Erstellt am: 17. 4. 2010 - 12:50 Uhr
"Ich sehe viel und es wird mir viel erzählt"
Martina Hartl
Schreiben war immer schon ein wichtiges Ausdrucksmittel für die 1965 in Ottensheim geborene Gabi Kreslehner. Sie hat bereits als Anfang 20 zahlreiche Texte verfasst und einige Literaturpreise abgestaubt, hat aber eines Tages die Schriftstellerei beiseite gelegt und sich für ein anderes Leben entschieden. Die Zeit war noch nicht reif, könnte man sagen. Gabi Kreslehner meint zurückblickend, dass sie zu jener Zeit nicht die Kraft gehabt hätte, mit Absagen von Verlagen oder Misserfolgen umzugehen. Sie entschied sich bewusst für ein anderes Leben. So wurde aus ihr eine zweifache Mutter, Ehefrau und sehr engagierte Hauptschullehrerin für Deutsch und Bildnerische Erziehung, die mit ihren SchülerInnen jedes Jahr Theaterstücke erarbeitet und diese mitunter auch selbst verfasst.
"Das Schreiben hat mich nie verlassen"
Eine Freundin war es schließlich, die Gabi dazu animierte, doch wieder Stift und Schreibblock zu reaktivieren, was letztlich in einem Roman namens "In meinem Spanienland" mündete, den der Wiener Picus Verlag im Februar veröffentlicht hat. Geschrieben hat ihn Kreslehner schon vor einiger Zeit, einen Teil daraus adaptierte sie als Kurzgeschichte für den FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut, wo sie 2007 mit "Als die Donau kam" die Jury überzeugen konnte und eine der PreisträgerInnen war.
Und der Goldregen ging munter weiter: Das Manuskript, also die unlektorierte Fassung, vom nächsten Projekt, dem Jugendbuch "Ringlotten am Erdbeerbaum", bescherte ihr gleich vier renommierte Auszeichnungen für Kinder- und Jugendliteratur, darunter den Österreichischen Staatspreis in der Kategorie Jugendbuch. Die Geschichte, die von der ersten großen Liebe des Scheidungskindes Charlotte handelt, wurde unter dem Titel "Charlottes Traum" veröffentlicht und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als "seltene Mischung von Genauigkeit, Eigenwilligkeit, Einfühlungsvermögen und Respekt vor dem Seelenleben ihrer fünfzehnjährigen Heldin" gelobt.
Picus Verlag
Die tägliche Auseinandersetzung mit den Lebenswelten junger Menschen in ihrem Umfeld ist die Grundlage für ihre schriftstellerische Arbeit. "Ich sehe viel, und es wird mir viel erzählt", sagt Kreslehner. Weibliche Teenager sind die Protagonistinnen, Kleinstädte an der Donau geben die örtlichen Rahmenbedingungen für die Dramen ab, die von einer eigenständigen, lyrisch geprägten, aber sensationell unkitschigen Sprachgewalt sind, dass es eine Freude ist. Obwohl die Themen, die behandelt werden, genau das Gegenteil von Freude sind: Mutter-Tochter-Konflikte, Verlust der Würde durch Selbsterniedrigung, sexueller Missbrauch an der Stieftochter, machoide Machtverhältnisse in Kleinstädten zwischen Polizei, Bank und Wirtshaus. Und am Ende tritt auch noch die Donau über die Ufer. Man hat dran zu kauen, was die Kreslehner kredenzt.
"In meinem Spanienland" wird nun als Frau Kreslehners "erster Roman für Erwachsene" beworben. Aber wie und wo verläuft die Grenze zwischen Jugend- und Erwachsenenroman - beim Lesen sowie beim Schreiben?
Über dieses und noch weitere Themen habe ich mit der hochsympathischen Gabi Kreslehner gesprochen. Nächstes Jahr nimmt sie sich übrigens ein Jahr Auszeit von ihrer Lehrverpflichtung, um sich voll und ganz der kreativen Arbeit hinzugeben. Ein Krimi will noch fertiggestellt werden. Chapeau, Frau Kreslehner!
Der Roman "In meinem Spanienland" von Gabi Kreslehner ist vor Kurzem im Picus Verlag erschienen. Ebenfalls erhältlich ist "Charlottes Traum" (Beltz) und das dazugehörige Hörbuch, das die Autorin selbst eingelesen hat.