Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Courtney Love is Nobody's Daughter"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

23. 4. 2010 - 14:20

Courtney Love is Nobody's Daughter

Sechs Jahre nach ihrem letzten Album feiert Courtney Love mit ihrer Band Hole und dem Album "Nobody's Daughter" ein Comeback.

Courtney Love, die Grunge-Rock-Ikone mit dem Pop-Appeal, Kurt Cobain Witwe, Schauspielerin, Skandal-"Nudel" mit Neigung zu irritierendem Verhalten, hat es nun tatsächlich vollbracht: die Fertigstellung und Veröffentlichung eines neuen Albums. Was jetzt endlich unter dem Titel "Nobody's Daughter" erscheint, wurde immerhin schon eine ganze Weile angekündigt. Mehr als eine ganze Weile. Etwa in der Jänner-2009-Ausgabe vom britischen Elle-Modemagazin, wo Courtney am Cover war, samt passendem Titel "Truly Madly Courtney". Eine ziemlich liebenswürdige Courtney Love präsentierte sich in dieser ausführlichen Story, keine "schwarze Witwe", wie nun, anlässlich von "Nobody's Daughter", so mancher Courtney-Artikel betitelt ist.

Courtney Love

Courtney Love

Colours Of Love

Schwarz hat Courtney Love schon in alten Hole-Zeiten getragen, aber ihre Lieblingsfarbe war es nie: Weiß, rosa und cremefarben waren die Courtney-Kleider zumeist, mit Spitze, Rüschen, aus zarter Baumwolle, tausendmal gewaschen. Ein Stil, den sie zusammen mit ihrer guten Freundin Kat Bjelland vom heavyrockenden Frauentrio Babes In Toyland erfunden hatte: barocke Kleidchen und Hemdchen wie aus Urgroßmutters Kleidertruhe.

Bandfoto Hole

Hole

Wenn Zeitungen nun titeln "Die schwarze Witwe", dann soll das wohl eine gewisse Gefahr andeuten, die Courtney Love immer auch verkörperte, eine Gefährlichkeit, die der Rock-Musik per se ja innewohnt oder im Fall Courtney etwa auch andeuten könnte: Eltern, sperrt eure Töchter ein, lässt sie nicht bei Hole den Bass oder das Schlagzeug spielen, sonst ergeht es euch womöglich so wie der armen Kristen Pfaff, die in Courtneys Umfeld zur Heroin-Abhängigen wurde und dies mit dem Leben bezahlte.

Hellblau dürfte die neue bevorzugte Farbe von Courtney Love sein. Weite kurze Tüll-Röcke in hellblau, oder auch in einem schönen Nachtblau. Und Roben wie Marie Antoinette sie getragen hat. Der tragischen Französin mit österreichischer Herkunft ("Wenn sie kein Brot mehr haben, sollen sie doch Kuchen essen.") begegnen wir am Cover zu "Nobody's Daughter". Das berühmte Bild aus dem Pariser Louvre verwendet Courtney für das neue Hole-Album: das Ölgemälde mit Marie Antoinette mit der Rose in der Hand, 1783 gemalt von der Künstlerin Marie Louise Vigee-Lebrun. Das Album-Cover zeigt uns aber nur die unteren zwei Drittel des Bildes - eine kopflose Marie-Antoinette also.

Courtney Love

epa/Paul Buck

Im Inneren des Booklets ist ebenfalls eine Frau zu sehen, der das Schafott nicht erspart blieb: Lady Jane Grey, einst blutjunge Kurzzeitkönigin von England, die in das Amt hineingedrängt und infolge bald von Mary Stuart gestürzt und zum Tode verurteilt wurde. "Die Execution Of Lady Jane
Grey" ist in der Tat ein verstörendes Gemälde. Courtney Love hat sich immer mit oft tragischen Frauen-Figuren auseinandergesetzt - mit Schriftstellerinnen wie Sylvia Plath oder der Schauspielerin Frances Farmer, nach der Courtney Loves Tochter benannt ist.

Eternal Love

Das letzte Hole-Album, "Celebrity Skin", 1998, war das Pop-Album von Hole. Grunge war längst Geschichte und Courtney ein beachtlicher Star, der Seattle goodbye gesagt und es nach Hollywood geschafft hatte ("The People Vs Larry Flint"). "Celebrity Skin" war eine Hommage an ihre Musik-Heldin Stevie Nicks, die Sängerin von Fleetwood Mac, die elfenhafte Erscheinung, die mit rauem Timbre und zarten Walle-Kleidern und Tüll-Schals in den 70er Jahren wie kein anderes Mädchen kalifornische Rock-Dekadenz verkörperte. Melissa Auf Der Maur war nun die Hole-Bassistin und zweite Frau neben Courtney. Mit der charismatischen Kanadierin an ihrer Seite hatte Courtney Love eine Art stylishes Pop-Upgrading ihrer Band vollzogen: Keine durchschnittlich wirkenden jungen DIY-Frauen aus den feministischen Szenen von Seattle, Olympia oder Portland waren mehr bei Hole - keine Jill Emery, keine Caroline Rue, keine Patti Schemel, sondern Courtney und Melissa repräsentierten den weiblichen Glamour einer modernen Rock-Band. Immer an ihrer Seite: der stets unerschütterliche Gitarrist Eric Erlandson.

Hole

Hole

America´s Sweetheart

Auf "America´s Sweetheart", dem - unverdienterweise - ziemlich untergegangen Solo-Album von Courtney Love, war ebenfalls der Stevie-Nicks-Einfluss zu hören, und der einer anderen weiblichen Ikone: die ex-Rolling-Stones Gefährtin und spätere hochrespektierte musikalische Charakter-Darstellerin Marianne Faithfull, die nun auch beste Freundin von Courtney war. Gleich im ersten Stück am neuen Album, dem Titelsong, der ein gutes Tempo hat, klingt Courtney wieder ein wenig wie La Faithfull.

Album Cover Hole

Hole

Hier die weiteren Stücke von "Nobody's Daughter" im Schnelldurchlauf.

Skinny Little Bitch:
Ein wenig adult-oriented-Rock erst, aber der Schluß rockt fast wie zu klassischen Hole-Zeiten.

Honey:
Auch der dritte Song am Album wurde zusammen mit dem jungen britischen Musiker Micko Larkin geschrieben. Er ist sozusagen Courtney Loves neuer Eric Erlandson. Letzterer schmollte ob der nicht-Einladung zum Hole-Comeback und streitet nun per Gericht, ob der Bandname einzig und allein Courtney Love gehört.

Pacific Coast Highway:
Schönes Gitarren-Intro und ebenso schönes Solo gegen Ende. Erinnert an das letzte Hole-Album, an die Songs "Malibu" und "Boys On The Radio". "California Dreaming auf Courtney-Art. Samt Blumen in ihrem nun goldenen Haar.

Samantha:
Maloney oder Ronson? Eher erstere, obwohl: Courtney widmete das Stück beim London-Konzert zweiterer. Samantha Maloney: coole, lesbische zeitweilige Hole- und "American Sweetheart"-Drummerin. Trommelte auch schon für Peaches oder die Eagles Of Death Metal. "People like you f* people like me, f* people like you", heißt es im Song. Eine höchst aufgeladene Kriegs-Erklärung alten Courtney-Stils?

Someone Else´s Bed:
"So I have another cigarette and I just try to forget, how did I end up all alone?". Courtney in self-reflecting mood. Als sie bei der Zeile "Sunday morning and the rain begins to fall" angelangt ist, klingt sie wie, äh, Bonnie Tyler 1983 auf ihrem Megaseller-Album "Faster Than The Speed Of Night".
Früher Four-Non-Blondes-One-Hit-Wunder und nunmehrige Erfolgsproduzentin Linda Perry komponierte mit. Das erklärt Einiges, auch wenn Courtney letztlich noch (beinahe) rechtzeitig diese Zusammenarbeit beendet hat.

For Once In Your Life:
Courtney ist nicht einfach beeinflusst von Marianne Faithfull. Courtney wird hier zu Marianne Faithfull. Der Song erinnert kaum an Vergangenes von Hole. Schöne Streicher-Arrangements. "I´ll build you a world" sind hier Courtneys letzte, berührende Worte.

Letter To God:
"Dear God, I´m writing this letter to you", singt Courtney mit resignativer Kapputt-Stimme, bäumt sich aber sogleich auf: "Can you please show me who I am? I´ve been tortured and scorned since the day that I was born, but I don´t know who I am." Oh mein Gott, Courtney has found, ah, God: "Lieber Gott", fragt Courtney Love, "bist du enttäuscht, oder bist du stolz auf mich, auf diesen Freak?" Ja, ja, ist schon gut, ist ja schon gut, Courtney!

Loser Dust:
Das Ding rockt. Gut. Besonders direkt nach dem Courtney-Monolog mit Gott. Hat Einiges vom alten Hole-Spirit. Billy Corgan hat mitkomponiert. (M)ein Lieblingssong?

How Dirty Girls Get Clean:
"I´m a lost soul, make the most of me, don´t spit me out." Der alter Hole-Spirit ist hier ebenfalls wieder mit an Bord, auch wenn Courtneys Gesang anfangs etwas müde und atemlos ist. Linda Perry und Billy Corgan sind Co-Songschreiber. Eine ziemlich smart nach PJ Harvey klingende Gesangs-Passage gegen Ende!

Never Go Hungry:
Anspannen - entspannen - anspannen. Eine entspannte Folk-Rock-Courtney im Sing-Along-Style. Kein klassischer Hole-Vibe. "I will never go hungry again. I have survived from the fires of hell." Noch mehr self-assuring stuff from Courtney ist dieses Stück. "And the Phoenix she rises, she is sure to descend, she will never go hungry again." Auf jeden Fall.

courtney love

EPA file/Brendan Mcdermid

Folk? Courtney Love und Folk? Noch mehr Courtney-Folk anyone? Song Nummer 13 am Album soll eine Coverversion von einem Buffy Sainte-Marie Song sein. Meine CD-Ausgabe von "Nobody's Daughter" weist "nur" elf Songs auf, diese interessant anmutende Courtney-Buffy Verbindung ist also nicht zu finden. Aber hört sich nach neuen Courtney-Wegen an. Courtney Love entdeckt Buffy Sainte-Marie, die große kanadische Musikerin und Aktivistin mit den indianischen Wurzeln.

Das Album "Nobody's Daughter" hat also Vertrautes und Altes, aber auch Neues und Ungewohntes an sich und wurde großteils in New York aufgenommen, zusammen mit US-Producer Michael Beinhorn (Soundgarden, Marilyn Manson etc). Courtney Love ist jetzt 45 Jahre alt, ist also nicht mehr die Courtney Love von 1989, oder die von 1991 oder 1994. Und das macht natürlich Sinn, muss Sinn machen.

Courtney Love

Epa

Die Schönheits-Chirurgie, deren Dienste Courtney leider ein klein wenig zu viel in Anspruch genommen hat in den letzten Jahren, macht weniger Sinn: Die großen, leicht hängenden Augen, der riesige Mund, das herzförmige Gesicht, die Courtney-Nase - das alles ist nicht mehr wie es einmal war, und das ist schon etwas schade, selbst wenn man kein absoluter Gegner diverser Eingriffe der - angeblichen - Schönheit wegen ist. Der Nude Look ist bei ihr angesagt statt knallrotem Lippenstift. Aber, in the end, who cares? Courtney Love ist nach wie vor die wahrscheinlich bedeutendste Rock-Musikerin der Gegenwart, auch wenn sie zuletzt als Musikerin mehr inaktiv als aktiv war. There was no Courtney Love before Courtney Love and there will be no Courtney Love after Courtney Love.

Courtney Love = Hole?

Das Album "Nobody's Daughter" erscheint bei Mercury/Universal Music.

Warum sie ihr Musik-Comeback unter dem Band-Namen Hole gewählt hat, anstatt "Nobody's Daughter" straight als Courtney Love Album zu deklarieren? Weil Hole eben klitzeklein mehr für etwas steht, wofür der Name Courtney Love außerhalb dieses Band-Gefüges nicht immer stand bzw oft überschattet wurde, von einer Celebrity-Persona. Der Name Hole bedeutet insgesamt mehr künstlerische Glaubwürdigkeit als der Name Courtney Love. In diesem Sinn: Let Love rule, let Hole rock again. Schade dass Eric und Melissa nicht dabei sind. Das bleibt ein Wehrmutstropfen bei diesem Hole-Comeback.

Deutschlandkonzerte abgesagt!

Die Deutschlandkonzerte ihrer geplanten Tour wurden inzwischen abgesagt. Damit fällt leider auch unser Gewinnspiel (Flugreise, Hotel und Tickets für das Berlin-Konzert am 14. Mai) ins Wasser. Über mögliche Ersatz-Termine halten wir euch natürlich auf dem Laufenden.