Erstellt am: 28. 3. 2010 - 14:39 Uhr
Song Zum Sonntag: Bunny Lake
Zuviel Schwierigkeiten. Zuviele Frauen wollen mich, Das Auto ist hin, die Straße ist versperrt, die Dunkelheit versucht uns zu verschlingen - Ich hab den Blues, Baby. Aber er kriegt mich nicht: Ich stelle mich, ich bin bereit. Ich verschlinge die Dunkelheit, bevor sie mich verschlingt. Und ich gebe niemals auf.
bunnylake.net
Ich hab den Blues. Der Satz, der (unabhängig von der bezeichneten Musikrichtung) in alle Sprachen eingegangen ist, der Trauer, Ohnmacht, Depression oder Laune bezeichnen kann, eröffnet ein in jeder Hinsicht erstaunliches Album.
Den Amadeus für die beste Dance Produktion haben Bunny Lake schon. Tonnenweise Credibility als Fashionistas, Popforscher, Dancefloor-Hedonisten, Undergroundchronisten und Experten für das Dekadente und Abseitige sowieso. Mit großem, kurzlebig angelegtem Pop klappte es für Bunny Lake bisher noch nicht so recht. Aber die Melodien und kurzen Slogans von "Beautiful Fall" haben auch den Härtetest der echten Popcharts und Ö3 Foren bestanden.
universal
Das düstere, von Serienkiller-Büchern, Abseitigkeitsverehrung, Industrialklängen, Splatterfilmen und Soundtrackdramen überbordende, seltsam unhomogene und obsessive Universum des Christian Fuchs scheint für die, die ihn schon lange als umtriebigen Journalisten und kenntnisreichen Gesprächspartner in diesen Feldern bewundern, hier nur zart durch. Sie erkennen eher die andere Fuchs'sche Euphorie, seine Begeisterung für die lebenszehrende, selbstzerstörerische Allnighter-Nachtlebensszene, die Welt einer Affirmation mit aller Lebenskraft, Hedonismus, Drogen, Sex, Glamour, Konsum, Stilisierung, schöner Schein. Disco.
Doch diesmal wird all das überschritten: Denn
für die Anderen (die meisten), bei denen das besagte über Nine inch Nails, Moroder, Young Miss und Freddy Kruger nicht hinausgeht, funktioniert die neue Bunny Lake ebenso - durch ihre pfeffrigen Slogans, ihre zum Teil absichtsvoll ausgewählt billigen (hier ein Kompliment!) D.I.Y.-Nineties-Sounds und ihre süßen Melodien.
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Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Die Musik von "Berautiful Fall" wäre nämlich wohl nicht so überraschend knackig-konsensfähig, wenn Christian Fuchs das Erwartbare getan hätte, und Leuten wie mir - die Zuhause hocken und etwa Neutral Milk Hotel (oder einer anderen, bettelarmen linksliberalen Konsensschrammelband) nachweinen und jedes Stück Musik automatisch auf die "guten" Referenztöne untersuchen - gefallen hätte wollen: Einfach mit Martin Rev oder James Murphy ins Bett gehen, Artaud lesen und Wildenmannmarkieren, "verstörende" Sounds von obskuren Silver Apples Platten samplen und Schwarzlichtvideos drehen - fertig ist die Nische in Indiehausen.
Er hat es sich anders überlegt und führt nun aufs hinterfotzigste junge Menschen in sein Universum ein, die auch "Ace of Base" oder (sic) "Army of Lovers" gemocht hätten, die einen zugänglichen Soundtrack für die eigene Nachtlebenvision benötigen, kurz, schnell und verfügbar. Und er ermutigt sie, die Dunkelheit nicht zu meiden sondern sich ihr zu stellen und sie so zu besiegen, sie zu verschlingen statt selbst verschlungen zu werden - er hat sie gesehen, folgt ihm.