Erstellt am: 3. 4. 2010 - 02:59 Uhr
Friday I'm In Love
So manch einer mag sich über die Anmoderation des Kollegen Blumenau gewundert haben, der auf die deutschsprachige Eigenheit verwies, bei allem und jedem einen Artikel beizufügen. Aber der Blumenau meinte natürlich noch mehr als nur das: Er sprach auf seine Weise die ganz persönliche und emotionale Vereinnahmung von Kunst, nicht zuletzt Popmusik, an, die es uns ermöglicht, in einem dreiminütigen Popsong ein ganzes Leben, unser Leben, zu verpacken. Und so spielten am Karfreitag im Radiokulturhaus nicht einfach nur die Schweden Shout Out Louds, es spielten UNSERE Shout Out Louds.
Der Zwiespalt zwischen indivuell-vereinnahmender und kollektiver Erfahrung war bereits zu spüren, als die Band zu konservierten Orchesterklängen die Bühne betrat. Schon das Bühnensetting prognostizierte einen Spagat zwischen klassischem Bösendorfer-Klavier und einer für eine FM4 Radio Session eher ungewöhnlich opulenten Lichtshow. Hier versuchte eine Band, das sonst intime Ambiente einer FM4 Radio Session mit der Masseninszenierung eines Stadionauftrittes zu kreuzen.
Pamela Rußmann
Manisch-depressive Höhenflüge
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Pamela Rußmann
Pamela Rußmann
Ein durchaus gewagtes Unterfangen, ist das Radiokulturhaus doch aufgrund seines eher kleinen Rahmens nicht gerade mit Ost- und West-Tribünen und großen Monitoren ausgestattet. Hinzu kommt, dass die Bestuhlung bei einem Rockkonzert immer etwas einengend wirken kann. Adam Olenius, Bebban Stenborg und Kollegen strebten bei der letzten Show ihrer Europa-Tour trotzdem eine Symbiose an: Bereits bei "1999", dem Opener ihres neuesten Albums "Work", kam der Bösendorfer-Flügel zum Einsatz und dem Klaviersample der Platte wurde auf diese Weise neues Leben eingehaucht. Auch im Folgenden lagen die musikalischen Schwerpunkte auf Werk Nummer 3, mit Stücken wie "Throwing Stones", "Candle Burned Out" oder "Fall Hard". Eigens initiiertes Mitklatschen gab es bei "Impossible", der melancholischen Adoleszenzhymne, die beim auffallend jungen Publikum erste größere Begeisterungsstürme auslöste. "I don´t want to feel like I don´t have a future", heißt es da. Sowas saugt jede Teenagerseele wie ein Schwamm auf.
Die Shout Out Louds verstehen es, nachdenkliche Songtexte in süßlich-poppig-glitzernde Melodien zu verpacken, und das erinnert nicht nur auf ihren Platten gefährlich an The Cure. Überall klingelt es nach Tamburinen, Glöckchen, Gitarren und Keyboards. Songs wie "Tonight I Have To Leave It" von der zweiten LP "Our Ill Wills" sind schaumige Schwedenbomben und prickelnde Brause, das lässt sich lutschen, ist ein ewiges Auf und Ab zwischen manischen und depressiven Momenten.
Pamela Rußmann
Stadionrock und Guckkasten
Pamela Rußmann
Den glücklichen Zuschauern boten sich an diesem Abend gleich zwei Formen der Inszenierung. Auf der einen Seite die offensichtliche auf der Bühne, bei der jede Stadiongeste wie auf Knopfdruck mit der rotblauen Lichtshow im Akkord ablief. Da wurde man beim langen Feedback-Intro von "Candle Burned Out" schon mal an (Achtung!) U2 erinnert, während die Lichter sich wie Teppiche ausbreiteten. Aber auch diese Inszenierung wurde hin und wieder gebrochen, als etwa die elfengleiche Keyboarderin Bebban auf Knien auf ihre Trommel schlug und sich im Türkensitz an den Flügel setzte. Zwischen ihr und Sänger Adam gab es einige intime Momente, etwa, als Adam sein Mikro von der Bühne hob, um beim Uralt-Stück "Go Sadness" seiner akkordeonspielenden Duettpartnerin in die Augen schauen zu können. Oder auch, als das Quartett sich in Stiller Post-Manier während "Very Loud" etwas zuflüsterte, was schließlich in ein eingeschobenes Intermezzo von "Walk Like An Egyptian" der Bangles mündete.
Pamela Rußmann
Die zweite Form der Inszenierung erfolgte auf der Rezeptionsebene, was uns Blumenau ja eigentlich schon beim Intro zuflüstern wollte. Sie beinhaltet die individuelle Vereinnahmung von Popmusik. Die Shout Out Louds gehören uns, gehören zu uns. So wie uns auch ihre Dreiminüter gehören. Eine solche Aufnahme und Verinnerlichung von Emotionen kennt keine Grenzen, auch nicht die Bestuhlung vom Radiokulturhaus oder die grelle Lichtshow, die im Endeffekt eigentlich nur wie ein riesengroßes Feuerwerk an Scheinwerfern das Publikum bestrahlen wollte.
Pamela Rußmann
Es war bemerkenswert, wie die Shout Out Louds den Flair von Stadionrock in das Guckkastentheater hinüber retteten. Nach "Walls" endete das reguläre Set und das Publikum saß schon lange nicht mehr. Während der Zugabe "Please Please Please" wurde heftigst abgeshakt und geklatscht, Bebban stellte sich tamburinschlagend auf den Klavierhocker des guten alten Bösendorfers.
Bei diesem Auftritt am Karfreitag haben sich sicher viele (wieder) in diese Band verliebt. Manches klang dabei nach The Cure. Aber das macht nichts. Die gehören uns ja auch schon lange.
radio FM4
artist | song | |
---|---|---|
Shout Out Louds | 1999 | |
Shout Out Louds | Throwing Stones | |
Shout Out Louds | Impossible | |
Shout Out Louds | Candle Burned Out | |
Shout Out Louds | Fall Hard | |
Shout Out Louds | Go Sadness | |
Shout Out Louds | Show Me Something New | |
Shout Out Louds | Moon | |
Shout Out Louds | Very Loud | |
Shout Out Louds | Too Late Too Slow | |
Shout Out Louds | Tonight I Have To Leave It | |
Shout Out Louds | Walls | |
Shout Out Louds | Please Please Please |