Erstellt am: 23. 3. 2010 - 17:52 Uhr
MGMTs Delirium
Zuerst entschuldigen sich MGMT bei ihren Fans, dass sie das machen, was sie versprochen haben, und dann schieben sie den guten alten Leak vor, um dieses PR-Fiasko in rosarotes Zuckerlpapier zu wickeln. Oder doch nicht? Es bleibt jedenfalls psycho.
Columbia Rec
Gewinner und Verlierer sind die Fans, die sich Wochen vor dem offiziellen Release an einem 1A-Qualitätsstream laben können, dafür aber auch etwas an der Nase herumgeführt werden. Geschrieben darüber wird ohnehin:
Vor zwei Wochen setzte es die erste Salvador-Dalí-reife Aktion aus dem MGMT Camp. New Yorks bestinformiertes Indie-Blog BrooklynVegan.com verbreitete die Nachricht von einer Secret Show in Williamsburg. Also alle hin – von New Jersey bis nach Long Island – Freunde bunter Smarties ohne Zuckergehalt machten sich groovy auf zur "geheimen Adresse" vor der Glasslands Gallery an der Waterfront.
Dort erst einmal angelangt, fanden Hunderte Fans verschlossene Türen vor. Lediglich ein Kreideschriftzug am Sidewalk informierte: "MGMT was here". Zuvor durften sechs Gläubige in einen Van steigen und sich dort das Album anhören, während das Auto durch Brooklyn rollte. Der frustrierte Rest wurde mit Buttons und T-Shirts abgespeist. Darauf zu lesen: "I was almost captured by MGMT". Wie originell. Danach setzte es in der Blogssphere die zu erwartende Schelte und Häme. Geschrieben darüber wird also ohnehin.
Freewilliamsburg.com
Vergangene Woche folgte die Vorabveröffentlichung der ersten Single. Den Gepflogenheiten des Web entsprechend wurde "Flash Delirium" als Gratis-Download gegen E-Mail Registrierung angeboten. Der Song hielt, was Ben Goldwasser and Andrew VanWyngarden versprochen hatten, nämlich einen anderen Sound als am Hit-Debüt Oracular Spectacular. Statt Psycho Pop setzt es jetzt Psycho Rock (und Glam, und R-Oper, und Glam, und Number 9). Der Masse der MGMT-Ergebenen gefiel das zwar nicht. Aber geschrieben darüber wird ohnehin.
Christian Lehner / FM4
Dann die Relativierung Goldwassers zum Spannungsfeld Song und Erwartungshaltung auf Spinner.com, die bei näherer Betrachtung gar nicht so sehr nach Entschuldigung klingt, wie von den verbreitenden Netzmedien behauptet (siehe dazu das unlängst in meiner Wäscherei aufgenommene Symbolfoto rechts). Und geschrieben darüber wird ohnehin.
Heute wurde das gesamte Album zum Stream freigegeben. Ob tatsächlich durch einen Leak motiviert oder als PR-Stunt zur Aushebelung einer unglücklichen Pressemeldung sei dahingestellt. Die diesbezügliche Erklärung von Goldwasser und VanWyngarden auf der Bandsite liest sich einmal mehr wie ein Verwirrspiel à la Alice im Disneyland.
"Hey everybody, the album leaked, and we wanted you to be able to hear it from us. We wanted to offer it as a free download but that didn't make sense to anyone but us."
Nach den ersten Hörproben ist klar: MGMT haben ihre Vorgabe sehr, sehr ernst genommen. So ernst, dass die beiden manche Songs dieses wie eine psychedelische Vision des Glam-Movies Velvet Goldmine klingende Werk mit englischem Akzent intonieren. "Congratulations" ist eine Kontinentalflucht. Ein Stück trägt sogar den Titel "Brian Eno". Von dort aus ist es nicht mehr weit ins Gagaland. Die "Kids"-typische Handschrift von MGMT ist jedenfalls verblasst. Endgültigen Aufschluss über die künstlerische Positionierung zwischen Pop und schalkischer Experimentierfreude wird wohl erst Album Nummer 3 geben. Insofern kein schlechter Move, sich Freiheiten zu nehmen, solange noch jemand an Bord ist. Schließlich kommt es immer auch darauf an, wozu man sich selbst gratulieren will.
flickr
Genauere Analysen dazu, wenn "Congratulations" in zwei Wochen, also in ferner Zukunft, erscheint. Geschrieben darüber wird ohnehin.
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