Erstellt am: 16. 4. 2010 - 10:34 Uhr
Record Store Day 2010
Zum dritten Mal steht am 17. April der jährliche Record Store Day vor der Tür. Ich war etwas überrascht, wie jung diese Initiative noch ist. Meiner Einschätzung nach hatte sie locker ein paar Jahre mehr auf dem Buckel. Das mag wohl auch daran liegen, dass der kleine Plattenladen um die Ecke immer schon eine Institution war. Für Musikliebhaber ohnehin, so fand man dort doch die besten Scheiben in der verdreckten und verstaubten Wühlkiste am Boden, der Schutzumschlag der Vinyls mit den hunderten Fingerabdrücken war meist schon gelblich verfärbt. Das eine oder andere Bootleg hatte sich auch dazwischen versteckt: Die Aufnahme schlecht, das Cover kam aus dem billigen Drucker, aber wenn man selbst beim Konzert war, dann war das wie ein Geschenk des Himmels.
Record Store Day
All High Fidelity
Matador Records
In der Tat gibt es den Record Store Day erst zum dritten Mal. 2007 starteten die US-amerikanischen Musikfans Chris Brown, Eric Levin, Michael Kurtz, Carrie Colliton, Amy Dorfman, Don Van Cleave und Brian Poehner die Initative, die an jedem dritten Samstag im April auf die Bedeutung unabhängiger Plattenläden für die Musik, die Musiker und deren Fans hinweisen möchte. Dabei geht es auch um soziale und kulturelle Netzwerke. Denn diese Läden waren immer auch ein Ort, an dem sich alle trafen. Man kam beim Stöbern ins Gespräch und nur dort erfuhr man wirklich, was in punkto Musik, Klamotten, Fotografie, Theater, Film und Clubs angesagt war. Und so manche Bandmitglieder haben sich in kleinen Plattenläden wie dem Wuxtry kennengelernt. Oder haben sogar selbst in solchen gearbeitet.
Der Umbruch, der in den Neunzigern stattfand, und der vor allem in den USA und Großbritannien die unabhängigen Plattenläden verdrängte, war Teil einer größeren kulturellen Verschiebung. Nur wenige solcher Läden können seitdem wirklich überleben: Besonders auf hochfrequentierten Geschäftsstraßen sind die Mieten häufig zu hoch, der Konkurrenzkampf mit großen Konzernen ist meist zu hart. Ex-The Smiths Johnny Marr fasst diese Entwicklung in seinem Blog gut zusammen.
Damit die Leute, die sich ihr Zeug jetzt einfach aus dem Internet ziehen, die wahre Bedeutung der kleinen Plattendealer wieder selbst entdecken können, ist sich eine Vielzahl großartiger Künstler und Bands nicht zu schade, am Record Store Day limitierte und exklusive Vinyl- und CD-Pressungen zu veröffentlichen. Mitbegründer Chris Brown mit lustigem Hut stellt einige vor:
I want my music, goddamnit!
Die ganze Liste der über 150 Veröffentlichungen, die man nur in ausgewählten Plattenläden bekommen wird, ist echt der Hammer.
Ein paar rauszugreifen, ist unfair, aber ich tu es trotzdem, weil ich sie unbedingt so gern hätte. The Album Leaf veröffentlichen etwa ihre Single "There Is A Wind" mit neuen Songs und Demos, selbiges gilt für Beach House mit "Zebra". Die Beastie Boys machen um ihren Release als 12" Vinyl überhaupt noch ein super Geheimnis. Was noch? Die Flaming Lips covern das ganze "The Dark Side Of The Moon"-Album von Pink Floyd, Hole geben mit "Skinny Little Bitch" einen Vorboten auf ihr neues Album, die Rolling Stones präsentieren Unveröffentlichtes aus den "Exile On Main Street"-Sessions, Wilco veröffentlichen ihr Live-Album "Kicking Television" als 4fach-Vinyl mit 8 Outtakes und dann gibt's noch Neues von Pavement, Sonic Youth und sogar John Lennon und Elvis.
(schnauf)
R.E.M.
Ich persönlich, als alter Remy, freu mich besonders auf die blaue 7"-Vinylausgabe von "Chronic Town", der Debüt-EP von R.E.M. Die hab ich damals nur in gemeinsamer Pressung mit der B-Seiten-Sammlung "Dead Letter Office" gefunden und sie mir am Dachboden meiner Eltern angehört, während ich Kirschen genascht und die Kerne in die Ecken gespuckt habe.
Und egal wie eigenbrödlerisch das letzte Peter Gabriel-Coveralbum "Scratch My Back" auch war, ich danke Gott, dass er andere Artists nun zwingt, ihn zu covern. Denn am Record Store Day erscheint nicht nur sein Cover von Bon Ivers "Flume", sondern auch dessen Huldigung an Gabriel mit "Come Talk To Me". Bist du deppert!
Auch in Österreich!
Da ist mit Sicherheit für jeden was dabei. Obwohl sich der Großteil des Record Store Days am kommenden Samstag in USA und UK abspielen wird, kann man manche dieser exklusiven Releases immerhin auch in drei ausgewählten Läden in Österreich finden. Einmal in Wien bei Substance und zweimal in Graz bei Inandout Records und ein:klang.
Vielleicht sind es nächstes Jahr schon mehr Plattenläden in Österreich, die am Record Store Day teilnehmen. Ihr könnt ja mal ein paar Tipps posten, welche Plattendealer eures Vertrauens dafür geeignet wären.