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Roland Gratzer

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12. 4. 2010 - 20:03

"So sue me!" und der Kopierer-Think-Tank

Anekdoten aus der audiovisuellen Umgebung der allseits bekannten Betriebssysteme von Apple und Microsoft.

Jahrelang habe ich mich gefragt, wann die Geschichte von Apple und Microsoft endlich verfilmt wird. Dann kam plötzlich Kollegin Gollackner und erzählte mir, dass es die filmische Aufarbeitung der beiden Big Player schon seit mittlerweile elf Jahren gibt. "Pirates of Silicon Valley" heißt das schwache Machwerk und hat bis auf ein paar zur Spitze gebtriebenen Schreiduelle zwischen dem jungen und unfassbar nerdigen Bill Gates und dem auch jungen aber superfeschen Steve Jobs wenig Interessantes zu bieten. Eine Geschichte wird allerdings behandelt, die jeder auch nur ansatzweise an Computern interessierte Mensch wissen sollte: Nämlich die Geschichte vom Xerox PARC.

Check The System

FM4 unterwegs im Betriebssystem.

Bill Gates (Anthony Michael Hall) schaut Steve Jobs (Noah Wyle) über die Schultern und führt sichtlich Böses im Schilde.

Turner Network Television

Bill Gates (Anthony Michael Hall) schaut Steve Jobs (Noah Wyle) über die Schultern und führt sichtlich Böses im Schilde.

Jungentwickler-Betriebskindergarten

Microsoft hat nämlich nicht, wie gerne angenommen, die grafische Benutzeroberfläche (also das, was aus 0 und 1 einen virtuellen Schreibtisch macht) von Apple gestohlen, sondern beide haben sich diese Konzept einverleibt, ohne einen Cent an die Urheber zu bezahlen. Die saßen nämlich im ambitionierten Think Tank des großen Kopierer-Herstellers Xerox.

Weitere Erfindungen aus dem Xerox Park: Die erste computergestützte Videobearbeitung, das Ethernet, eines der ersten Computerspiele überhaupt (Spacewar), die Programmiersprache Smalltalk, das Laptop-Konzept und der Laserdrucker. Letzterer war übrigens das einzige Produkt, mit dem Xerox danach Geld machen konnte.

Nachdem Anfang der 70er Jahre das Patent für die Xerografie (gemeinhin als Kopieren bekannt) ausgelaufen ist, wollten die Firmenchefs neue Technologien entwickeln und schufen eine angenehme und super dotierte Arbeitsumgebung für einen Haufen junger Entwickler. Aus einer Spielerei ist in eben diesem "Jungentwickler-Betriebskindergarten" die erste grafische Nutzeroberfläche geworden. Allerdings dachte man bei Xerox nicht daran, dass damit Geld zu machen sei. Jobs und Gates durften die Labors besuchen und die besten Ideen mitnehmen. Andere Mitarbeiter kündigten und gründeten Firmen wie zum Beispiel Adobe.

Der Xerox Alto Rechner

http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Joho345

Der Xerox Alto war der erste Computer mit grafischer Nutzeroberfläche, die man auf diesem Bild allerdings nicht erkennen kann, weil das Gerät nicht eingeschaltet ist.

35.000 Euro für 3,25 Sekunden

"Jedes Auto hat ein Lenkrad, aber keiner kommt auf die Idee, das Lenkrad als seine Erfindung zu bezeichnen", meint Bill Gates im bereits erwähnten Film. Und so wie jedes Auto ein Lenkrad braucht, hat auch jedes heutige Betriebssystem eine Sound-Umgebung. Die Komponisten dieser täglich millionenfach gehörten Musikstückchen bleiben meistens im Verborgenen. Für Windows 95 haben sich die Microsoft-Bosse damals aber gedacht, muss jetzt mal ein Star her. Und so engagierte man den Musiker und Produzenten Brian Eno dafür, die Startmelodie zu komponieren. Aus fast 90 Vorschlägen wurde dann der Gewinner ausgewählt. Das Stück dauert 3,25 Sekunden und brachte Eno eine Gage von 35.000 Euro. Tantiemen hat es allerdings keine gegeben. Der Schöpfer des unfassbar nervigen Windows-Fehlersounds, der so klingt, als würde eine lolcat auf ein billiges Casi-Keyboard fallen, ist mir bisher leider nicht untergekommen. Hoffentlich schämt er sich noch heute in Grund und Boden.

"So sue me!"

Bei Apple ist eine solche Fehlermeldung Teil einer der bizarrsten Rechtsstreitigkeiten des vergangengen Jahrhunderts gewesen: Apple gegen die Beatles.

Apple vs. Apple

windowmanager.blogspot.com

Eine Weltverschwörung?

Wirklich eskaliert ist der Streit, als Apple Computers iTunes gestartet hat und damit zum Musik-Distributor geworden ist.

Deren 1968 gegründete Plattenfirma heißt nämlich Apple Records. 1981 haben die beiden Unternehmen einen Vertrag abgeschlossen, dass sich beide nach der allseits bekannten Frucht nennen dürfen. Allerdings durften Steve Jobs' Produkte nichts mit Musik zu tun haben. Und dann begann der Apple-Programmierer Jim Reekes 1989 damit, kleine Sounds in das bis dahin stumme Betriebssystem zu integrieren, die laut den Anwälten keinen "zu musikalisch klingenden Namen" haben durften. Reekes war von den ständigen Rechtsproblemen schon so genervt, dass er als erstes "Let it beep" vorschlug. Der zugegeben gute Schmäh hat sich nicht durchgesetzt. Reekes, mittlerweile ganz schön genervt, rief den Anwälten entgegen: "So, sue, me!", sprich "Na dann verklagt's mich halt!". Was folgte war eine dieser sekundenlangen "Wickie und die starken Männer"-Momente, in denen große Ideen geboren werden. Seitdem heißt diese Fehlermeldung "Sosumi" und ist erwiesenermaßen kein Wort, das in der japanischen Sprache existiert.

So wichtig scheint das Sounddesign von Betriebssystemen allerdings nicht zu sein, wie die Beatles vielleicht meinen. Denn selbst Steve Ball, seines Zeichens der Sounddesigner von Windows Vista, hat in einem Interview gesagt: "Wenn man einen normalen Menschern auf der Straße fragt, ob er schon jemals über die Sounds nachgedacht hat, wird er wohl antworten, dass er noch nie explizit darüber nachgedacht hat."