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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 4. 2010 - 20:42

Fußball-Journal '10-12.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 3: die Liga und so; Leben jenseits der Realität.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 1: Jugend und so; und die mediale Mangel-Kompetenz.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 2: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 3: die Liga und so; Leben jenseits der Realität.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 4: wir alle sind schuld; von der Verdrängung und der Ablenkung.

Vor etwa 24 Stunden fiel eine Entscheidung, die eigentlich schon im Mitte Jänner fällig war (und nur mit gefühlten fünf Vertagungen und Verlängerungen rausgezögert wurde).
Und sie fiel nicht einmal ganz.
Obwohl sie so wichtig ist.
In einem kleinen Land mit schwachem Sport-Binnenmarkt und einer bescheidenen Medien-Situation ist der TV-Vertrag für die Fußball-Bundesliga nämlich Wegweiser für die Überlebensstrategien des Profi-Fußballs.

Von den Zuschauer-Einnahmen und den Sponsorgeldern kann nämlich kein auch nur national halbwegs seriös geführter Club leben (von den Werksteams wie Red Bull, Magna oder Trenkwalder einmal abgesehen) - die TV-Gelder sind entscheidend. Vor allem für die kleinen Teams der zweiten Leistungsstufe, die ständig am Hungertuch nagen.

Weil es also um ganz konkrete Bedürfnisse und kurzfristige Lochstopf-Politik geht, ist so etwas wie strategische Planung oder gar eine Vision für die Zukunft chancenlos - erinnert an den Kaninchen-Schlange-Zustand der heimischen Tagespolitik, die (allerdings mit weit weniger ökonomischer Not) ähnlich visionslos und vorausplandend herumtappt wie der frisch Erblindete im Porzellanladen.

Die Sache mit den TV-Rechten ist komplex und spielt in die Medienstruktur des Landes hinein - weswegen es praktisch unmglich ist im Mainstream eine wirklich wahre oder tiefergehende Geschichte dazu zu lesen; auch hier gehen Eigeninteressen der Verlagsgruppen (samt Beteiligungen und politischen Seilschaften) vor.

Zunächst trauen sich nur Blogs wie Sturm12 oder 90minutenat über ernsthafte Analyse. Im sonst so meinungstarken Fußball-Bereich: Schweigen im Walde, vor allem die sogenannten Experten fallen da auf.

Dann setzt, wie immer und als einzige Ausnahme der Kurier nach und findet heraus, dass der präsentierte Gewinn vielleicht doch gar keiner ist.

Hier noch die offizielle ORF-Position, hier die APA-Story, die in allen Medien gecopypastet wird.

Servus Servus!

Die zweite Leistungsstufe, die 1. Liga, verliert zu Saisonende ihren Sponsor, weil es trostlos ist, Sponsor einer Liga zu sein, die TV-Bilder durchs Land schickt, auf denen hundert Hanseln auf atmosphärelosen Holztribünen frieren, während auf dem Krautacker davor von gern planlosen Coaches taktisch schlecht eingestellte Jung-Talente und Alt-Profis auf Abschiedstour ihre Kreise ziehen.

Servus TV, das Fernseh-Spielzeug von Dietrich Red Bull Mateschitz, hätte das gern übernommen, dieses Mäzenatenamt und die 2.Liga präsentiert, im Rahmen eines Pakets mit ORF (für die Bundesliga-Sonntagsspiele) und Sky (als Abo-Sender für alle Spiele).

Bis Mittwoch sah es auch so aus, als würde diese Lösung kommen: das hätte die mit schmalen 5stelligen Zuschauerzahlen gesegnete Neo-TV-Anstalt sicher geboostet.
Dann allerdings traten Risse in der Angebots-Partnerschaft ORF/Servus auf, deren Hintergründe sich meiner Kenntnis entziehen (jeder gibt da dem anderen die Schuld).

Und so bleibt es beim Alten: Sky spielt alles, der ORF macht den Sonntag, über eine Samstags-18-Uhr-Show muss noch extra verhandelt werden (die will zwar jeder, aber die ist teuer).

Wer mein Fußball-Journal verfolgt weiß, dass ich kein Freund von Machtkumulation und shcon gar keiner von Red Bull bin. Natürlich ist es unendlich problematisch, wenn ein Sender, der einen Verein in der Liga besitzt gleichzeitig Übertrager und Ausrichter ist, noch dazu wenn er den Weisungen eines Einzelnen, Unberechenbaren untersteht.
Das Modell der Republik Österreich, die in einer ähnlichen Konstellation dem Goodwill eines einzelnen Zeitungsherausgebers ausgeliefert ist, sollte Warnung genug sein.

Andererseits hat das Servus-Angebot zumindest Denk-Bewegung in eine starre Diskussion gebracht, und hätte sowas wie optionales Denken gefördert.

Wie die Liga ihr Überleben wegen einer Leiche verspielt

Absurderweise war den kranken Armenhäuslern der 2. Liga die Reichweite des (Noch-)Zwerges Servus-TV zu gering um zuzustimmen.Das Geld hätte gepaßt - und weniger als die schwachen Quoten bei Sky und ORF hätte die zweite Leistungsstufe nur schwer erzielen können. Zudem wäre man dort, weil quasi Hauptkunde, natürlich besser behandelt worden.
Diese Erkenntnis wiederum ist nur von Belang, wenn man mittel- oder langfristig denkt und plant - was die Liga, vor allem die ökonomisch bedrohten Kleinen seit Jahren nicht mehr tun.
Womit wir wieder am Anfang wären.
Bei der Lage einer Liga, die es seit Jahren nicht schafft ihre Mitglieder, die Vereine, zukunftsfit zu machen. Seit Jahren werden finanzielle Desaster runtergespielt, werden Lizenzauflagen verwässert, werden Verhaberungs-Strukturen gefördert, wird gerade krampfhaft jegliche Professionalisierung verweigert, werden Ämteranhäufungen schöngeredet, werden wirtschaftliche Kriterien ignoriert und wird auch der sportliche Anschluß an Europa nicht ernsthaft versucht.

Stattdessen hält man sich, wie auch jetzt wieder, mit der Rettung einer unrettbaren Leistungsstufe auf und paßt alles - so wie auch die TV-Rechtelage, daran an.

Wäre auch irgendwie lustig gewesen: "Servus" als Sponsor für eine Liga, die man ohnehin bald mit einem Servus verabschieden wird müssen...

Statt die zweite Klasse, also die demnächst namenlose 1. Liga endlich ersatzlos zu streichen und sich so für ein völlig neues Konzpet einer Liga-Struktur (die man dann auch völlig neu medial verwerten kann) freiszuspielen, fesselt man sich von Bundesliga-Seite her an einen halbtoten Kadaver. Und wundert sich, das man deshalb selber schlecht riecht.

Das Ende der langen Bank: absehbar

Unter Nachsicht aller Taxen gibt es derzeit nicht einmal 16 Vereine die so etwas wie Profi-Fußball auf die Beine stellen können. Neben den 3 Wiener/Grazer Traditionsklubs sind das die 3 von Mäzenen abhängige Vereine, die politisch völlig ausgelieferten Kärntner und vielleicht 8 Mittelständler.

Diesen Torso einer heimischen Fußball-Landkarte auf zwei Profi-Ligen aufzuteilen ist ein hoffnungsfreies Unterfangen: es geht sich nicht aus. Auch nicht mit den krass wettbewerbsverzerrenden B-Teams.
Die Spiele dieser Charge darunter will keine kritische Masse sehen: entweder ist das sportliche Niveau bescheiden oder die Infrastzruktur spottet jeder Beschreibung. Beides aufzubauen erfordert einen langfristigen Plan, und den hat man praktisch nirgendwo.

trotzdem sind jetzt genau diese Spiele dieser Liga nicht nur verkauft worden, sondern sollen jetzt auch noch in die Auslage kommen: jede Runde ein Spiel der 1. Liga im Sport plus (auf tw1).
Wer wie ich die letzten Tage mit LASK - Ried und Kärnten - Rapid verbracht hat und die sportliche Inferiorität und das inexistente Zuschauerinteresse so knallhart vorgeführt bekommen hat, wird wissen: dieses Produkt wird nicht angenommen werden. Da hätte sich auch Servus-TV zersprageln und auf den Kopf stellen können.

Mit dieser Nicht-Lösung seiner zentralen Probleme (die Schnittstelle zwischen Vollprofitum und den Halbamateurismus in den Griff zu kriegen) schiebt die Bundesliga ihr Schicksal auf die lange Bank. Bloß: deren Ende ist absehbar. Ein kleiner Wirtschaftseinbruch, womöglich noch auftauchende Bestechungs/Spielbetrugs-Aufblatteleien (die Staatsanwaltschaft Bochum ist an mehr als 10 österreichischen Partien, vor allem der 1. Liga, dran) und schon sinkt die Zahl der echten Profi-Vereine in den einstelligen Bereich.

So gesehen ist der Abschluß des TV-Vertrags den die Liga (wegen ein paar Netsch mehr) als Erfolg feiert, nur ein weiterer Sargnagel.