Erstellt am: 30. 3. 2010 - 17:52 Uhr
Fußball-Journal '10-10.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 1: Jugend und so; und die mediale Mangel-Kompetenz.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 2: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 3: die Liga und so; Leben jenseits der Realität.
Die kleine "Was läuft aktuell schief?"-Serie, Teil 4: wir alle sind schuld; von der Verdrängung und der Ablenkung.
Letztens waren sie dick da: die jungen Österreicher und die entsprechende Medienberichterstattung. Nein, werte hysterische Übertreiber, um einen "Hype" handelte es sich dabei nicht, nur um die ansprechende Zurkenntnisnahme dessen, was vorgeht (und das eine der Hauptaufgaben der Medien).
Und David Alaba ging nun einmal so richtig vor, auch wenn er links hinten spielen musste bei Bayern München (Van Gaal macht also auch Fehler, nicht nur Fettnapf-Constantini), als 17-Jähriger in der Champions-League und der Bundesliga-Tabellenspitze, das ist schon was.
Genauso wie das San-Siro-Schaulaufen von Jürgen Prutsch, dessen Name der geneigte Fußballfreund davor ebensowenig buchstabieren konnte wie der normale Fußball-Journalist. Nach zwei (von ebendiesen Menschen unbeachteten bzw. verschlafenen) guten Auftritten bei der U20 kam der auf die Casting-Couch von Livorno und recht schnell auch ins Trikot der dortigen Rosa, anstatt sich mit einem (ganz normalen und für die anderen Talente sogar üblichen) Schicksal zwischen (beispielhafterweise) Altach und Graz Igel und Hase spielen zu müssen, allzu sehr anzufreunden.
Überblicke der profunden Art finden sich auf einer tollen Wikipedia-Seite und in meiner halbjährlichen Legionärsliste.
Plötzlich gab es im Kurier und auf sport.orf.at schöne Jung-Legionärslisten, die zwar far from vollständig waren, aber doch das Interesse heimischer Medien an den Wagemutigen, die sich in jungen Jahren raustrauen, manifestierte.
Ausbruch aus der fatalen Isolation
An dieser Stelle möchte ich an die Super-Experten erinnern, die vor Jahren die Stirn in Furchen legten und für Alaba schwarz sahen, weil er "zu früh" in ein "unsichere" Karriere investierte. Diese Hauspatschen/Coach-Fraktion, die selber keinen Fuß in die guten Ligen bekam, definiert die öffentliche Haltung.
Und gegen dieses vertrottelte Isolations-Klima ist jeder mediale Wiederhall Erfolg sehr junger Kicker im Ausland wichtig.
Dann macht noch ein dritter Fall Schlagzeilen: in einem letztwöchigen Testspiel der U18 gegen die Tschechen wurde ein Austro-Brasilianer ausprobiert, der sich dem ÖFB via Facebook angetragen hatte: Rafhael Domingues zeigte bei dieser Begegnung auf, schoss ein Tor und wurde anderntags als Facebook-Stürmer abgefeiert.
Durchaus zurecht. U18-Coach Hermann Stadler hatte Sportdirektor Ruttensteiner ins Boot geholt, um das Okay zu bekommen den Unbekannten einzufliegen und einmal spielen zu lassen. Diese Vorgangsweise ist aktuell nicht ungewöhnlich (auch Burnley-Spieler Nik Kudiersky hat auf diese Art Kontakt aufgenommen - warum das nicht geklappt hat, hab ich vor ein paar Wochen hier berichtet) und bezeugt eine gewisse Anpassung an die digitalen Lebenswelten.
Facebook, hihihi!
Dass das, was in den USA, in großen Teilen Westeuropas aber eben auch im an neuen Technologien interessierten Brasilien als recht selbstverständlich gilt, hierzulande, im (für allem in Denken/Handeln der älteren Generation) digitalen Albanien immer noch als Extra-Sensation abgefeiert wird, die Peinlichkeit unseres Hinterwäldlertums im Umgang mit den neuen Medien zeigt, ist eine andere Geschichte.
In jedem Fall hatte der junge Herr Rafinha einen halben Tag Schlagzeilen-Wert. Um einen Background-Check hat sich freilich (von Medienseite) niemand gekümmert. Auch nicht, was das eigentliche Spiel der nämlichen U18 betraf.
Freundschaftliches U18-Länderspiel Österreich – Tschechien 3:1 (1:1), Laa/Thaya, 1.300 Zuschauer.
ÖFB-Torschützen: Domingues (34., 50.), Kerschbaumer (88.).
Österreich spielte mit: 1 Blatnik (Kärnten) - 2 Lainer (Salzburg - 78. 15 Koblischek, Austria), 5 Maier (Linz), 19 Hinteregger (Salzburg, 67. 4 Summer, Vorarlberg), 3 Schilling (GAK) - 18 Luxbacher (Rapid, 62. 16 Gehrer, Vorarlberg), 13 Trauner (Linz), 10/Kapitän Offenbacher (Salzburg, 62. 8 Kerschbaumer, Rapid), 14 Kainz (Sturm, 41. 7 Dobras, Linz) - 11 Domingues (Toledo Colonia Work, 67. 19 Schmölzer, Sturm), 20 Robert Zulj (Linz).
Ich habe am Freitag (weil Mittwoch beim offiziellen ÖFB-Report über das Spiel nur "Aufstellung: folgt" drinstand und sich das die nächsten Tage nicht änderte) den Zuständigen angemailt und um eine solche gebeten. Prompt kam ein PDF mit dem offiziellen Blankett zurück. Und der Pressechef vermerkte auch die taktische Aufstellung (4-4-2) der Österreicher. Der ÖFB hat also die (nicht ausgeschickte) Info nur versehentlich nicht online gestellt.
Wurscht, total scheißegal, Jugendfußball...
Das heißt aber auch: keine Sau, kein einziger österreichischer Journalist hatte zwei Tage lang ein ernsthaftes, über den reinen (und wenig aussagekräftigen) APA-Basistext hinausgehendes Interesse an diesem Spiel oder gar seinen Teilnehmern; also genau den besten des österreichischen Nachwuchses, der in diesen Tagen (zurecht) abgefeiert wurde.
Es ist den Menschen, deren Beruf es ist, sich um den österreichischen Sport, oft sogar ganz konkret um den österreichischen Fußball zu kümmern, komplett egal wer da wie in den heimischen Jugendnationalteams agiert. Total scheißegal.
Ja, das ist keine neue Erkenntnis, eh klar.
Aber im Lichte der "Ojaja, Alaba!"-Elogen macht sich eine derartig dreiste Ignoranz noch schlechter, kommt die sonst als lässig verbrämte Wurschtigkeit noch mieser.
Zweites Beispiel: die letzte Woche in Griechenland durchgezogene Qualifikation der österreichischen U17 für die EM 2011. Finnland, Irland und der Gastgeber waren die Gegner und es ist nicht gut ausgegangen: Die Burschen von Ernst Weber holten zwei Unentschieden und eine fatale Niederlage. Dabei handelt es sich um den extrem hoffnungsfrohen Jahrgang mit Philip Prosenik (leider verletzt), Toni Vastic und Raphael Holzhauser (teilweise gesperrt), Marcel Ritzmaier oder Dominik Burusic, also um Talente die bei Chelsea, Bayern, PSV oder dem VfB aufgebildet werden.
Aufstellung folgt...
Die mediale Beachtung war anständig - es wurde seriös gecovert, allerdings nie übers APA copypasten hinausgehend (es war ja kein, hihi, "Facebook"-Stürmer an Bord). Da sich die (Stichwort: Medienkrise) keinen Vorort-Reporter leisten konnte, übernahm man die offiziellen UEFA-Report-Infos. Dabei passierte ein kleiner Lapsus.
Die offizielle Match-Statistik kennt keine taktische Formation: der Spielberichts-Bogen führt die Akteure nach Nummern auf. Und weil da niemand dazwischengeschaltet war (wie beim oben angeführten U18-Beispiel etwa der Pressechef), der das klarstellen konnte, rann die Aufstellung nach Nummern durch. So fand sich etwa Verteidiger Stefan Petrovic von Hertha wegen seiner Nummer 15 als Stürmer wieder, während Toni Vastic (6) eher defensiv verortet wurde. Erst im dritten Spiel gegen Irland klappte die Übermittlung einer richtigen Aufstellung so einigermaßen.
Auch hier war sowas wie der Versuch das Geschehene ansatzweise richtig abzubilden (außerhalb der ÖFB-Site, die nachträglich korrigierte) keinem einzigen Berichterstatter auch nur einen einzigen Handgriff wert; auch die U17 ist genau allen total scheißegal.
Laienhaftigkeit und Blindheit
Anderswo ist diese Aufgabe der richtigen Dokumentierung Spezial-Medien überlassen, von denen dann der Mainstream die Infos/Daten/Fakten abmalt - in Österreich existiert diese Nische aber nicht.
Was nicht nur zu Ignoranz und Wurschtigkeit, sondern dann auch zu taktischen Laienhaftigkeit und purer Blindheit führt (hierzulande sind die wenigsten Reporteure imstande den rechten und den linken Innenverteidiger auseinanderzuhalten).
Dabei hätte dieser Bereich der halbwegs exakten Aufarbeitung der Fakten noch nicht einmal was mit der schlimmsten Sport-Medien-Erkrankung (der Beschönigung durch gefühlte oder echte Verhaberung und Abhängigkeit) zu tun.
Und das Kasperle-Theater um die zunehmende Entwertung des Guts "Live-Fußball im TV" hab ich da noch nicht einmal gestreift. Eine Vorentscheidung soll da just am 1. April fallen.
Morgen, im zweiten Teil von der kleinen "Was läuft aktuell schief?"-Serie: Fans und so; und die Sache mit der Ideologie.