Erstellt am: 24. 4. 2010 - 12:55 Uhr
Fotografie als dehnbarer Begriff
Die Ausstellung Blickwechsel - Österreichische Fotografie Heute präsentiert eine Vielzahl verschiedener Spielarten der Kunstform Fotografie. Sie läuft bis 16.05.2010 in der Galerie WestLicht, Westbahnstraße 40, 1070 Wien.
Facetten der Fotografie
Es sind insgesamt 19 in Österreich lebende KünstlerInnen, die sich über die Räumlichkeiten der Galerie WestLicht in der Fotomeile Westbahnstraße ausbreiten. Der Andrang bei der Vernissage der Ausstellung Blickwechsel ist groß, es gibt Weißwein, Häppchen, Societyfotografen. Wer sich an Stiegenaufgang und Barbereich vorbei geschält hat, findet reges Interesse vor den Wänden, denn die Ausstellung verspricht einen Überblick zum derzeitigen State of the Art der österreichischen Fotografie, und ist in der Auswahl der Objekte äußerst breit gefächert.
Daniel Eberharter
Man sieht fast alle Austragungsarten der Fotografie - von beobachtender, klassischer Fotografie über Fotokunst durch digitale Bearbeitung bis hin zur Installation. Wer nur fünf Meter Wand zurücklegt, hat in der Tat mehrere Blickwechsel hinter sich.
Installation und Performance
Zu den etablierten Namen wie Erwin Wurm und Helmut und Johanna Kandl reihen sich, und das ist der erfreuliche Kern der Ausstellung, junge und weniger bekannte KünstlerInnen wie Selina de Beauclair, Julia Willms, Markus Guschelbauer und Anatoliy Babiychuk. Die Ausstellung setzt sich ausdrücklich zum Ziel, eine möglichst breite Palette der Fotografie abzudecken. Das ist ihr auch gelungen, aber nach zehn Minuten findet man sich am Kopf kratzend in der Mitte des Raumes wieder und versucht zu eruieren, ob das Abfotografieren einer Installation (Nina Rike Springer) wirklich noch Fotografie, oder längst schon bildende Kunst ist. Eine spannende Frage.
Westlicht
In diesem Zusammenhang sei noch folgende Ausstellung - ebenfalls Fotografie - besonders empfohlen: Robert Rutöds "Less is More" ist noch bis Sonntag, 25.04.2010 in der Siebensterngalerie Ruth Maier zu sehen. Rutöds Fähigkeit, Alltagssituationen mit viel Geduld, Charme und einem unaufdringlichen Auge abzulichten, im richtigen Moment abzudrücken, ist wirklich sehenswert. Großartige Street-Photography.
Kamen Stoyanovs Hello Lenin dient als weiteres Beispiel. Die Serie zeigt einen Betonsockel irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion, auf den ein junger Mann mit beachtlicher Ähnlichkeit zu Wladimir Iljitsch Uljanow empor klettert und sich zur lebenden Leninstatue installiert.
Auch hier: Inszenierung. Und auch hier könnte man sich den Kopf zerbrechen, ob es sich nun um Performance oder um Fotografie handelt. Ist es das Ablichten eines Augenblickes, der so nie mehr vorhanden sein wird? Eine 1-Minute-Sculpture eben. Man beginnt, Wurms Einfluss zu erahnen.
Wirklichkeit und Emotionen
Unter den 19 KünstlerInnen finden sich aber freilich auch Arbeiten, die sich eher klassisch als Fotografie erkennbar zeigen. Selina de Beauclairs Arbeiten zeigen Pornoheftbildern, die auf Menschen projiziert werden. Hier geht es klar um das fotografische Anfertigen eines Bildes. Ästhetik, Komposition, Licht. Und vor allem: Emotionen.
Auch Julia Wilms Bilder sprechen eine emotional greifbare Ebene an. Wimms überlagert Natur mit geschlossenen Räumen, schließt das Offene, Große, Weite in kleine Badezimmer und auf Dachböden ein. Ihre Fotos könnte man sowohl als Reportage als auch als aufwändige Installationsprojekte lesen. Sie zeigen echte Räume, echte Wohnungen und kein Studio. Sie transportieren eine Wirklichkeit.
Westlicht
Fragezeichen und Diskurs
Alles in allem ist es eine Ausstellung mit guten Arbeiten, sie wirkt jedoch etwas unbeholfen. Viele der Arbeiten sind aus aus den Jahren 2005, 2007, einige sogar aus 2003. Kam seit sieben Jahren nichts neues hinzu? Man beginnt, die Aktualität in Frage zu stellen.
Die Ausstellung hinterlässt also Fragezeichen und Stirnrunzeln, ist aber gerade deshalb sehenswert. Man erhält Einblick in die verschiedenen Facetten der Fotografie. Aber es mangelt ein wenig am roten Faden. Es fühlt sich wie die Jahresschau einer Kunstuni an, und das ist für eine große Galerie wie das WestLicht überraschend mau.
Die Ausstellung läuft noch bis 16.05.2010. Genug Zeit, um sich selbst ein Bild zu machen.