Erstellt am: 27. 4. 2010 - 17:22 Uhr
Video: "Born Free"
Das passendste, was ich in letzter Zeit über M.I.A gehört habe, stammt aus dem Mund ihres Co-Producers Diplo.
Sinngemäß meinte er: Die Menschen, insbesondere die Plattenfirmen sollen sich von der Idee verabschieden, dass M.I.A. ein Sound ist, etwas, das man beliebig reproduzieren könne. M.I.A. ist mehr, M.I.A. ist eine Haltung, ein politisches Konzept. Das weckte bei mir die Neugierde, was nach ihrem letzten Album Kala kommen würde.
m.i.a.
In meinem türkischen Lieblingsrestaurant lag vor zwei Monaten ein Magazin des Energie Drink Herstellers herum. In diesem Magazin gabe es ein großes Interview inklusive Studiobesuch der sonst medienverweigernden Frau Arulpragasam. Ein Satz ist bei mir hängengeblieben, ein Satz für den ich M.I.A wieder ein Stück mehr ins Herz geschlossen habe. "Ich kaufe meine Kleider jetzt nur mehr bei Wal-Mart", sagt M.I.A., "und rebelliere gegen die Rebellion, gegen all die Lady Gagas da draußen. Und werde so langweilig ausschauen, dass alle schockiert sind."
Der Fluch of Fame, die Gefahr, zu einem Hipster Girl stilisiert zu werden, die war bei M.I.A. nie wirklich da, aber mit mit dem neuen Song samt Video "Born Free" dürfte er nun endgültig gebannt sein.
Keine Zeit für Subtilität
Das Video ist ein Kurzfilm von Romain Gavras, dem Regisseur des Justice Tour-Films "A cross the Universe" und Stress, ebenfalls von Justice.
Das, was Romain Gavras im Video, in einem Amerika, ca 20 Minutes into the Future inszeniert hat, ist körperlich beklemmend. Man nimmt die Musik erst nach mehrmaligem sehen wahr, wenn der Schock abgeklungen ist. Dass M.I.A in "Born Free" Suicides "Ghost Rider" sampelt, angeblich mit dem großartigen Egyptian Lover zusammen arbeiten wird, und ihr neues Album am 28. Juni veröffentlichen wird, ist alles zweitranging angesichts dieser Bilder von Faschismus, Polizeigewalt und der Willkür von Feindbildern.
Suicide scheint aber nicht nur Samplequelle sondern auch inhaltlich Pate gestanden zu sein: "America is killin' its youth“ singt Alan Vega auf Ghost Rider durch Martin Revs Synthesizer-Nebel.
Vielleicht eine Warnung bevor die "Warum muss ich mir das anschauen, diese ekelhaft Gewalt"- Empörung losbricht:
Im Video gibt es Sex zwischen Menschen, die aussehen wie normale Menschen nun mal aussehen, Crack-Konsum, Polizeigewalt und rassistisch motivierter Mord an Kindern. Alles Dinge, die in dieser Welt existieren.
Ob man die Ästhetik dem Thema angemessen findet oder ob "Born Free" universeller und aussagekräftiger wäre, wenn die Identität der Staatsmacht nicht klar wäre, das sind Fragen, die wohl in den nächsten Wochen von Promipranger.com bis hin zur Spatzenpost diskutiert werden.