfen, im Gegenzug trägt er zur Entschuldung des WSC bei.

Das Gedächtnis eines Vereins

Während der WSK heute in der Regionalliga einen semiprofessionellen Fußballbetrieb führt, ist die Fußballsektion des WSC ruhend gestellt, man konzentriert sich auf den Amateursport in den anderen Sektionen Fechten, Radfahren, Schwimmen und Wasserball. Die zum Teil von Anhängern des Fußballklubs gegründeten Sektionen sind für manche eine willkommene Nische, um sich aus den Gefechten um den Fußball zurückzuziehen. So auch für Rainer Müllauer. Der Sektionsleiter der Wasserballer steht zwar bei jedem Sportklub-Match hinter der Theke des Vereinslokals "Flag", die Mannschaft hat er seit 2006 aber nicht mehr von der Tribüne verfolgt: "Ich könnte nie ›There is only one Wiener Sportclub‹ mitsingen, denn erstens stimmt’s, und zweitens steht der nicht auf dem Platz."

Franz Jackel

Stephan Kössler

Die Trennung und die darauffolgenden Querelen haben nicht nur bei Fans Wunden hinterlassen, meint Jackel: "Ein Verein hat auch so etwas wie ein Gedächtnis. Genauso wenig, wie ein grandioses Spiel vergessen wird, werden empfindliche Niederlagen vergessen – egal ob das am Platz passiert oder vorm Masseverwalter." Trotzdem hat der Sportclubplatz in den letzten Jahren einen erstaunlichen Zulauf verzeichnet, die Friedhofstribüne gilt fast schon als Synonym für eine alternative Fankultur, die neue Schichten zum Fußball bringt. Auch Olivia Steiner, Vizepräsidentin des WSK, hat ihre Wurzeln auf der Friedhofstribüne, die sie seit 1998 besucht. Ihr Engagement beim WSK sieht sie pragmatisch: "Mein primäres Interesse war der Fußball, deswegen bin ich beim K gelandet. Das war ein unideologischer Zugang. Die Welt ist nicht schwarz und weiß, obwohl sie schwarz und weiß ist."

Obwohl noch nicht alle Narben aus der Zeit der Trennung verheilt sind, gibt es Bemühungen, die beiden Vereine wieder zusammenzuführen. Nachdem erste Gespräche schon 2006 gescheitert waren, haben sich die Mitglieder beider Vereine 2009 für erneute Verhandlungen ausgesprochen. Mittlerweile sind die Verhandlungen ins Stocken geraten, seit Dezember 2009 hat es keinen Gesprächstermin gegeben.

Fanaktion: Flyer mit dem Aufdruck "Come together - Kommts zsamm!"

Stephan Kössler

Existenzängste

So richtig verantwortlich dafür will man sich auf beiden Seiten nicht fühlen. Die Ziele der Verhandlungsteams klingen ähnlich, es spießt sich scheinbar an Details: Eine Einigung gibt es bei der Übernahme der WSK-Mitglieder in den WSC und auch darüber, dass die Bücher des WSK vor einer Rückführung gründlich geprüft werden sollen. Die Streitfrage ist: von wem? Während der WSC selbst Einsicht nehmen will, bevorzugt das WSK-Team einen unabhängigen Prüfer. Die Frage des Übergangs bestehender Verträge, etwa mit Sponsoren des WSK und bei der Pacht des Sportclubplatzes, ist ebenso ungeklärt wie die Bedingungen der Autonomie der neuen WSC-Fußballsektion. Beim WSC sorgt man sich um die sportlichen Ambitionen der Fußballer: "Es besteht immer die Gefahr, dass ein Verein mit Geld herumschmeißt, das er nicht hat", sagt Jackel, der dem WSC-Verhandlungsteam angehört. "Das kann verhindert werden, indem er aktiv von mehreren Sektionen geführt wird. Ein Wasserballer wird nie zulassen, dass sich die Fußballer für einen Verteidiger einen Kredit aufnehmen." Auch Müllauer ist bei der Formulierung von Vereinszielen vorsichtig geworden: "Ich bin sicher vier-, fünfmal nach einem Spiel auf der Tribüne gesessen und habe geweint, weil es geheißen hat, das war das letzte Spiel. Ich bin froh, dass wir überhaupt noch existieren. Aber die meisten Fußballfans sind Realitätsverweigerer und glauben ernsthaft, wir gehören in die Bundesliga."

Gemeinsame Geschichte von C & K

Schwung in die festgefahrenen Verhandlungen wollen jetzt die Fans mit der Aufforderung "Come together! Kommts zsamm!" bringen. Das zuletzt 2003 erschienene Fanzine Schwarz auf Weiß hat bisher zwei Sondernummern herausgegeben, Infostände informieren vor und nach den Spielen, Unterschriftenlisten liegen auf, und Aktionen sollen neue Fanschichten mobilisieren. Am 24. Mai wird den Verhandlungspartnern in einer großen Podiumsdiskussion die Möglichkeit geboten, über den Stand der Zusammenführungsbestrebungen und mögliche Konfliktpunkte öffentlich zu diskutieren. "Ich bin kein Harmoniejunkie, aber wir müssen eine Einheit bilden, wenn wir zusammenarbeiten wollen. Darum begrüße ich auch das Engagement der Fans. Es gibt eine Zäsur, aber die Geschichte ist nicht abgehakt", sagt Steiner, die noch ein Argument einbringt: "Ich bin stolz auf die Vereinskultur, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben, dass sich nicht nur die Fans, sondern auch der Verein gesellschaftspolitisch engagiert und Aktionen setzt. Und die Geschichte des K ist ab dem Zeitpunkt, wo man wieder zusammenkommt, auch die Geschichte des C."

  • FM4 Fußballspiel

Diesen Freitag, 30. April findet auf dem Sportclubplatz in Wien das FM4 Fußballspiel zugunsten von Licht ins Dunkel statt. Und zwar als Vorspiel zum Ostliga-Spiel zwischen dem Wiener Sportklub und Ostbahn XI.

Beginn: ab 17 Uhr

Bis spätestens 2014 muss eine Lösung gefunden werden, dann läuft die Vereinbarung zwischen WSK und WSC über die Namensrechte aus. Von einer Lösung könnten beide profitieren, schließlich wird der WSK nicht unter einem völlig anderen Namen, etwa Schwarz-Weiß Hernals, auflaufen wollen, und der WSC könnte seine historisch erfolgreichste Sektion ohne den Umweg eines Neubeginns in der untersten Klasse sportlich wieder aufleben lassen: "Wir werden sicher nie wieder gegen Juventus im Europacup spielen und schon gar nicht 7:0 gewinnen", sagt Müllauer. "Aber das Ziel ist die Rückkehr auf den Platz, und eine Rückführung des WSK wäre dafür sicher die naheliegendste Variante."