Erstellt am: 14. 4. 2010 - 18:14 Uhr
Lackierte Fingernägel unterm Boxhandschuh
Zumindest in den jüngeren Filmen zum Thema. Clint Eastwoods Million Dollar Baby (2004) bricht sich an der Kante ihres Boxschemels das Genick. Thaibox-Champion und Transgender-Person Nong Toom, deren Geschichte 2003 in Beautiful Boxer verfilmt wurde, steigt nach ihrer Geschlechtsumwandlung zur Frau freiwillig aus dem Ring.
Diese tragischen beziehungsweise letztendlich wiederum stereotypen Role Models mögen der Grund dafür sein, dass Boxsportarten bei Frauen nicht besonders populär sind. Ebenso das brutale Haudrauf-Image, das den verschiedenen Varianten des Boxens trotz aller Strategie, technischer Perfektion oder Spiritualität anhaftet. Schlägt dir eine/r fest genug auf die Nase, rinnt Blut. Auch in matrixhafter Slow-Motion-Ästhetik. Der Subtext transportiert Testosteron und Archaik. Sich mit sprichwörtlicher Brachialgewalt in einer Männerdomäne zu behaupten, ist daher nicht jederfraus Sache.
Thaiboxen
Beim Thaiboxen oder Muay Thai darf man seine/n GegnerIn mit Fäusten und Ellbogen schlagen oder mit Füßen, Schienbeinen oder Knien treten. Clinchen, also das Festhalten des/r GegnerIn und Würfe sind auch erlaubt. Bis eine/r k.o. geht.

FM4 / Barbara Köppel
Federgewicht vs. Superschwergewicht
Auch in Österreich gibt es nur eine Handvoll aktive Kämpferinnen.
Barbara Tutschka ist eine von ihnen. Sie ist Staatsmeisterin im Thaiboxen und hat lange Zeit mit Männern trainiert. Das war nicht immer leicht, erzählt sie, denn "Männer sind halt einfach stärker" und es sei frustrierend gewesen "nie eine gute Chance" gehabt zu haben. Um gegen Gegnerinnen mit ebenbürtigen körperlichen Voraussetzungen anzutreten, gründet sie 2009 die Boxfabrik, den ersten Box- und Thaiboxverein für Frauen in Österreich.

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Die ursprüngliche Idee eines Profikämpferinnen-Netzwerks entwickelt sich schließlich zu einer Trainingsmöglichkeit für Freizeit-Thaiboxerinnen. Letzten Mai hat sich Tutschka noch versuchsweise in einem Tanzstudio eingemietet. Heute unterrichtet sie in ihrem eigenen Studio im fünften Bezirk in Wien. Sandsack, Speedball, Boxhandschuhe, Trainingspads, also Schaumstoffpölster zum Draufhauen - alles da.

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Mädels unter sich
Viele von Tutschkas Schülerinnen haben in anderen Vereinen schlechte Erfahrungen gemacht. Bine, die sechs verschiedene Kampfsportschulen ausprobiert hat, wurde immer wieder blöd angeredet oder einfach nicht ernst genommen. "Frauen haben nicht die Art von Konkurrenzdenken, die Männer oft haben", sagt sie. "Bei uns geht's nicht darum, wer ist besser, kickt höher oder schlägt härter."
In der Boxfabrik lästert jedenfalls niemand, wenn die Beinarbeit nicht gleich von Anfang an perfekt ist oder ein Low-Kick den gegnerischen Oberschenkel nicht mit dem Schienbein sondern mit dem Rist, also der Fußkante, trifft.
Ziel des Trainings ist auch nicht das K.O.-Schlagen. Die Thaiboxerinnen trainieren Kraft, Kondition und Koordination. Auf diese Weise stärken sie Körper und Selbstbewusstsein.
Wer ihre Technik und Reaktion dennoch auf die Probe stellen will, kann die Kampfsituation beim Sparring simulieren. Das bedeutet Vollkontakt, zwar mit Schutzbekleidung, aber ohne abgesprochenen Ablauf. Nicht selten schlagen dabei gerade die zartesten Mädchen am stärksten zu. Vom Sterben oder Aufgeben ist zum Glück keine Rede.

FM4 / Barbara Köppel