Erstellt am: 30. 3. 2010 - 19:49 Uhr
Detektive der Videospielkultur
"Videogames. Videogames? Videogames!" steht weiß in einem roten Kreis auf dem Cover der Nullnummer von "Kill Screen" gedruckt. Darüber sitzt ein Junge auf einer Steintreppe in einer Pose, als würde er gerade auf einer mobilen Videospielkonsole spielen. Bloß hat er gar nichts in der Hand. Diese Symbolik ist kennzeichnend für das Magazin. Die eingefahrenen Strukturen von Games-Magazinen will man hinter sich lassen.

http://www.killscreenmagazine.com
Ein kill screen, das ist eigentlich etwas Unmögliches oder zumindest nicht Gedachtes. Die Bezeichnung bezieht sich auf alte Spielhallenspiele, die aufgrund technischer Restriktionen bei einer unbestimmten, sehr hohen Spielstufe abstürzen - niemand der Designer hatte in den frühen 1980ern angenommen, dass es jemals jemandem gelingen würde, so weit ins Spiel vorzudringen.
Ähnlich würden viele Spielende nie selbst darauf kommen, dass sie einen Reader, ein Videospielkultur-Journal wie "Kill Screen" lieben könnten. Die Geschichten sind persönlich, frei von Zahlen und inhaltlichen Erklärungen, die sonst das viele Geschreibe über digitale Spiele, gedruckt und online, durchsetzen. Stattdessen geht es um Menschen, für die Videospiele etwas bedeuten, Menschen, die sich durch Videospiele kennengelernt oder sich durch sie ans echte Leben herangewagt haben.
The more time we spent "running the Gauntlet," the more Tetris jargon began to accumulate. If you used an L-shaped block to complete two non-consecutive lines, we called that a "split-level fishmonger." [...] These nights spent in front of the TV playing Tetris overflowed with lively conversation. We'd catch up on each other's lives. (Jason Killingsworth: "Player One, Player Two")

http://www.killscreenmagazine.com
Die meisten Autorinnen und Autoren, die Artikel für "Kill Screen" beisteuern, sind nicht exklusiv Games-Journalisten. Die Gründer Jamin Brophy-Warren und Chris Dahlen sind etwa auch im Bereich Musikjournalismus aktiv und haben Erfahrung im Schreiben für Mainstream-Medien. Im Vordergrund steht für sie immer die Erzählung - das soll auch bei "Kill Screen" durchgehend so sein.
Like all parables, zombies are both widely evocative and impossible to pin down. Part of the reason you had purchased this game was because you were curious to see what the Japanese imagination had made of the zombie. (Tom Bissell: "Our Resident Evil")
Kommerzielle Spiele-Magazine haben eine Tradition, leidenschaftliche Gamer einzustellen, die auch schreiben können. Bei "Kill Screen" ist es umgekehrt.

http://www.killscreenmagazine.com
Ein ausführliches Interview mit den Gründern von "Kill Screen" gibt es bei der ORF Futurezone zu lesen.
Vor zehn, zwanzig Jahren haben Fans von Computer- und Videospielen oft nichts voneinander gewusst. Spiele-Magazine hatten die Funktion von Bindegliedern. Es waren quasi die ersten Gamer-Communities.
Heute, nachdem die Netzberichterstattung dem produktorientierten Fachmagazin die Leser abgegraben hat, ist "Kill Screen" gleichzeitig Aufbegehren gegen die grassierende Printfeindlichkeit und der hehre Wunsch, ein Kulturmagazin über Videospiele außerhalb des Wustes an Zahlen und Statistiken zu etablieren.
Online bestellen kann man "Kill Screen" auf der offiziellen Website.
Das Projekt wird von Menschen finanziert, die freiwillig Geld geben, ohne sich wirtschaftlich beteiligen zu wollen. Jamin Brophy-Warrens Traum ist, Autorinnen und Autoren anständig für ausführliche und umfangreich recherchierte Artikel bezahlen zu können. Ob sich dieser Wunsch erfüllt und das Magazin mit seinen hohen Ansprüchen von mehr als ein paar hundert kulturbeflissenen Gamern gelesen wird, ist noch nicht abzusehen. An Wille und Zuversicht fehlt es dem Team jedenfalls nicht.