Erstellt am: 19. 4. 2010 - 11:36 Uhr
Apple vs. Programmierer
Apple vs. Developers
Beim Condé-Nast-Verlag, Herausgeber von Magazinen wie Vogue oder Vanity Fair, ist schlechte Laune angesagt. Monatelang hat der Verlag am Design mehrerer Online-Magazine für Tablett-Computer gearbeitet, mit besonderem Augenmerk auf Apples iPad. Die Magazine sind durch Wischbewegungen einfach zu bedienen, spielen Sound und Musik oder erwecken Fotos bei Berührung zu Videos. Nun aber hat Apple die Vertragsbedingungen für die Entwicklung von Applikationen geändert. Mit einem Mal sind nur noch einige wenige Programmiersprachen und Tools erlaubt, die Apple genehm sind. Das Verbot hingegen betrifft alle Werkzeuge von Drittherstellern - und somit die Open-Source-Entwicklungsumgebung Mono Touch oder das bei Spieleentwicklern beliebte Toolkit Unity3D. Mehr als 150 bereits existierende und teils sehr erfolgreiche iPhone-Spiele, darunter auch Nummer-1-Hits, wurden mit Unity3D oder anderen Third-Party-Tools gemacht, eine Liste gibt es hier.
Der umstrittene Absatz im neuen Entwicklervertrag für iPhone OS:
3.3.1 — Applications may only use Documented APIs in the manner prescribed by Apple and must not use or call any private APIs. Applications must be originally written in Objective-C, C, C++, or JavaScript as executed by the iPhone OS WebKit engine, and only code written in C, C++, and Objective-C may compile and directly link against the Documented APIs (e.g., Applications that link to Documented APIs through an intermediary translation or compatibility layer or tool are prohibited).
Die Einschränkung betrifft auch Adobes kürzlich vorgestellten Flash-to-iPhone-Compiler - jenes Tool, mit dem auch die zuerst angesprochenen Magazine des Condé-Nast-Verlags ins iPhone-Format umgewandelt werden sollten. Abgespeckte Versionen der Magazine sind jetzt im Appstore zu sehen - doch es herrscht große Unsicherheit. Die ursprünglich geplanten Flash-Versionen der Magazine werden nun für Tablet-PCs anderer Hersteller entwickelt, außerdem hat sich Condé Nast mit anderen Verlagshäusern vernetzt. In einer ähnlichen Situation ist etwa auch das kalifornische Wired-Magazin, deren iPad-Magazin mit Flash erstellt wurde. Die Verlage sind nicht die einzigen Firmen, die von der plötzlichen Vertragsänderung überrascht wurden: Überall auf der Welt hängen Programmierer, Gamedesigner und Entwicklerstudios in der Luft, nachdem sie bereits viel Zeit und Geld in iPad- oder iPhone-Projekte investiert haben. Einige Firmen haben ihre Projekte bereits eingestellt, Budgets gekürzt oder vergebene Aufträge zurückgezogen.
Verwirrung und Ärger herrscht bei den Herstellern jener Tools, die von der Änderung betroffen sind - bei Apple scheint man auch nicht genau zu wissen, was man tut: Auf der Website des Computerkonzerns etwa wird Unity3D trotz der Vertragsänderung noch beworben. Ist der allgemein gegen Werkzeuge von Drittherstellern gerichtete Absatz 3.3.1 in Wirklichkeit nur gegen Adobe Flash gerichtet? Werden Applikationen vor der Aufnahme in den AppStore in Zukunft nicht nur hinsichtlich ihrer Qualität und eventuell vorhandener nackter Brüste, sondern auch aufgrund ihres Programmcodes geprüft?
Durchs Netz geht ein Aufschrei verärgerter User und Softwaredesigner. In Blogs und auf eigens eingerichteten Websites wird protestiert, darunter etwa auf stopthemaddnessstevejobs, auf digg.com mehrere Tage lang der mit Abstand populärste Blog. Auf Facebook hat sich die Gruppe I'm With Adobe gebildet.
crunchgear
Im Krieg gegen Adobe, den Hersteller des bei Apple unbeliebten Web-Plugins Flash, nimmt der Computerhersteller den weltweiten Vertrauensverlust seitens der Softwareentwickler als Kollateralschaden in Kauf. Längst geht es in der Diskussion nicht mehr um "Flash auf dem iPhone", sondern: um die Willkür, mit der App-Store-Manager agieren, und um die systematische Einschränkung der Werkzeuge für die Programmierung eines Computerbetriebssystems.
Steve Jobs verteidigt die Einschränkung mit dem Argument höherer Sicherheit und angeblich besserer Stabilität von Applikationen, die in Objective-C und dem von Apple bereitsgestellten SDK geschrieben sind. Beides sind Scheinargumente.
Stabilität? Schlechte Programmierer schreiben schlechte Apps - egal in welcher Programmiersprache. Für den User ist nicht ersichtlich, ob eine Applikation mit dem Apple-SDK, mit Unity3D, MonoTouch oder Flash geschrieben wurde. Der Genehmigungsprozess für den App Store ist bereits streng. Eine Qualitätsbeurteilung von Software, bevor diese in den Handel gelangt, soll - wenn sie schon für notwendig erachtet wird - von Fall zu Fall erfolgen. Die Wahl des Entwicklertools als grundsätzliches Qualitätsmerkmal vorzuschieben, ist eine Nebelgranate, die von den tatsächlichen Intentionen Apples ablenken soll.
Tausche Freiheit gegen Sicherheit? Ein Konzept, das nicht aufgehen wird, führen doch strengere Restriktionen immer auch zu verstärkten Bemühungen, die eingeschränkte Software zu hacken - was letztlich zu weniger Sicherheit führen kann, als ein von vornherein quelloffenes System. Dass der US-Marktanteil von Googles OpenSource-Mobil-Betriebssystem Android OS in den letzten Monaten explosionsartig von 4 auf 9 Prozent gestiegen ist (iPhone OS: 12 Prozent), hat wohl seine Gründe.
Tatsächlich ist es Protektionismus, der Apple zu immer härteren Einschränkungen veranlässt. Geht es nach Steve Jobs, dann sollen mobile Applikationen grundsätzlich zuerst - und wenn möglich ausschließlich - für die hauseigenen Geräte entwickelt werden. Jobs träumt von exklusiven Killerapplikationen für iPhone OS, und dazu ist ihm jedes Mittel recht - ob seine Strategien legal sind, wird sich zeigen: Adobe plant, Apple wegen illegaler Handelsbeschränkungen zu verklagen.
Dass Cross Compatibility im Jahr 2010 ganz problemlos zwischen Linux, Windows, MacOS, iPhone OS und zahlreichen anderen Plattformen möglich ist und eigentlich selbstverständlich sein sollte, zeigen Videos wie dieses:
"iPad is iBad for freedom" - Die Free Software Foundation warnt bereits seit der ersten Präsentation des iPad: "By making a computer where every application is under total, centralized control, Apple is endangering freedom to increase profits".
"Wen kümmert es, welcher Pinsel beim Malen der Mona Lisa verwendet wurde?", fragt ein frustrierter User in einem Forum.
Tatsächlich ist es gerade die Wahl des Pinsels, die Apple vergrämt: Der Erfolg des Mac in den Neunzigerjahren ging einher mit der Beliebtheit von Adobe-Software wie Photoshop oder Illustrator. Apple fühlt sich abhängig von Adobe und macht den Softwareentwickler deshalb zum primären Ziel seiner Vertragsattacke. Adobe Flash ist Technologie, die Apple nicht kontrollieren kann. Während sich Google aber mit Adobe an einen Tisch setzt, um gemeinsam Flash für Chrome OS und Android zu optimieren, zieht Apple sich in den Schmollwinkel zurück, verweigert die Zusammenarbeit und beschwert sich dann, Flash wäre an den meisten Systemabstürzen von MacOS schuld. Surprise, surpise.
Am Montag in FM4 Connected zwischen 17 und 18 Uhr: ein Streitgespräch zwischen Dave Dempsey und Christoph Weiss
Fakt ist, dass mit Flash Großartiges möglich ist, wie etwa die Opensource-3D-Engine Papervision3D. Gegner pochen darauf, dass es sich bei Flash um eine proprietäre Web-Erweiterung in der Hand einer Firma handle und wollen stattdessen HTML, die Standardsprache des Web, gefördert sehen. Aber: Die für aufwändige Projekte wie Papervision3D notwendige Erweiterung von HTML ist zur Zeit nur der Entwurf einer Spezifikation - was mit Flash schon jetzt möglich ist, wird mit HTML5 erst in Jahren funktionieren.
Die Sabotage quelloffener Entwicklertools wie Mono und Unity, die Weigerung Steve Jobs, Flash als derzeitigen de-facto-Standard anzuerkennen, die irrationale Zensur im Appstore - iPhone OS ist heute nicht nur ein Garten mit Mauer, Stacheldraht und Wächtern davor, sondern auch ein Garten, in dem strengste Regeln herrschen, wie und womit gespielt werden darf. Auch in Hinblick auf moderne Programmiersprachen (sagen wir Python oder Ruby) ist Rückschritt angesagt: Die von Apple favorisierte Programmiersprache Objective-C ist dreißig Jahre alt. Der ehemalige Apps-Entwickler Jack Freeman drückt es in seinem Blog so aus: "Steve Jobs wirft die loyalen Entwickler, die Vetrauen in ihn hatten, in die Steinzeit zurück - damit er die Steine verteilen kann."