Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Patent Absurdity"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

29. 4. 2010 - 11:31

Patent Absurdity

Eine frei im Netz verfügbare Doku zeigt die Geschichte und Grundproblematik von Softwarepatenten auf.

Genauigkeit und Nachhaltigkeit können oft nicht mit dem schnellen Lauf der Zeit mithalten. Das betrifft Universitäten genauso wie Politik und Patentämter. Wissenschaftliche Forschung ist mit ihrer zeitaufwändigen Sorgfältigkeit aktuellen Geschehnissen oft ebenso hinten nach wie es die Gesetzgebung ist. Rechtliche Rahmenbedingungen werden manchmal erst Jahre später novelliert als es notwendig gewesen wäre - das betrifft vor allem Themen aus Gesellschaft und Technik.

Für Patente, die ursprünglich technische Erfindungen vor Plagiaten schützen sollten, stellt die digitale Revolution die Welt auf den Kopf. Die Grenzen zwischen geistiger Schöpfung, Erfindung und bloßem technischen Handwerk verschwimmen. Bis heute fehlen klare Regelungen, ob und wie Programmcode und Software rechtlich geschützt werden sollen. Die Balance zwischen zu viel Restriktion und unfairen Marktbedingungen, bei denen einer teuer forscht und der andere danach kostengünstig die frisch umgesetzten Ideen abgreift, ist höchst schwierig aufrecht zu erhalten.

Langsam zugespitzt

Vor fünfunddreißig, vierzig Jahren sind Softwarepatente noch kein Thema. Das ist auch nicht notwendig: Die Forschung und Entwicklung ist weitgehend in den Händen von unkommerziell agierenden Universitäten. Der Markt beschränkt sich auf den Verkauf von Großcomputern und das dazugehörige Service. Doch in den späten 1970er Jahren wandelt sich der IT-Markt innerhalb weniger Jahre komplett. Die neue Technik ermöglicht den Heimcomputer, die Bedeutung von immer komplexer werdender Software nimmt zu und big player wie Microsoft, Apple, Adobe und Oracle gehen an den Start.

Mitte der 1990er Jahre beginnt sich in den USA sukzessive eine Lobby für Softwarepatente zu formieren. Weil das US-amerikanische Recht sich viel an Präzedenzfällen orientiert, sorgt der Gerichtsfall "State Street Bank“ im Jahr 1998 dafür, dass vorher nicht patentierbare Erfindungen wie wissenschaftliche Theorien, Geschäftsmodelle und eben auch mathematische Algorithmen und damit Software patentierbar werden. Das Fundament für diese Entwicklung wurde aber schon viel früher gelegt.

Eben Moglen

Luca Lucarini

Eben Moglen

Eben Moglen, Software Freedom Law Center: "In 1953 the patent act was modified by congress to add the words 'or processes' to the word 'product' in describing what could be patented. The congress which did that was plainly thinking about processes of industrial manufacture, processes that produced something at the other end. And it's unlikely that anybody thought of processes at that time in terms of computer software."

Patent-Wettrüsten

Wer verdient an Software-Patenten?

Neben teuren Anwälten verdienen vor allem sogenannte "Patent-Trolle" gut an vage formulierten Patenten.

Aufgrund der neuen Gesetzesgebung findet zur Jahrtausendwende eine Art Softwarepatente-Wettrüsten statt. Weniger aus Gier, sondern vorrangig zum Schutz der eigenen Geschäftstätigkeit melden Apple, IBM und Co. sicherheitshalber mehr und mehr Patente an. Die Situation schaukelt sich hoch. Die Firmen gründen eigene Patentabteilungen und verklagen sich wechselseitig auf ihre neu angemeldeten, teilweise schwammig formulierten Softwarepatente.

Es werden so viele Patente angemeldet, dass ein Überblick über die Neuanmeldungen bald unmöglich wird. Viele sind so vage formuliert, dass man sich als Neuhinzugekommener im Zweifelsfall dafür entscheidet, die Software eben nicht zu schreiben, sicherheitshalber eben kein Jungunternehmer zu werden. Der bekannte Freie Software-Aktivist Richard Stallman bringt den griffigen Vergleich mit Musik. Was wäre, wenn im 17. und 18. Jahrhundert Patente auf kompositorische Grundelemente aufgestellt worden wären?

Richard Stallman

Luca Lucarini

Richard Stallman

Richard Stallman, Gründer Free Software Foundation: "A rhythmic pattern could be patented or a sequence of chords or any idea you could describe in words. Now imagine it's 1800 and you're Beethoven and you want to write a symphony. You're going to find: It's harder to write a symphony that you won't get sued for than write a symphony that sounds good."

Ruhender Vulkan

Die Softwarepatente-Lobby schafft es in den USA dennoch jahrelang, die fachliche Inkompetenz des obersten Gerichtes (Supreme Court) auszunutzen. Sie bündelt sich stattdessen im Bundesberufungsgericht (Court of Appeals) - so lange, bis der Druck von außen auf die höheren gerichtlichen Instanzen groß genug wird. Ein weiterer Präzedenzfall, der Fall Bilski, verbessert im Oktober 2008 die Situation.

In Europa stimmt bereits im Jahr 2005 das EU-Parlament mit 95%-iger Mehrheit gegen die Patentierbarkeit von Software. Dennoch ist das Thema Softwarepatente nie endgültig vom Tisch, da die rechtliche Situation weiterhin sehr dynamisch und im Umbruch begriffen ist.

Der 30-minütige Film "Patent Absurdity", produziert von Luca Lucarini und unterstützt von der Free Software Foundation, will deshalb aufklären und informieren. Ausgehend vom Fall Bilski wird die Geschichte der Softwarepatente verständlich aufgerollt und von ExpertInnen entsprechend kritisch beleuchtet.

Weil das Thema einigermaßen komplex ist, lohnt es sich, den Film zwei Mal in Serie zu sehen. Anschauen sollte man ihn sich auf jeden Fall: "Patent Absurdity" ist frei als Ogg Theora-Download oder als Stream verfügbar und bietet einen schlüssig zusammengestellten Einblick in die Geschichte und den Werdegang von Softwarepatenten.