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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

23. 4. 2010 - 10:35

With no power comes no responsibility

"Kick-Ass" ist moralisch unverantwortliches Gewaltkino für die Youtube-Generation. Und gleichzeitig der beste und witzigste Comicfilm seit langer Zeit.

Majestätisch breitet ein kostümierter Superheld seine Flügel aus und hebt von einem Hochhausdach ab. Einige Sekunden später knallt er dann mit voller Wucht brutal auf ein Autodach.

Mutig stürzt sich ein anderer Rächer im grünen Anzug in den Fight gegen zwei Kleinganoven. Aber einen Messerstich später endet der Traum vom Vigilantentum in der Intensivstation.

Erfolg beim Kampf gegen das Verbrechen hat dagegen eine weibliche Superheldin. Hitgirl beherrscht sämtliche Nahkampftechiken, ist blitzschnell mit Messern, Samuraischwertern und schweren Geschützen, sie killt Mafiagangster im Dutzend. Dabei ist Hitgirl erst elf Jahre alt.

Kick-Ass

Lionsgate

Willkommen in der sarkastischen, gemeinen und sehr komischen Welt von "Kick-Ass". Diesen Film dürfte es eigentlich nicht geben. Etlichen Studios legte Regisseur Matthew Vaughn sein Konzept vor, ganz blass im Gesicht lehnten fast alle Produzenten ab.

Nur mit einer geschickten Art der Kofinanzierung, mit Hilfe von Brad Pitt und seinem eigenem Vermögen als Pfand, gelang es dem Londoner Guy Ritchie-Kollaborateur, sein Wunschprojekt auf die Leinwand zu bringen. Gar nicht so verwunderlich, wenn man "Kick-Ass" jetzt im Kino sieht.

Matthew Vaughn hat ein Action-Epos geschaffen, das sämtliche Mainstream-Regeln ignoriert. Ein knallbuntes und gleichzeitig rabenschwarzes Stück Comickino, voller klaffender moralischer Abgründe.

Kick-Ass

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Nicht schon wieder ein schüchterner Nerd im Mittelpunkt einer Comicverfilmung, denkt man sich noch am Anfang. Aber Dave Lizewski (Aaron Johnson) ist kein potentieller Peter Parker, der zum unbesiegbaren Helden mutiert. Sondern einfach nur ein durchschnittlicher Teenager, der zu viele Internet-Pornos konsumiert und von einem Wunschdasein als kostümierter Rächer träumt.

Eines Tages beschließt Dave den entscheidenden Schritt und wagt sich tatsächlich als Gangsterjäger auf die Straße. Ein gefährliches Unterfangen, bemerkt er bald, denn sein lächerlicher, aus dem Netz bestellter Anzug beeindruckt die Drogenhändler von nebenan wenig.

Dank Youtube und Myspace erregt "Kick-Ass" aber doch Aufmerksamkeit. Ein Mafiaboss (Mark Strong) setzt seine Schergen auf den giftgrünen Vigilanten an. Bevor Dave im Mündungsfeuer der Ganoven stirbt, kommen ihm aber zwei tatsächliche Superhelden zur Hilfe.

Big Daddy und Hitgirl nennt sich das ungleiche Duo, das sich als psychotische Kleinfamilien-Version von Batman und Robin entpuppt. Der durchgeknallte Papa (Nicolas Cage) und sein herziges und brandgefährliches Töchterlein (Chloe Moretz) werfen sich gemeinsam mit Kick-Ass in die Schlacht. Gefangene werden dabei eher nicht gemacht.

Kick-Ass

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"Kick-Ass", warnen die Gegner, sei moralisch unverantwortliches Gewaltkino für die Youtube-Generation. Und sie haben gar nicht ganz unrecht.

Aber im Gegensatz zum letzten großen Albtraum der Jugendschützer, der Historienschlachtplatte "300", hat dieser Film auch Humor. In den besten Momenten trifft der subversive Witz von Judd-Apatow-Produktionen wie "Superbad" auf die durchchoreografierten Metzeleien von "Kill Bill".

Dabei hat Matthew Vaughn die Comicvorlage noch abgeschwächt. In der Marvel-Heftreihe "Kick-Ass" erzählen Autor Mark Millar und Zeichner John Romita Jr. auf kompromisslos zynische Weise von kostümierten Poseuren und gestörten Antihelden.

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Aber egal wie sehr der Regisseur das Comic veränderte, der Film wirkt dennoch wie ein einziger Tabubruch. Schuld daran ist vor allem die sensationelle Darstellerin des Hitgirl. Aufgefallen ist die mittlerweile 13-jährige Chloe Moretz schon mit höchst derben Sprüchen in der Indiekomödie "(500) Days Of Summer".

Über ihre kindliche Killermaschine, die an der Seite des wieder mal völlig jenseitigen Nic Cage agiert, wird man noch lange reden. Hitgirl schockiert, polarisiert, treibt Menschen wie den Schreiber dieser Zeilen aber auch zu spontanen Adoptionsgedanken. Sogar Martin Scorsese ist dem Moretz-Fanclub beigetreten und castete Hollywoods most edgy Kinderstar für seinen nächsten Film.

"With no power comes no responsibility" lautet der Leitspruch dieses Abgesangs auf kostümierten Heroismus. Spider-Man würde sich schämen. "Kick-Ass" ist eine verkorkste Fanboy-Fantasie, ein Blockbuster mit Dachschaden, ein anarchistischer Mainstreamfilm. Vor allem aber: ein wahnwitziges Vergnügen.

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