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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 3. 2010 - 17:09

Fußball-Journal '10-11.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 2: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 1: Jugend und so; und die mediale Mangel-Kompetenz.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 2: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 3: die Liga und so; Leben jenseits der Realität.

Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 4: wir alle sind schuld; von der Verdrängung und der Ablenkung.

Das, was mich am Fußballplatz am allerschnellsten anwidert, sind nicht die grindige Klo-Anlage, die jämmerliche Verköstigung, der kaputten Schalensitz, die offensichtliche strategische Unbelecktheit der allermeisten Akteure oder der blöde Trainerspruch danach.

Es sind nicht einmal die Stink- und Leuchtkanonen, die aus den Ultra-Sektoren geflogen kommen, um alle Beteiligten an der Durchführung des Spiels zu hindern - diesen Schwachsinn, einen Ausfluss der analen Phase, nehme ich recht apathisch zur Kenntnis.

Das sind die Fan-Sprüche und -Chöre, die tief in den Gatsch greifen, es sind die debilen Spruchbänder, es ist das aus feigem Mob-Gebahren heraus geborene Geraune und Geblöke dem "Anderen", dem "Fremden" gegenüber.

Ich habe nichts gegen Spott, Hohn und Verarsche (im Gegenteil). Wenn der sich allerdings darin genügt sich in tiefbraunem Dreck zu wälzen, seine Originalität aufs unreflektierte und tiefernst gemeinte Niedermachen beschränkt, dann ist das nicht nur zutiefst beschränkt, es macht mich sofort parteiisch. Nämlich gegen diese Blöker einzutreten.

Lied- und Sprachgut aus der Baumschule

Mir kann die entsprechende Truppe, auch die entsprechende Fan-Gruppierung noch so sympathisch sein - wenn das Krakeele losgeht und ein gewisses Niveau unterschreitet, dann macht es mich automatisch zu seinem Feind. Und mein Anspruchsdenken ist nicht sehr hoch. Hört euch einmal 90 Minuten unfassbar einfallslose Rapid-Sprechchöre ("... ist allen bekannt...") an - Menschen mit nur durchschnittlichen Anforderungen an theatralen Aktionismus würden (zurecht) nicht einmal das akzeptieren können. Weil das alles bestenfalls Baumschul-Niveau hat.

Die Untergriffigkeit und Blödheit des Lied- und Sprachguts der diversen hiesigen Ultras sticht auch deshalb so in Auge und Ohr, weil die internationalen Standards da höher sind. Ein kurzer Besuch in der zweiten deutschen Liga, oder gar ein Abstecher in ein englisches Stadion zeigen da schnell auf, was Transparente, Chereografien, Lieder oder Sprechchöre könnten, wenn sich eine Kurve eine Woche lang was überlegt.
Das, was hierzulande abläuft, kommt entweder aus dem Liedbuch der 50er oder erschöpft sich in einer fantasielosen Übernahme falsch rezipierter internationaler Codes.

Im schlimmsten Fall ist dieses Geknatter dann auch noch rassistisch und hat diesen "Drei Bier"-"Ich bin ja gar kein Neonazi-Höhöhö"-Unterton.

Die faschistische Internationale

Ich bin da also, dazu diese recht lange Vorrede, recht empfindlich. Und zwar aus fast schon körperlichen Gründen; ich kann da gar nicht anders.

Deshalb war ich recht froh, dass sich eine der guten Sport/Fußball-Sites des Landes, eine der an einer Hand abzuzählenden Gerechten im hiesigen publizistischen Schaffen dieses Themas ganz bewusst, verstärkt, ja seriell angenommen hat. Mir hat es also extrem getaugt, dass sportnet,at sich hier als aktiver Beobachter draufsetzt und so medialen Druck erzeugt und auch hilft durch stetiges Nachhaken den Ultras (die mehrheitlich diesen Dreck ja auch nicht wollen) Material gegen die (immer wieder eingeschmuggelten) schwarzen Schafe in den eigenen Reihen in die Hand zu geben.

Seit den Fanal im Euro-League-Spiel gegen Bilbao, das von einigen Provokauteuren bewusst als Inszenierungs-Plattform für eine neue faschistische Internationale (mit spanischen Francisten, italienischen NeoFaschisten und den üblichen osteuropäischen und deutschen Verdächtigen) genutzt wurde, ist da die Austria Wien unrühmlicher Tabellenführer. Auch weil bei Rapid, dem entsprechenden All-Time-Leader, da gerade eine Ruhe herrscht, die mit dem Zentralismus der dortigen Ultras zu tun hat, und weil die anderen entweder zahlenmäßig zu mickrig sind, zuletzt stillgehaltgen haben (die auch stramm rechtem LASKler) oder sich nur durch allgemein vertrottelte Aktionen (die verrückten Köpfe als Weitwerfer) hervorgetan haben.

Bei der Austria, wo fantechnisch ein Macht-Vakuum herrscht, wo sich die sportliche Führung das Thema lange nicht ernst genommen hatte und dann, als irrige Konsequenz, den Fan beauftragten entließ, kommt man seitdem nicht zur Ruhe. Und die Sportnet-Beobachter notieren jede neue Finte der Figuren, die den Fußball-Platz als politische Aufmarscharena benutzen wollen und haken bei neuen, unverfänglich daherkommenden Codes so deutlich nach, dass die Rapid-Ultras ihre 88er-Fahnen wohl endgültig in den Keller räumen werden müssen, wollen sie sich nicht wieder irgendwelchen Mißverständnissen aussetzen.

Das ist gut so.

Selektives Ausblenden, ganz wie beim Missbrauch

Wiewohl selbst mir, dessen Impfnarbe bei hör- und sichtbaren Vorfällen ganz leicht aufgeht, dann manchmal diese "ja, eh!"-Haltung einfährt. Man will vom Grauslichen (dem Gehabe dieser Instrumentalisierer, die weder Fans noch Freunde noch Besucher, sondern reine Zerstörer sind) innerhalb des Schönen (des Fußballs) dann irgendwann nix mehr hören. Und macht sich zu, schaut weg, ignoriert's (wie die heimischen Mainstream-Medien, die sich bei diesem Thema ins Hoserl pupsen, dass es eine Art hat) und schält den Unflat aus der persönlichen Wahrnehmung.

Das ist gefährlich.

Denn diese selektive Wahrnehmung ist der Anfang von Ende jeder Zivilisationsstruktur und jeglichen sozialen Zusammenlebens.

Deshalb: auch weiterhin wird soll und muss jede Grindigkeit, die im sogenannten Fan-Bereich stattfindet, deutlich an- und ausgesprochen werden - auch wenn es die Unbeteiligten (die wegen ihrer selektiven Wahrnehmung auch wegschauen, wie der Elternteil beim interfamiliären Mißbrauch) noch so anpfeift, auch wenn es die "Ge tuads net oiweu üwatreim"-beschwichtiger noch so scheinbar langweilt (und heimlich ärgert).
Und: fordert eine Berichterstattung ein, bei euren Stamm-Medien. Nervt die Leute. Weils nicht anders geht.

Zündler und Giftgas-Schleuderer

In diesem Zusammenhang: die Ausreden, die zum Thema Pyro-Technik-Verbot von Fan-Seite daherkommen, sind genauso dürftig.
Ja, das Gesetz ist böse, bewusst gegen den Fußball gemacht worden. Aber: die senfgasmäßige Brühe, die die Ultras von Sturm und Rapid beim jüngsten Zusammentreffen gemeinsam und vorsätzlich ausgestreut haben, hat nicht nur das Spiel verzögert (und letztlich, wenn der ÖFB sich ernstnehmen würde, an den Rand des Abbruchs getrieben), es zeigt, dass die Ultra-Communities nicht kapiert haben worum es geht: ums Unterlassen von genau diesen Destruktionen.

Wie mans macht, zeigt aktuell Wacker Innsbruck vor. Die haben, als womöglich erster Ö-Club sowas wie eine ernsthafte Vereins-Philosphie erarbeitet.

Wie's nicht geht, zeigt Sturm Graz. Dort hat man den einzigen, der sowas könnte, nach nur einem halben Jahr an Professionalisierungs-Versuch wieder entlassen: den WM-Turnierdirektor Christian Schmölzer.

Das Gegreine um die Ungerechtigkeiten, die das Pyro-Verbot nach sich zieht durch den Ausbau der Widerlichkeiten, durch Spielbehinderungen aufzuzeigen ist argumentativ genauso dürftig wie die verbale Ausdruckskraft der gesamten Szene.

Daran gilt es zu arbeiten: an Artikulierung. Da hält man aktuell etwa bei 5%, also bei dem was ein Asylwerber nach einer Woche kann. Das ist, vorsichtig gesagt, ausbaufähig.
Mit Tschin-Bum-Krach wird man genau gar nix erreichen.

Sprache ist Macht, Ultras. So gesehen seid ihr eben noch ohnmächtig. Und natürlich haben viele, die euch von außen steuern wollen, Interesse daran, dass alles so bleibt wie es ist, nämlich dämlich; auch um euch als Rekrutiermasse für eine milizionäre Zukunft vorzubereiten.