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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

10. 4. 2010 - 16:42

Götterdämmerung ohne Matura

Actionspezialist Louis Leterrier schickt ein Starensemble mit falschen Bärten in den Kampf gegen Computermonster. Willkommen zum "Clash Of The Titans".

Himmel und Herrgott, denke ich mir, als ich die Londoner Hotelsuite betrete. Da sitzt Jake Sully.

Unser Mann in outer space, ein ehemaliger Soldat der Marines, der seinen querschnittsgelähmten irdischen Leib gegen einen voluminösen Na'vi-Körper eintauschte. Bei dieser finalen Zeremonie, mit der das Über-Epos "Avatar" ausklingt, hab ich geheult wie ein kleiner Bub.

Jake Sully, der einen Dreitagebart trägt und ein Led-Zeppelin-T-Shirt und auf den realen Namen Sam Worthington hört, grinst mich an. "I love Blockbusters", sagt er und zieht dieses Wörtchen "love" ganz lang hinaus. "Ich bin mit der 'Lethal Weapon'-Reihe aufgewachsen und mit Filmen von Bruce Willis. Ich mag es lautstark und groß und knallig".

"Clash Of The Titans" heißt Worthingtons neuester Film, und es ist keine leise, kleine Indieproduktion. Eine Menge Journalisten aus ganz Europa drängelt sich an diesem Morgen im März in einem Londoner Nobelhotel, alle eingeflogen, um die Hauptdarsteller und den Regisseur zu interviewen.

Clash Of The Titans

Warner Bros

Die Stimmung ist aufgekratzt bis blendend. Auch mein Stress ist bald wie weggeblasen. Unausgeschlafen bin ich zuvor aus der Pressevorführung gehetzt, mit dem Klirren der Schwerter noch im Kopf in die U-Bahn gerannt, jetzt relaxt mich alleine der Anblick dieses Mannes, der alle positiven Klischees über Australier bestätigt. Sam Worthington ist kumpelhaft, aufgeräumt und witzig, ein bodenständiger Fels mitten in der Hollywood-Brandung.

Danach ein Gesprächs-Doppelpack mit Jason Flemyng und Gemma Arterton. Er, einer der ewig Unbekannten des Genrekinos, der sich in seinen Rollen stets hinter gefinkelten Maskierungen verbirgt. Sie, der weibliche Shootingstar des Brit-Kinos, irrsinnig charmant, bekannt aus dem letzten James-Bond-Streifen und demnächst mit Jake Gyllenhaal in "Prince Of Persia" zu sehen.

Jason und Gemma schäkern und lachen. Die beiden dürften unglaublichen Spaß am Set gehabt haben, das kommt deutlich heraus. Und sie schwärmen von ihrem Regisseur, dem Franzosen Louis Leterrier. Der hat zuletzt "The Incredible Hulk" für Marvel gedreht, zuvor ließ er es jahrelang für seinen Mentor Luc Besson krachen und knallen.

"I love Monsters", brüllt Leterrier beinahe, setzt sich direkt neben mich auf die Couch und gestikuliert. "Weißt du, eigentlich sage ich lieber 'Creatures', das ist ein netterer Ausdruck." Auch der Franzose betont das Wörtchen Liebe. Ein Energiebündel ist dieser junge Pariser, ein Fanatiker, der seinen Job mit glühendem Engagement erledigt.

Clash Of The Titans

Warner Bros

Leider ist von all der Liebe und Leidenschaft, die beim Pressetermin den Raum erfüllt, im Film selber nur bedingt was zu spüren.

"Clash Of The Titans", der sich sofort an die Spitze der amerikanischen Kinocharts katapultierte, folgt einer herrlich infantilen Vorlage aus dem Jahr 1981. Der legendäre Trickspezialist Ray Harrenhausen animierte damals die Monster und Gottheiten der griechischen Mythologie auf liebevoll händische Stop-Motion-Weise. Als Extrabonus schlüpften Leinwandgrößen wie Sir Laurence Olivier in die Toga des Zeus.

In der neuen Version wird aufwändigste CGI-Technik aufgefahren, dazu agieren neben den erwähnten Akteuren auch Liam Neeson und Ralph Fiennes mit falschen Bärten vor Green-Screen-Kulissen.

Der einzige Mann, der kein angeklebtes Gesichtshaar trägt, heißt Perseus alias Sam Worthington. Der Halbgott wider Willen muss die hilflosen Menschen gegen den bösen Gott der Unterwelt verteidigen. Eine ganze Armee von finsteren Bestien schickt der fiese Hades in die Schlacht.

Clash Of The Titans

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Auf seinem Feldzug gegen die versammelten Dämonen wird Perseus von einer Truppe mutiger Krieger unterstützt, inklusive dem großartigen Mads Mikkelsen.

Die skandinavische Indie-Ikone wirkt beim Interview-Marathon nicht ganz so entspannt wie die Kollegen. Möglicherweise, weil Mikkelsen einen viel ernsteren Zugang zum Filmgewerbe hat. Oder weil man sein Können hinter dem angeklebten oder vielleicht sogar echten Bart nur erahnt.

Sagen wir's, wie es ist: Für die dünne Story braucht es keine humanistische Schulbildung, sondern nur ein sehr kindliches Gemüt. Die Schauspieler agieren auf Autopilot, die 3D-Effekte wirken deutlich aufgesetzt. Aber das ist eigentlich alles egal. "Clash Of The Titans" kommt immer dann in Fahrt, wenn Riesenskorpione ihren Stachel zücken, wenn Medusa den Schlangenkopf herumdreht und der Riesenkrake endlich aus dem Meer gelassen wird.

Auch wenn ich Louis Leterrier persönlich die ganze Liebe abnehme, die er in diese Produktion investierte, ist dabei kein neuer "Lord Of The Rings" oder auch nur "Gladiator" entstanden. Und schon gar kein Ganzkörpererlebnis in drei Dimensionen, wie es James Cameron gelang, selbst wenn Jake Sully mit von der Partie ist.

"Clash Of The Titans" ist einfach sinnentleertes, aber lustiges Blockbusterkino, ein Film ohne einen Hauch von Substanz, aber mit tollen Monstern. Have fun, würde Sam Worthington sagen.

Clash Of The Titans

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