Erstellt am: 24. 3. 2010 - 11:00 Uhr
Die Korrektur nach unten
"Ich heule nicht, ich verschwinde", hieß es beim ersten gemeinsamen Output von Kevin Hamann und Norman Kolodziej 2007. In den vergangenen drei Jahren war das Projekt zwar zwischenzeitlich nicht aktiv, aber bei weitem nicht verschwunden: Lang hat es gedauert, aber nun stellt man das zweite Hybrid "Die Korrektur nach unten" in die Regale.
Bist du nicht das, was sie erwarten?
Live sehen kann man Bratze in Österreich im Herbst 2010, Termine werden noch folgen.
Die Unterschiede der bei Bratze beteiligten Musiker könnten größer nicht sein: Die wortverliebte Gitarre steht dem dröhnenden Pfeifen des digitalen Zeitalters scharf gegenüber. Unvereinbar? Für viele Puristen vielleicht, aber die Verbindung funktioniert. Kevin Hamann ist der einsame Mann mit gerne auch mal akustischer Gitarre hinter Click Click Decker.
bratze
Das Alter Ego des Bratzekollegen Norman Kolodziej ist der Tante Renate und der pfeift mehr als alle Elektroherde zusammen kochen können - auch recht einsam, nur eben inmitten von digitalen Industrieprodukten, auf die er wie wild einhämmert. Gefunden hat man einander durch das Hamburger Label Audiolith, die künstlerische Heimat der beiden.
Der Name des Projektes, Bratze, bezeichnet eigentlich einen besonders hässlichen Menschen. Gewählt wurde er aus anderen Gründen: Lautmalerisch kracht und kratzt das Wort sich in die Gehörgänge der Klangkonsumenten. Kevin Hamann und Norman Kolodziej teilen sich Bratze und einen wirklich wichtigen Menschen: die Frisöse. Kevins Freundin verpasst beiden die passenden Haarschnitte, die sie übrigens, wenn es der kreisrunde Teufel namens Haarausfall zulässt, auch in zwanzig Jahren haben werden.
Die Schweine von heute sind die Schinken von morgen
"Die Korrektur nach unten" scheint zumindest für mich eine harmonischere instrumentale Basis zu haben, um teilweise wieder bei der Tante Renate und Trash anzukommen.
bratze
Zeitweise wird man als Hörer mal in die eine Richtung gewiesen, nur um dann auf dem anderen Ende der Skala wieder elektrozupunken. Schmal ist die Fläche der Mitte, aber der akustische Ritt auf diesem Spagat der Vereinbarkeit gelingt.
Textlich erneut großartig, manchmal mit einer Feder umschmeichelnd, manchmal anarchisches Dada vermutend, immer unterstützt vom richtig temperierten Bumm-Bumm aus einer launigen Maschine. Während beim Erstling "Kraft" noch Helden vorkamen, besingt man nun Axel Rose und heißt die Hörer im Jungle willkommen. Die Korrektur nach unten ist inhaltlich ein Downgraden zu den Dingen, die wesentlich sind und auch gerne fernab von starken Figuren oder Persönlichkeiten. Anspieltipp: "Pelikan" und "Ohne das ist es nur noch laut".