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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

9. 4. 2010 - 03:11

Arcade Dreams

Die Neuerfindung der Videospielhalle.

"Oh, I did not know", entschuldigt sich User Xenris auf dem Games-Blog Kotaku. "I really never play in an arcade. I was born in 1990."

Doch auch, wenn die Spielhallen-Ära, diese mystisch-verklärte Zeit mit den schweren Holzautomaten, angeberischen Gaming-Jocks und Virtuelle-Welt-Sehnsüchten nur noch in den nostalgischen Gedanken an die erste Hälfte der Achtziger Jahre existiert: Die verführerische Aura der frühen Arcade-Videospiele strahlt ihren Glanz bis heute in die Jugendzimmer der nachgeborenen Gamer-Generationen. Und die Jungen von damals können sowieso nicht davon lassen. Sie erfüllen sich ihren Kindheitstraum nicht bloß durch das Besitzen (und Instandhalten) der betagten Automaten-Monster, sondern das Potenzieren alter Highscores. Nächstes Level kommt bestimmt, drei Tage wach.




"Pac-Man", "Donkey Kong" und vorgestern eben "Asteroids" sind Videospiele, bei denen es weder Pausetaste noch Speicherfunktion gibt. Das überhöhte Zweckentfremden ihrer ursprünglichen Intention - kurze Spiele-Sessions, viele eingeworfene Münzen - strahlt einen Glamour aus, dem zwölf Stunden "Counter-Strike" am Stück nie Paroli bieten werden können. Wie du deinen Pac-Man so parkst, dass du zwischendurch mal austreten kannst, ist nicht einfach so erlernbar. Genug Extraleben für ein kurzes Nickerchen zwischendurch? Ob du dann auch wirklich einschlafen kannst?

Starke, alte Schule

Auch das Herumtapsen am iPhone, das Flash-Game-Füllhorn und die vielen originellen Indie-Spielchen können die True School aus der Arcade nicht aus der Bahn bringen. Irgendwann kommen wir alle wieder zum Original zurück, und das weiß mittlerweile auch die Games-Industrie.

Eine gut besuchte Videospielhalle. Im Vordergrund ein Mann mit Truckercap, der an einem Automaten spielt.

distantcreations.com

Die treuen, technisch geschulten Fans und Sammler sind natürlich schon wesentlich früher auf den Plan getreten. Bereits in den mittleren 1990er Jahren wurde damit begonnen, "Zaxxon, "Burger Time", "Q*Bert" und Co. von ihren alten Steckplatinen zu kratzen. Noch ein paar Emulatoren drum rum programmiert, und die Spiele waren auf modernen Computern, Handys und Handhelds wieder einsatzbereit.

Doch die Dogmatik der Archivare bringt es mit sich, dass die Unverfälschtheit der zu konservierenden Kulturgüter wichtiger ist als eine kluge Einbettung des Alten in die Möglichkeiten des Neuen. Sicher, ein Eintrag ins "Guiness Book of Records" ist nur beim Einsatz der ursprünglichen Spielumgebung - originaler Automat, originaler Spielcode - möglich. Aber was kümmert mich das, wenn ich daheim vor der Konsole eine Runde "Centipede" spiele, mich über meinen soeben gemachten Fehler ärgere und ihn einfach mal gerne kurz zurückspulen möchte?

Enter "Game Room"

Der australische Spieleentwickler Krome hat da etwas anzubieten. Neu ist die Idee der kommerziellen Retro-Wiederverwertung zwar lange nicht mehr. Selbst Features wie Achievements, Leaderboards und unterschiedliche Spielmodi gibt es bei neu aufgelegten klassischen Videospielen schon seit ein paar Jahren. Eine komplette virtuelle Arcade mit Automaten, Avataren und Dekorationsgegenständen hat bisher aber noch niemand gebastelt.

Zu Beginn ist es im "Game Room" so wie in einer echten Spielhalle: Man ist zunächst überfordert von dem elektronischen Tohuwabohu, all den vielen, lauten, bunt blinkenden Geräten, denen man begegnet. Wie bei Flynn's Arcade steht man als Neuling den Menschen, die hochkonzentriert versuchen, den Spielmaschinen Siege abzuringen, zunächst etwas skeptisch gegenüber.

Ein Bildschirmfoto aus der Anwendung "Game Room" für die Videospielkonsole Xbox 360.

Xbox / Microsoft

Der "Game Room" kann bequem auf die Xbox 360 geladen werden - so ist die Einstiegshürde naturgemäß weitaus geringer. Es gibt rund ein Dutzend originale Spielhallenspiele zur Auswahl, und darüber hinaus nochmal je knapp zehn Games der Uralt-Konsolen Atari 2600 und Intellivision. Das wirft große Fragezeichen auf: Was haben Konsolenspiele in einer Spielhalle verloren, und sei sie auch nur virtuell? Die meisten dieser mäßig interessanten Titel sind ehemals als technisch minderwertigere Nachahmungen der Arcade-Originale erschienen. Fürs Spielen daheim, so gut's halt ging. Verständlich, dass das mit dem Ergattern von Lizenzen nicht so einfach ist. Aber trotzdem kein Grund, den Menschen hässlichen und spielerisch einfältigen Atari 2600- und Intellivision-Schrott aufs Auge zu drücken. Und ihn auch noch dreist als etwas zu tarnen, das er nicht ist.

Bleiben wir deshalb mal bei den wirklichen Arcade-Spielen. Ein paar erste Runden "Asteroids Deluxe", "Tutankham", und "Crystal Castles" bringen einerseits Frust über den immer noch hohen Schwierigkeitsgrad und das streckenweise gnadenlos unfaire bis - pardon - dumme Design dieser Spiele zu Tage, andererseits ist um sie herum eine schöne Infrastruktur gebastelt worden. Es gibt einen klassischen und einen Wettbewerbsspielmodus, Hintergrundinfos und tatsächlich die Möglichkeit, die Zeit zurückzudrehen. Darüber hinaus sind Bestenlisten und Medaillen implementiert. Dank Wiederholungs-Videos lassen sich sogar die herausragenden Leistungen der Konkurrenz genau studieren. Ist das eigene Training abgeschlossen und die Zuversicht groß, kann man Online-Freunde herausfordern bzw. versuchen, ihre Highscores zu brechen. Die sind gut sichtbar an jedem virtuellen Automaten eingeblendet.




All diese Features gibt es nur, wenn man das jeweilige Game auch gekauft hat. Jeder Titel - egal, ob Arcade-Original oder klapprige Konsolen-Version - kostet umgerechnet rund 3 Euro und ist meist in wenigen Sekunden runtergeladen. Der Preis geht in Ordnung, zumal man alle Spiele vorher in einer Testversion anspielen kann.

"Game Room" ist bereits für Xbox 360 erschienen.

"Game Room" ist ein liebevoll gestaltetes kleines Projekt, das zugänglich ist und durch viele Community-Features und den Kontext der virtuellen Spielhalle die alten Spiele aufwertet. Schade nur, dass die Auswahl der verfügbaren Games eher enttäuschend ist. Klassiker wie "Space Invaders", "Galaga" oder "Tetris" sind nicht dabei - bisher ist das Arcade-Portfolio auf Atari- und Konami-Games beschränkt. Neue Titel sind erst für Ende April angekündigt. Wer mit der Xbox 360 online ist, sollte dem "Game Room" trotzdem einen Besuch abstatten, zumal das Herumstreunen in der Arcade und Anspielen frei möglich ist.