Erstellt am: 25. 3. 2010 - 18:58 Uhr
"Betteln ja, aber bitte nicht gewerbsmäßig"
Donnerstagvormittag in der Wiener Mariahilferstraße. In der Straße, die immer als Negativbeispiel für den ansteigenden Betteltourismus nach Österreich genannt wird, ist diesbezüglich wenig los. Zwei Jungs verkaufen ein paar alte Zeitungen, ein sichtlich verwirrter älterer Herr wird von der Polizei vertrieben und setzt sich 100 Meter weiter wieder hin. Die Punks scheinen noch zu schlafen. Eli Fröhlich von der Hilfsorganisation Bettellobby ist nicht verwundert: "Die Bettler erzählen uns, dass die Polizei in den letzten Wochen hier hart durchgreift."
APA/HELMUT FOHRINGER
Gesetze zu Bettelei sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Tirol und Salzburg gilt ein totales Bettelverbot, in Graz wird aktuell über ein sektorelles diskutiert.
Geht es nach der Wiener SPÖ und ihren temporären Bündnispartnern ÖVP und FPÖ ist das aber noch nicht genug. Heute Fraitag haben die drei Parteien im Landtag eine Verschärfung des Wiener Sicherheitsgesetzes beschlossen. Damit wird das sogenannte "gewerbsmäßige Betteln" unter Strafe gestellt. Gewerbsmäßig heißt, dass es regelmäßig stattfindet und dass mit dem Betteln der Lebensunterhalt finanziert wird. Für Fröhlich kommt das de facto einem generellen Bettelverbot gleich: "Was soll Betteln denn bitte sonst sein als gewerbsmäßig?"
"Das subjektive Sicherheitsgefühl"
Den genauen Gesetzesantrag kann man hier nachlesen.
Die Geschichte der Gesetzesnovelle ist ein klein wenig haarig. Weil das Ganze als Initiativantrag eingebracht worden ist, durchläuft die Novelle weder Expertengremien noch den irgendwie nicht ganz unbeteiligten Sozialausschuss. Auffällig ist, dass im gesamten Antrag keine wissenschaftlichen oder polizeilichen Zahlen vorkommen:
Stadt Wien
Als Argument dient neben der Einschränkung des "subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger" ein nicht wirklich greifbares Phantom, das in den letzten Jahren vermehrt durch die Medien geistert: Die Bettelmafia. "Oft werden Menschen aus dem Osten von mafiös organisierten Banden absichtlich verstümmelt und dann mit Bussen nach Wien gebracht. Die Bettler sehen meist keinen Cent von dem Geld, das sie erbetteln. Und genau solchen Banden wollen wir das Handwerk legen.", heißt es dazu in einer Stellungnahme der SPÖ.
Bettelmafia?
Der Haken an der Sache: Weder Hilfsorganisationen noch die Polizei haben bisher klare Anhaltspunkte für eine solche mafiöse Struktur gefunden. Zwar steht außer Frage, dass im Bereich Menschenhandel organisiert vorgegangen wird, allerdings gebe es für solche Vergehen bereits hinreichend Gesetze, wie Fröhlich erklärt. Gleichzeitig müsse man sich fragen, inwiefern sich eine Bettelmafia überhaupt finanziell lohnen würde. Bei einem täglichen Einkommen zwischen 15 und 30 Euro wäre die öknomische Relevanz eines solchen Organisationsgrades nicht gegeben. Schlimme Beispiele dieser modernen Art der Sklaverei gibt es genug, das Betteln selbst ist dabei allerdings mehr eine Randerscheinung.
Für den Psychotherapeuten Alfred Pritz ist die immer stärker werdende Diskussion über die Bettelmafia, die nach erledigtem Geschäft "zurück in die Villa in Rumänien" fährt, auch eine Art Selbstschutz. In einem Ö1-Interview erklärt er, dass damit das eigene schlechte Gewissen befriedigt wird: "Es erleichtert das Nein-Sagen, wenn man denkt, das Geld bekommt ohnehin die Mafia".
Verstecken ist auch keine Lösung
Den gestrigen Club 2 zum Thema gibt es hier zum Anschauen.
Ob jetzt Mafia oder nicht, für die Bettler wird das Leben eindeutig schwerer, wenn das Gesetz in Kraft tritt. War es bisher strafbar, "aggressiv" oder gar "organisiert" zu betteln, so müssen die Polizeibeamten jetzt auch noch entscheiden, ob es sich um gewerbsmäßiges Betteln dreht oder eben nicht. Laut Eli Fröhlich geht es aber ohnehin nur um das Aufrechterhalten einer seeligen Fassade: "Die Bettler werden sich andere Orte suchen, aber es geht anscheinend nur darum, dass die Armut nicht mehr sichtbar ist. Dann kann sich die Gesellschaft zurücklehnen und das Gefühl haben, dass es das alles gar nicht gibt."