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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

17. 4. 2010 - 18:34

Positive Utopie Vampirbeziehung

Die Vampirphase ersetzt inzwischen schon die berüchtigte präpubertäre Pferdephase.

Plakat zum Buch "Twilight - Biss zum Morgengrauen"

Christiane Rösinger

Nach Berlin kam leider nur die zweite Werwolf-Garde des Filmpersonals.

Am letzten Samstag stieg im Hangar 2 des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof eine "New Moon Night". Erwartungsgemäß reisten zu diesem "Look & Feel" in "cooler, geheimnisvoller und romantischer Atmosphäre" Hunderte weibliche Teenager aus ganz Deutschland an und kreischten pflichtbewusst ihren Idolen entgegen. Zwar waren nur Nebendarsteller aus der Werwolf-Fraktion angereist, aber für die deutsche DVD- und eine Blu-ray-Premiere von "New Moon", dem zweiten Teil der Twilight-Saga reichte die zweite Garde.

Der Erfolg von Vampir-Liebesgeschichten beschäftigt die Welt ja schon länger, aber bislang gab es noch keine umfassende philosophisch-soziologische Erklärung des Vampir-Phänomens. Entweder man geht allzu platt freudianisch mit "Biss statt Sex" an die Sache oder erklärt, dass die schwüle alte Vampirgeschichte als Keuschheitstraktat nach Maßgabe des mormonischen Glaubens der Twilight-Autorin Stephenie Meyer, eben gut ins prüde Amerika passt. Ferner wird gemutmaßt, die sittenstrenge Romantik ohne jede Ironie beschreibe ganz passend den Triebstau einer Generation, die ihr Dating ins Internet verlagert hat.

Buchcover von "Tote Jungs küssen besser"

Christiane Rösinger

"Der Vampir ist eine Figur der Krise, denn er verkörpert die Ängste der Menschen", sagte wiederum der Literaturwissenschaftler Kepler-Tasaki kürzlich dem Spiegel. Im Bild des starken, schönen, familienfreundlichen Vampirs spiegele sich die Krisenzeit. Vielleicht ist es aber so, sagt da die Paarkritikerin, dass junge, von der Zwangsheterosexualität noch nicht ganz verdorbene Mädchen bereits ahnen: Es ist wahrscheinlicher, mit einem Vampir eine glückliche Beziehung zu führen, als mit einem Mann aus Fleisch und Blut. Die Vampirphase ersetzt ja inzwischen schon die berüchtigte präpubertäre Pferdephase. Eigentlich auch logisch: Denn auch ein Vampir ist was zum Füttern und Beschützen.

Und wie beim Pferd bleibt beim Vampir die Enttäuschung des Beziehungsalltags erspart - denn wenn sich die romantische Liebe erfüllt, wird auch der ansehnlichste Teenager zum Vampir. So wird die Vampirbeziehung zur positiven Utopie.

Büchertisch mit Vampirliteratur

Christiane Rösinger

Schön, dass "Vampire" jetzt neben "Kochen, "Belletristik" und "Krimis" auch ihre eigenen Büchertische haben.

Deshalb sind wohl auch verschiedene Vampir-Beziehungsratgeber auf dem Markt. In "Tote Jungs küssen besser" wird vor den größten Dating-Fehlern mit Unsterblichen gewarnt. Andere Ratgeber geben wertvolle Tipps zum Thema: " Wie locke ich ihn hinter dem Grabstein hervor?" Überraschend groß ist die Auswahl im Kapitel: "Welcher Unsterbliche passt zu mir?"
Immerhin kann man zwischen Vampir, Werwolf, Elf, Geist, Dämon, Zombie, Zwerg und Engel wählen. Und im Vergleich zum realen Angebot scheint da selbst die leidende, von Selbstzweifeln zerfressene Figur eines Werwolfs doch recht attraktiv.