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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

2. 4. 2010 - 12:42

Keine Widersprüche mehr

Pop und Österreich. Die schönste Frühlingsplatte und "a beautiful fall". Traum und Wirklichkeit. Bunny Lake haben wunderschöne neue Songs und spielen live.

Seit März gibts das Album "The Beautiful Fall" von Bunny Lake via Universal.

Ostern steht vor der Tür und die Bunnys kriechen aus ihrem Hasenbau. Nachdem hierzulande zuletzt die gitarrenbearbeitende Fraktion den Ton angegeben hat, kommt der Pop-Act für 2010 von den Tanzflächen. Bunny Lake starten am 3. April beim wunderbaren Klub Bang Bang in Dornbirn ihre Live-Saison.

Große Gesten waren immer schon die Stärke von Bunny Lake, jetzt sind die großen Bühnen dran. Was widerum weniger mit der tatsächlichen Größe der Bühne als mit dem Kontext zu tun hat. Weil sich Suzy On The Rocks und Christian Fuchs nämlich aus kleinhäuslerischer Szeneprominenz und den diversen Genre-Schrebergärten gar nichts machen, sondern sich in einer naiven und unglaublich liebevollen Umarmung gleich der Tante Pop an den Hals werfen.

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Spektakel und Inszenierung

Das Leben ist ja ernüchternd genug. Jede Banalität des Alltags kriegst du entweder mittels Zeigefinger, mittels TV-Shows oder einfach aus purer Überlebensnotwendigkeit erklärt. Jeder Bereich deines Lebens kann jederzeit seziert, durchleuchtet und analysiert werden. Du weißt, dass der Zauberer auf der Bühne seine Assistentin gar nicht wirklich zersägt, sondern dass dabei ein pendelartiger Sägeaufsatz und eine spezielle Kunststoffkonstruktion zum Einsatz kommen. Du weißt, dass nicht der größte Heldenmut, sondern die höchste Hämoglobinkonzentration das schwierige Radrennen gewinnt. Du weißt, dass im Radioapparat keine kleinen Männchen sitzen, die Musik spielen, sondern dass Ultrakurzwellen ein Signal übertragen.

Das mit den anonymen Bühnen und den schäbigen Clubs ist mehr eine Metapher. Die Locations sind eigentlich alle voll gut:

  • 03.04.: Conrad Sohm, Dornbirn (+DJ Phono)
  • 16.04.: Warschau (Vice Party)
  • 24.04.: Filmball Dresden
  • 30.04.: Noppen Air Festival Neußerling, Oberösterreich
  • 06.05.: Popfest Wien
  • 21.05.: P1, München

Bunny Lake haben es sich bei ihren Live-Auftritten zum Ziel gemacht, dir die Illusionen wiederzugeben. Dass du dich an einer anonymen Festivalbühne oder in einem schäbigen Club fühlst, als wärst du auf einer Party bei der Pariser Fashionweek und jederzeit könnte neben dir ein Dandy mit Rotweinglas oder ein Model mit Prosecco auftauchen. Das stimmt halt nicht, weil der Typ in Wahrheit seine Statistikprüfung zum zweiten Mal wiederholen muss, weil sonst nie ein Psychologe aus ihm wird, und die Frau in Wahrheit seit Monaten quer durchs Bundesland fahren muss, weil sie als Kindergartenpädagogin nur Springerdienste bekommt. Aber egal. Du bist ja auch nicht auf Pandora, sondern bloß in einem seelenlosen Multiplexkino, you know?

Der Sound von Bunny Lake ist dabei, so pop er auch sein mag, mehr ein Mittel zum Zweck. Einmal leichtfüßig nineties-inspiriert wie auf der Wiese, auf der du deine Kindheit verbracht hast. Dann wieder pumpt und scheppert es wie bei einer Verfolgungsjagd durch die Seitengassen von Chinatown. Stichwort La Roux, Stichwort Little Boots, Stichwort Ke$ha. Willkommen in der Welt des 2010er-Pop.

Undergrounddings

Wenn sich eine Band selbst so unverhohlen in den Mittelpunkt der Welt setzt, ist das normalerweise entweder Größenwahn, der niemals in Erfüllung gehen kann oder ein Marketingkonzept, das schon die Nichterfüllung des Größenwahns mitdenkt und die C-Promis in spe bereits vor ihrer ersten Platte in Absteiger-Formate gebucht hat, die was mit Dschungel oder Coolio oder Kochshows zu tun haben.

Im Fall von Bunny Lake 2010 ist das anders. Das hat einerseits damit zu tun, dass selten zuvor so viele Produktionen aus den unterschiedlichsten musikalischen und geografischen Windrichtungen an der Spitze der wichtigen Charts stehen. Andererseits damit, dass der so genannte Underground die Definitionsmacht im internationalen Pop übernommen, aber damit auch gleichzeitig abgegeben hat: Die Zeit, die ein gut produzierter Szene-Act benötigt, um ein großes Publikum zu erreichen ist Dank globaler Medienpräkarisierung geringer als je zuvor. Und wieviele super angesagte und szeneverbundene DJs und Produzenten unter falschem Namen CastingshowgewinnerInnen produzieren, kann ich gar nicht an meinen Fingern abzählen, und das obwohl die Dunkelziffer sicher bedeutend höher liegt.

Über Inspirationsquellen von Bunny Lake geben diese gelbschwarzen Seiten hier bestens Auskunft. Zumindest was diejenigen 50% der Band betrifft, die hier auf FM4 über Pop und Kino schreiben: Zwielichtige Inszenierungen und umwerfende Ehrlichkeit. Cool und emotional. Schon alles gesehen und große Träume. Fuck It All und Love You All. Dunkler Glamour und das Prinzip Hoffnung. La Roux und The Kills. Wo normalerweise ein aber stehen würde, steht ein und.

Und und und

Gut möglich, dass der eine oder die andere Bunny Lake im Lauf der letzten Jahre schon einmal live gesehen hat. Deswegen der dringende Tipp: das neue Album anhören! Mit der stampfenden Disco Demons-Ära oder der monotonen Strobe Love-Ästhetik haben die neuen Songs gar nicht allzu viel zu tun. Klar, Suzy On The Rocks gibt sichs auf der Bühne immer noch voll und hinterlässt staunende Münder. Aber alle, die schöne Pop-Melodien, Midtempo-Sequencer und Kylie Minogue immer schon heimlich gut gefunden haben, sind bei Bunny Lake mittlerweile ebenfalls bestens aufgehoben.