Erstellt am: 28. 4. 2010 - 18:58 Uhr
Fußball-Journal '10-13.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 1: Jugend und so; und die mediale Mangel-Kompetenz.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 2: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 3: die Liga und so; Leben jenseits der Realität.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 4: wir alle sind schuld; von der Verdrängung und der Ablenkung.
Ich war jüngst ein paar Tage ein wenig nicht in Österreich, sondern zuerst in der Hauptstadt des 9platzierten des UEFA-Rankings, dann in einer massiv geschichtsbeladenen Stadt der aktuell viertbesten europäischen Fußball-Nation.
Wenn man an diesen Orten den Web-Kontakt mit der Heimat auf ein Mindestmaß beschränkt (was durchaus gesund ist, um den nötigen Abstand zu kriegen), bekommt man über Österreich (bis auf vielleicht ein Foto von Frau Rosenkranz in einem Guardian-Artikel über die Wahlen in Ungarn, als nachbarlicher Sidestep) genau nichts mit.
Was den Fußball betrifft, sind diese europäisch Bessergestellten durchaus an den anderen großen Ligen und natürlich Champions/Euro-League interessiert - ihre Medien spiegeln das durchaus wider.
Und so hab' ich CL- und EL-Spiele aus dem TV-Blickwinkel der Einheimischen gesehen, war bei Erst- und Zweitliga-Spielen vorort und begriff mich als durchaus umfassend informiert.
Der Österreich-Schock
Der Moment des Wiedereintritts in die österreichische Realität war jedesmal ein Schock.
Das erste Mal war es das Austeilen von KronaKurier im AUA-Flieger - was an sich besonders bitter ist, wenn man zuvor Le Monde, Liberation oder die Herald Tribune bekommen hatte - wo dann die bodenlosen Nichtigkeiten des heimischen Kicks schlagzeilensüchtig ausgetreten wurden.
Das zweite Mal war das wenigstens in Form einer kurzen Austroball-Epistel in einem deutschen Qualitätsblatt der Fall - inhaltlich machte es die Sache aber nicht besser.
Denn die Überprüfung des Versäumten ergab: es war nicht nur nicht wirklich etwas passiert (und das in diesem Frühjahr wieder einmal auf durchaus schwächlichem Niveau), die Medien fanden in diesem Nichts auch wieder treffsicher den Scheitelpunkt der medialen Ablenkung.
Es ist so, wie es Reinhard Krennhuber im Ballesterer beschreibt: eine medial gut geölte Maschinerie betreibt in reinem Populismus ersaufende Scheingefechte.
Fehlausbildner
Dass dabei alle mitspielen, ist wahrscheinlich auch nur dann bemerkenswert, wenn man, wie ich gerade, aus einem anderen Umfeld kommt, in dem sowohl Medien als auch Verantwortliche das breite Fußball-Publikum (also nicht nur die wenigen Platzbesucher, sondern die vielen Nebenher-Interessenten und Medien-Konsumenten) nicht nur als brave Schafe mit praktisch eingebautem Nasenring oder gleich als Manövriermasse für die nächste Campaignisierung betrachten, sondern sich sowas wie einem öffentlichen Auftrag verpflichtet fühlen. Nämlich mittels Information und vor allem Analyse die eigenen Leser/Hörer/Seher/Fans zu besseren Auskennern zu machen - um damit nicht nur das Bildungs-Niveau, sondern indirekt auch gleich das Sozialprodukt zu heben, um mittels einer kritischen Masse an kenntnisreichen Unterstützern auch gleich ein besseres Literaritäts-Niveau anzusteuern und sich somit die Kundschaft von morgen heranzuziehen.
Das funktioniert im scheinbar so simplen Bereich Fußball besonders gut mittels Förderung von räumlicher Intelligenz, versatilem Denken; sprich: mit der erklärenden Grafik, der simplen Matrix oder etwa der vorbildlichen Netzwerkanalysen des Standard.
Und wenn sich das nicht ausgeht, dann kommt wenigstens eine taktisch/strategische Analyse der aktuell im Focus stehenden Teams.
Im Kleinen machen das die durchaus vielen sich mit Fußball beschäftigenden Medien (etwa in Portugal und Deutschland) tagtäglich; und auf einem Niveau, das einen auch dann reinzieht und upliftet, wenn man der Sprache nur mangelhaft mächtig ist.
Rückpass-Match
Hierzulande bewegt sich die Realität auf Augenhöhe mit der Parodie.
Die Ideologie des FC Rückpass entspricht bis ins kleinste dem immer noch gepflogenen Kartnigismus; und das 70er-Jahre-Training von nicht zufällig Beschäftigungslosen in Das Match unterscheidet sich nicht so drastisch von Unterbau-Wirklichkeiten.
Alle wissen das.
Bei jedem Zusammentreffen von mit Fußball Beschäftigten und in/von der Szene Lebenden wird dir jeder (in aller Offenheit, aber natürlich off the records) bestätigen, dass man in allen strukturellen Belangen hoffnungslos hinterherhinkt.
Dass eine Branche, die von einem positiven Bild lebt, das nicht thematisieren wird -> verständlich.
Dass aber in Österreich die Medien bei dieser Verschleierung so willfährig mitziehen - das ist die Crux.
Denn genau dazu sind die Ablenker-Aufbauschungen da, die sinnleeren Schiedsrichter-Debatten, die Aufreger über Linienrichter und Abseitstore und nicht gesehene Mörderfouls.
Stammtisch-Dramen
Klar, das sind hübsche kleine Stammtisch-Dramaturgien. Die allerdings einen Tag später zu den Akten und durch die wesentlichen Fragen ersetzt gehören.
Etwa die professionelle Analyse, dass Spiele nicht wegen eines Fehlpfiffs entschieden werden, sondern wegen einer schlechten Aufstellung, einer mangelhaften Abstimmung auf den Gegner oder gar miserablem Coaching. Und die schlichte Wahrheit, dass Meisterschaften aufgrund von Bedingungen der reinen Verheerung (wie: keine genügenden Vorbereitungs-Zeiten, hysterische Zukaufsorgien, Kurzfrist-Hand-in-den-Mund-Planungen etc) der Chance auf Entwicklung enthoben werden.
Wer sich, wie die österreichischen Fußball-Medien diese Fragen nie stellt (weil sie für die Branche unangenehme Wahrneiten zutage fördern würden) und sich deshalb diesen Fragen nicht stellt (weil noch dazu die Partner und Haberer dann bös' sein könnten), dem bleibt natürlich nichts anderes übrig als wie ein Krone-Polizeireporter das nachzubeten, was die Partner/Haberer als Nachricht vorgeben und das aufzublasen, was man grad noch durchblickt. Das primitivste Stammtischgewäsch nämlich, die üblichen Schiri-Schwachheiten.
Druck von unten
Funktionieren tut das, weil nicht nur die Fußball-Medien eine verlotterte und im internationalen Vergleich erbarmungswürdige Figur abgeben, sondern auch, weil durch diese Nicht-Erziehungsarbeit (und andere, im Österreichertum verborgenen, Ausredenkulturen) bereits eine breite Masse an zwar theoretisch willigen Menschen, die sich selbst als kritische Geister titulieren, dann aber immer selber nur an der Oberfläche kratzen und geistig nasenbohren, erzeugt haben.
Das ist, mit Verlaub und mit der eben erlebten Erfahrung in den Ausländern, anderswo anders. Und viel besser. Mit dem Resultat viel höheren Niveaus in jedem Bereich.
Schuld sind: wir alle.
Denn auch der Prozentsatz jener, die sich durch ihre Wortspenden in Journal-Foren als Abgelenkte offenbaren (und genau auf den ganzen Ablenkerunsinn reinkippen) ist ein unnötig hoher.
Änderung ist nur durch Druck von unten möglich: also entweder den der Konsumenten, die sich mit dem angebotenen Mist nicht zufriedengeben und das klar äußern oder den der jungen Macher, die eine andere Fußball-Berichterstattung wollen und das (gegen die Widerstände der altbackenen Reaktionäre, die ihre Ressortleiter-Funktionen wie ein Krankl führen) auch durchsetzen.
Das System Bequemlichkeit
Von oben wird da keine Revolte kommen.
Das System genügt sich selber, in aller Bequemlichkeit. Nicht einmal in böser Absicht.
Unlängst bin ich, nach einer der oben erwähnten Veranstaltungen mit einem durchaus definitionsmächtigen Player des heimischen Fußballs ein paar gemeinsame Schritte Richtung U-Bahn gegangen. Und wir haben (es war nach dem Fall Hoxha) darüber gesprochen, wie diese Ablenker funktionieren. Und der Player erzählte (eher amüsiert denn angewidert) über honorige Herren des Bildungsbürgertums, mit denen er unlängst zu tun hatte, und wie dort das Debatten-Niveau (vorsichtig gesagt) das im Friseurteam Ogris nicht überschreiten konnte.
Was der Player nicht sagte, weil er es nicht sagen musste: ihm ist diese offensichtliche Ahnungslosigkeit um die realen Probleme seiner Branche nicht unrecht.
Wer nichts weiß, redet auch nicht blöd mit oder stellt gar unangenehme Fragen.
Wer sich mit den üblichen künstlich aufgeblähten Debatten wegbluffen läßt und dort seine Diskurs-Energie reinsteckt verpufft wirkungslos.
Ums echte Geschäft kümmern sich andere.
Das ist ein Modell, das einer immer noch oligarchisch organisierten Fußball-Branche und einer zunehmend populistischen Gesellschaftsordnung wie der österreichischen ohnehin sehr entgegenkommt.
Das alles ist nichts ganz Neues, ich weiß, aber doch eine Entwicklung, die immer tiefer in die Unumkehrbarkeit drängt. Und wenn mir das durch den Vergleich mit dem Anderen, dem Fremden, von dem soviel zu lernen wäre, auffällt, dann g'hört es gesagt.