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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

6. 4. 2010 - 19:19

Verblasstes Tiberium

Interaktive Popcorn-Unterhaltung und konsequent durchwachsene Spielerlebnisse: Nach 15 Jahren gehobenem Trash biegt die "Command & Conquer"-Serie nun in die Zielgerade.

Ab einem gewissen Alter traut man sich, zu entspannendem Unterhaltungs-Schwachsinn zu stehen. So wie Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger neulich zugab, auch "völlig vertrottelte Sendungen" im Fernsehen anzusehen, ist der Griff zum überzeichnet-dümmlichen Buch, Spiel, Film, Comic eine ebenso befreiende Zerstreuung nach einem belastenden Arbeitstag.

Das in seiner patscherten Ernsthaftigkeit skurrile Science-Fiction-Setting von "Command & Conquer" erfüllt seit nunmehr 15 Jahren die Rolle der herrlich blödsinnigen "Hihi"-Unterhaltung bei Computerspielen. Der oberflächlich inszenierte Militärzirkus über den sogenannten Tiberium-Konflikt lässt überseriöse Mission-Briefings und sündteures Kriegsgerät auf uns, den weltrettenden "Commander", treffen, der alles wieder gerade biegen soll.



"Command & Conquer", das war 1995 der kommerzielle Startschuss für die Gattung des Echtzeitstrategiespiels. Die eigenen Truppen und die des Gegners werden dabei gleichzeitig über ein Schlachtfeld gesteuert - dirigiert aus der Vogelperspektive. Trotz der hohen Popularität von Ausnahmespielen wie "WarCraft" oder "StarCraft" ist das Genre aber nie aus seinem Nischendasein rausgekommen. Auch die starke Marke "Command & Conquer" kann das 15 Jahre später nicht ändern. Stattdessen glänzt Hersteller Electronic Arts mit Hartnäckigkeit. Die Serie ist der "Sonic"-Igel der Strategiespiele: Je durchwachsener ein Teil wird, desto schneller ist auch schon wieder eine neue, noch unausgegorene Version da.

Auch "Tiberian Twilight", der aktuelle und angeblich letzte Teil der Originalserie, fügt sich in die gewachsenen, schrulligen Traditionen des ehemals technischen und spielerischen Vorzeigeprojektes ein. Wir sehen die für die "Command & Conquer"-typischen, von Schauspielern gespielten und gefilmten Zwischensequenzen. Die sind aufwändig produziert, gehen aber nie über das Niveau einer gehobenen SciFi-Seifenoper hinaus. Was früher cutting edge war, ist heute ein wesentlicher Teil des trashigen Charmes - die Flucht nach vorne hat funktioniert.

In Sachen Spieltiefe und Balance musste die Serie das Zepter schon vor einigen Jahren an die Konkurrenz aus dem Hause Blizzard Entertainment weiterreichen. Darüber hinaus hat sich das Genre mit strukturellen Neuausrichtungen wie "Dawn of War" (Checkpoint-Halten-System) und "Supreme Commander" (Tech-Tree-Wissenschaft) in seiner Außenseiterrolle noch mehr Unternischen geschaffen, die nicht mehr einfach so einnehmbar sind.

Weil Mithalten nicht mehr möglich ist, setzt man für den vierten Teil von "Command & Conquer" nun auf Zugänglichkeit. Der Bau einer Basis fällt komplett weg, dafür gibt es bei jeder Partie die Grundsatzentscheidung, ob man offensive, defensive oder unterstützende Truppen rekrutieren möchte. Danach kann man sich schon nach ein paar Klicks gegenseitig mit Panzern und Hubschraubern beharken.

Spielszene aus dem Game "Command & Conquer 4".

EA

Keine Basen mehr: Gebaut und rekrutiert wird jetzt per mobiler "Crawler".

"Command & Conquer 4 - Tiberian Twilight" ist bereits für PC Windows erschienen.

Cover des Computerspiels "Command & Conquer 4".

EA

In der Oberflächlichkeit und dem viel gepriesenen schnellen Spielchen zwischendurch kann sich "Command & Conquer" getrost niederlassen. Dieser Zugang harmoniert gut mit der unterhaltsamen Präsentation, dem plakativen Popcorn-Computerspiel, das ähnlich einem Hollywood-Klamauk oder einer kitschigen TV-Serie für trivialen Spaß sorgt.

Leider vermiest Hersteller und Vertrieb Electronic Arts durch eine sehr restriktive Kopierschutz-Architektur das Spielvergnügen. So wie es bereits Konkurrent Ubi Soft kürzlich vorgemacht hat, ist auch bei "Command & Conquer 4" eine permanente Internetverbindung notwendig - ansonsten ist das Game auch im Single-Player-Modus nicht spielbar.

Wer die Reihe nicht oder kaum kennt, sie aber gerne probieren möchte, sollte auf einen der vielen Vorgänger-Titel zurückgreifen. Und wer spielerische Tiefe sucht, ist bei "Command & Conquer" weiterhin schlecht aufgehoben. Immerhin: Jetzt, beim großen Finale, steht die Serie dank des neuen Gameplays endlich zu ihren unkonventionellen Tugenden.