Erstellt am: 20. 4. 2010 - 15:38 Uhr
Stadionrock im Stadl
Das Areal um die Seifenfabrik in Graz wäre ein schönes Open-Air-Gelände. Nahe an der Mur in der Stadt gelegen, wurde das einstige Fabriksgebäude zur Veranstaltungslocation herausgeputzt. Doch bereits für die Editors war die Konzerthalle im Grunde zu klein. Ausverkauft war das Konzert Montagabend, und zum Glück für alle Anwesenden wurde es nicht an einen größeren Ort verlegt.
Kurz nach neun Uhr stehen die Editors auf der Bühne, den Artikel zum Bandnamen schenkt ihnen das Publikum noch vor dem ersten "Dankeschön" von Tom Smith. Denkt man gar nicht, dass so eine Baritonstimme aus dem schlanken Körper ertönen und es mit den breit gezogenen Synthesizerflächen aufnehmen kann, die die Band aus Birmingham auf ihrem dritten und aktuellen Album "In This Light And On This Evening" unbedingt haben wollte. Wüsste man es nicht besser.

Garfield Trummer
Wohldosiert
Weniger Gitarren wollten die Editors in ihrer Musik, aus dem eingespielten Schreibprozess ausbrechen und einen anderen Weg finden, die Songs zu präsentieren, gaben sie zu Protokoll. Darum griffen sie im Studio mehr auf elektronische Tasteninstrumente zurück und spielten das Album großteils live ein. Nun haben die Editors auch auf der Bühne eine Synthesizer-Burg, an der der Keyboarder Chris Urbanowicz Knöpfe dreht, wenn er nicht als Gitarrist im Dienst ist. Vor dem Sänger Tom Smith steht ein kleines Keyboard, parallel zur Gerätschaft von Urbanowicz ist das Elektropiano platziert, Schlagzeuger und Bassist finden noch Platz, ansonsten bleibt die wenige Freifläche in der Bühnenmitte Smith vorbehalten.
Nach dem Titeltrack des neuen Albums setzt ein Hit-Reigen ein, dass sich die Balken biegen. Zumindest auf den Fotos, die hundertfach geschossen werden. Schon die ersten Singles des Debütalbums "The Back Room" waren clubtauglich, auch der Hit "Papillon" steht mit einem Fuß auf der Tanzfläche und der Bass treibt einen gehörig. Klar klingt Smiths Stimme, vertraut sind die Refrains selbst jenen, die kein einziges Album zuhause haben. Wie es mit Smokers outside the hospital doors weitergeht, hat man in "Aufschneider" letzte Woche gesehen, und die drei Visualwände zeigen ein Elektrokardiogramm, das gleichmäßig ausschlägt. Die Editors wissen um eine wohldosierte Behandlung.

Garfield Trummer
Locker lässt die Dramaturgie des Abends an keiner Stelle, ausgelassene Tanzpassagen holt Smith mit wenigen ruhigen Schritten und gesenktem Kopf zurück in ein gedämpfteres Tempo. Das ist ein bisschen schade und eine verschenkte Chance. Die Verlockung, loszulassen, wie es Franz Ferdinand bei ihren letzten Konzerten doch recht sympathisch vorexerzierten, kommt den Editors nicht ins Konzept.
Zu konzentriert ist die Band auf ihre Vorstellung von Perfektionismus, und das passt wie das Cover von "In This Light And On This Evening" zur Lichtshow, die geboten wird. Eine Nebelwolke, Rauchschwaden auf den Visuals, dunkles Rot, kühles Blau und eine Beschleunigung wechselt sich mit zwei, drei Songs ab. Kein Zufall, dass hier das Cover-Artwork in Raum und Zeit übersetzt wird. Daumen hoch! Bedeutet der Sänger dem Mann am Mischpult, dass alles perfekt ist?
Nein, noch mehrmals heißt es thumbs up und "Dankeschön", das gilt dem Publikum. Niemals stillstehen, der Stadionrock umarmt die Tanzmusik in einer Halle, die an einen großen Stadl und Raves an ländlichen Orten erinnert. Als die Mädchen in den ersten Reihen beinahe auf Smiths Augenhöhe hochhüpfen, läuft ihm ja doch ein riesiges Lächeln übers Gesicht.

Garfield Trummer
They took what once was ours
Reminiszenen an vergangene Popjahrzehnte kleiden die Editors, mittlerweile mehr optisch. Der Keyboarder mit Minitolle und Kurzarmhemd könnte sofort bei The Gossip anfangen, Sänger Smith greift beim Kleiderkauf zu den selben Schnitten wie Coldplays Chris Martin, Unterhemd inklusive, Bassist Russell Leetch in Sakko und T-Shirt entzieht sich solchen Mutmaßungen. Schließlich verfolgen Vergleiche die Editors von Beginn an. Umso besser, dass gegen Ende des Konzerts selbst in den hinteren Plauderreihen keine Rede mehr von "Joy Division 2.0" oder The-Edge-Gitarre ist.
Nach einer Stunde verlassen die Editors die Bühne, als erster kehrt Tom Smith alleine zurück. Einmal noch tanzen zu voller Bandbesetzung, der Zugabenblock ist nicht zu knapp bemessen. Punktgenau abgestimmt wird nochmal das Spektrum der Band im Kurzdurchlauf präsentiert, da geht man gerne d'accord.

Garfield Trummer
Editors spielen heute, 20. April 2010, in Hohenems. Pünktlichkeit lohnt sich.
Mit der Pose eines frisch Vermählten wirft ein bärtiger Roadie schließlich Drumsticks wie Brautsträuße ins verbliebene Publikum, danach Setlists, danach geht er zur Synthesizer-Burg und beginnt zu schrauben und abzubauen - ja! Ein Keyboard würd' ich nehmen. Das brauchen die Editors dann aber doch noch für heute Abend in Hohenems.
Radio FM4
Radio FM4