Erstellt am: 18. 4. 2010 - 16:57 Uhr
Benütz es und wirf es weg!
Billy ist ein guter Freund von mir. Der steht bei mir im Wohnzimmer, darin befinden sich einige Familienschätzchen wie das von der Oma geerbte, antike, pastellfarbene Lilienporzellan und gleich daneben die Godis Mix-Gläser. Im Bad sorgt Saxan dafür, dass ich mir nach dem Duschen nicht den hübschen Kopf an der Wanne zerhaue und wenn ich's kuschelig haben will, ist Famnig Hjärta immer für mich da. Vielleicht sind es zehn, vielleicht aber auch fünfzehn Ikeateile, die ich mein Eigen nenne. Und egal ob Studenten-WG oder Einfamilienhaus:
Wer hat nicht zumindest ein Teil von Ikea Zuhause stehen? Ein Kuscheltier, ein paar Servietten, einen Drei-Jahres-Vorrat Teelichter oder irgendeinen anderen Ramsch?
Olle Gjerlöv-Knudsen und Torben Lind
In 25 Ländern hat Ikea seine Einrichtungshäuser stehen, weltweit existieren 268 Filialen. Und 2009 hat Ikea übrigens satte
21,5 Milliarden Umsatz erwirtschaftet. Leistbares Design für jede Frau und jeden Mann, "Schönheit für alle": Das Ikea-Erfolgsmodell hat seine Wurzeln in den zentralen Forderungen der Reformbewegungen des 19. Jahrhunderts (Ellen Kay). Ikea wurde zum globalen Phänomen. Ein Möbelriese, der hübsche Dinge zu billigen Preisen anbietet, die jeden Tischler blass werden lassen.
"Weltweit wird das gleiche Sortiment angeboten, dadurch können natürlich hohe Stückzahlen produziert werden, die den Preis drücken", erzählt der Kurator der "Phänomen IKEA"-Ausstellung im Hofmobiliendepot, Markus Laumann.
Der Leitartikel im aktuellen thegap beschreibt der sehr treffend, das Problem mit IKEA.
Unglaubliche Stückzahlen in der Tat: Über 40 Millionen Mal wurde allein "Billy" insgesamt weltweit verkauft. Für die vielen Regale mit schwedischen Bubennamen werden aber nicht nur schwedische Bäume zu Sägemehl verarbeitet: 1/5 der Möbel wird in China hergestellt. Mitte der 90er Jahre wurde dem Möbelriesen vorgeworfen, seine Waren in Kinderarbeit herzustellen und Schadstoffbelastete Regale zu verkaufen. Das passte natürlich nicht zum freundlichen Schweden-Image. Als Reaktion darauf hat sich Ikea einen internen Verhaltenskodex auferlegt, den "IWAY": Dieser steht für faire Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben, gegen Kinderarbeit und für Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Inwiefern ein global agierendes Unternehmen, das mit derartig astronomische Zahlen jonglieren muss, das wirklich einhalten kann? Auch ein anderer Nachteil wird bei diesen Stückzahlen in Millionenhöhe ersichtlich: Die Sache mit dem "globalisierten Massengeschmack".
Egal wo auf der Welt: Ein Ikea und die Waren darin sieht überall gleich aus, sogar die Kataloge sind weltweit die selben. Und so kann mitunter eine Wohnung in Kuwait genauso aussehen wie die in Kanada und die in Malaysia. Oder wie eine in Saudi-Arabien. Theoretisch. Praktisch.
Die wohl berühmteste Ikea-Szene überhaupt.
fm4/ alexandra augustin
Hast DU aber keine Lust auf Massenartikel? Dann bau sie doch einfach um. Das ist kein Werbespruch des Möbelriesen, sondern das Credo einer weltweiten, riesigen Ikea-Hacker Szene, die Möbel von Ikea umbaut oder Kunstwerke daraus schraubt. In der Ausstellung gibt es dazu einige Lampenkreationen zu sehen. Hier meine Favorites (die man leider nicht in der Ausstellung, dafür aber im Internet findet):
Joe Scanlan
Für wahre Fans des Möbelriesen ist ja auch ein stilvolles Leben nach den Tod ein Thema, dachte sich der amerikanische Künstler Joe Scanlan. Einfach aus ein paar vorhandenen Ikea-Komponenten einen eigenen Sarg zimmern! Für die Henkersmahlzeit bietet sich ein selbst zusammengeschraubter Ikea-Griller an:
Wer kennt das nicht: Im Möbelhaus sieht er noch toll aus, doch daheim entpuppt sich der neue Couchtisch als Niete. Zu klein, zu groß, die Farbe schaut auf einmal nicht mehr so toll aus wie zuvor im Licht der 158 Halogenleuchten und überhaupt: Eigentlich sollte man das Extrageld, das einem die Oma letztens zugesteckt hat, lieber in ein paar Bücher für die Uni investieren. Also zurück mit dem Ding. Zum Glück hat man ja drei Monate Zeit dafür.
Spielerisch mit dem Thema Umtauschgarantie beschäftigt sich der Österreichische Künstler Christian Mayer: Er hat für seine Arbeit "returnable within 90 days" Ikea-Möbelstücke samt Verpackung zu temporären Skulpturen arrangiert. Kurz vor dem Ende der Umtauschfrist wurde alles wieder brav zusammengepackt und am Serviceschalter abgeben. Dafür gab es dann wie gewohnt das Geld retour:
Christian Mayer
Martina Umlauft
Sonic hat es gut. Sonic ist ein glücklicher Hamster, denn Sonic wird im Gegensatz zu vielen anderen Hamstern als einer der wenigen
artgerecht gehalten. Das bedeutet, Sonic muss nicht in einem viel zu kleinen Käfig hausen, sondern lebt schon. Und zwar in einem richtig tollen umgebauten Kasten, der zu einer richtig schönen Abenteuerlandschaft mit viel Platz umgebaut wurde. Mit eigener Belüftungsanlage! Die Hamsterhalterin Martina Umlauft hat dazu einen Ikeaschrank in tagelanger Arbeit umgezimmert. Dann mussten nur mehr Karotten, Zucchini und der kleine Sonic hinein, fertig ist das Himmelreich für den kleinen Nager! Wie das geht findest Du hier!
Martina Umlauft
Wer auf den Geschmack gekommen ist: Einfach die Ausstellung im Wiener Hofmobiliendepot besuchen oder den Ikeahacker-Blog durchforsten. Entdecke die Möglichkeiten. Ja, ja. Kapiert.