Erstellt am: 17. 4. 2010 - 18:10 Uhr
Die Antwoord to whatever, man.
Drei superwhitetrashige Freunde aus Kapstadts Prollvororten spielen sich mit einem angeschickerten Doku-Trailer und einem so derbdoofen wie eingängigen Hippop-Track samt tolldreistem Videoclip erst in einen Internet-Hypestrudel und dann in die Herzen der Hipsterwelt?
Die Geschichte nimmt der südakfrikanischen Gruppe Die Antwoord niemand ab - sollte man denken. Aber noch immer, vier Monate nach der Veröffentlichung von “Enter the Ninja” und “Zef Side” wird darüber gestritten, ob Ninja, Yo-landi Vi$$er und DJ Hi-Tek nun irgendwie real sind oder nicht.
Doch Naivität vorzuwerfen und sich nicht unter die Trash-Oberfläche vorzutasten, ist angesichts des ganz schön trickreichen Spiels, das hier gespielt wird, nicht fair. Klar: Die Antwoord ist die Kopfgeburt dreier südafrikanischer Hiphopper, die in dieser oder ähnlichen Konstellationen nicht nur seit Jahren aktiv, sondern auch relativ erfolgreich sind. Klar, Ninja ist in seinen vorherigen Verkleidungen eher braver Mittelklasse-Bubi statt Gold-Eckzahn-Ganzkörpertatoo-Proll. Klar, schon die Video- und Website-Anwesenheit von Leon Botha, einem südafrikanischen DJ, Künstler und Progeria-Kranken, die vielen Hiphop-Acts auf dem Debutalbum $$$ (kostenloser Stream) die Hochglanzoberfläche und die immer wieder aufblitzenden Sponsoringverträge mit Jägermeister und Puma sind Hinweis genug, dass da mehr als Oberfläche unter der Oberfläche ist.
Aber was? Watkin Tudor Jones, der in Interviews darauf besteht, nicht seine Vergangenheit zu thematisieren und sich auf das Ninja/Antwoord-Jetzt zu konzentrieren, will eine Beschreibung als Proll-Schauspieler nicht gelten lassen. Ein wenig wie von Triers Idioten habe er den Zef-Proll in sich entdeckt und heraustreten lassen. Er ist also der Ninja und das, was auf Bühnen, in der Musik und in Videos passiert, ist so, wie es ist: ein ernster Spaß.
Und damit allein ist es schon mehr, als all die Spaßraver und -rapper und -popper, die ein wenig Prolligkeit für sich und ihre Spießerfans als Spielwiese zu reklamieren versuchen: Das Spiel, das dort etwa Deichkind spielen, ist das selbe wie das von HGich.T, dem Bad-Taste-Party-Publikum oder Proll-Comedians à la Mundstuhl: Eine Ausrede zum Exzess - wie es ihn halt auf jeder blöden Karnevalsparty oder in der Schlagerdisco regelmäßiger und intensiver zu erleben gibt, als in der Indiedisco oder im Technotempel.
Gilt das nicht auch für die Antwoord? Zumindest “Enter the Ninja” ist auf den ersten Blick reine Spaßpopprovokation: Ein Dancehit mit Aggronerd-Gerappe. Das Video aber, in all seiner Dreistheit (Pädo-Yolandi, Poser-Ninja und Eminem-Botha) ist viel düsterer, als es sich Deichkind und Konsorten je trauen würden (und sie wollen es ja sicherlich auch nicht). “Enter the Ninja” ist ein Albtraum und eine Zumutung, zumindest hinsichtlich des sexuellen Gehalts ein bisschen so wie “Macht und Rebel” von Matias Faldbakken. Je befreiter man es liest, desto mehr Schaden richtet es an. Daran könnte auch liegen, dass sich das Video trotz enormem Hype nie so richtig verbreiten konnte - seit seiner Erstveröffentlichung vor drei Monaten hat es 3,5 Millionen Views bei YouTube. HGich.Ts “Hauptschuhle” hat innerhalb eines Jahres über 550.000 Views gesammelt. HGich.T! Nun gut, am Samstag treten die Antwoord beim Coachella-Festival auf - sollte das Konzert besser werden als das, was man bei YouTube an Live-Videos sehen kann, könnte die Band sicherlich nochmal ordentlich zulegen. Am Ende ist's mir egal: “Enter the Ninja” ist ein Phänomen, der Rest die normale Musikschiene.
Ich glaube nicht, dass es ein größeres Konzept hinter Die Antwoord gibt. “Enter the Ninja” ist eine Ausnahme - die anderen Stücke des Albums sind oft solide Discohämmer, manchmal nerviger Aggrorap und hin und wieder belanglos. Toll fand ich “Beat Boy” mit seinen endlosen Drogenrausch-Lyrics, die in Cthulhu-Anbetungen enden und das nachgereichte “Jou ma se Poes in 'n fishpaste jar”, von dem ich nur die (zweite) Hälfte verstehe.
Etwas interessanter als die Musik und Bilder von Die Antwoord ist für mich deswegegen auch der Umgang mit der Band. Vor allem die Versuche, die unglaubwürdige Proll-Authentizität durch eine Künstler-Authentizität zu ersetzen. Ich weiß nicht, ob hier einfach nur versucht wird Erklärbarkeit herzustellen oder gar eine Kritik am eigenen durchsichtigen Proll-Umgang zu entkräften - etwa: Dir nehm' ich den Proll nicht ab, schieb ihn mir nicht unter.
Denn sollte an Ninjas Bekräftigungen etwas dran sein, dass er etwas in sich befreit hat und nicht nur zur Schau trägt, dann gibt es zumindest für ihn keinen Weg mehr zurück: Er hat die bürgerlichen Gegensätze Proll und Künstler für sich auflösen können und geht fortan tätowiert aber glücklich durch die Welt - und ist damit wieder bei einer Romanfigur Faldbakkens, dem Gewaltintellektuellen Slaktus (“Unfun”): Für diesen ist Intellektualität abstrahierte Gewalt, die, nur weit genug abstrahiert, wieder in Gewalt aufgeht. Wie Ninja wird er von einer von ihm geschützten, entgrenzten Post-Frau gestützt, die ihn letztlich schlachtet, um so wieder perverse Normalität herzustellen.
So genau weiß ich das nicht mehr - aber ich bin mir sicher, dass eine Antwoord-Antwort nicht ohne Faldbakken gegeben werden kann. Go, Ninja, Go Slaktus!