Erstellt am: 25. 3. 2010 - 11:42 Uhr
Sun Valley, Idaho - Skifahren im Namen der Sonne
My own private Idaho
Eine bis zum Horizont schnurgerade, endlose Straße durch einsame verschneite Hügel - tausendmal im Kino gesehen, jetzt endlich mal selbst inszeniert: Cruisecontrol auf 75 Meilen justiert, ein Tape mit Winterballaden von Ricky Lee Jones und Loudon Wainwright, Ewigkeiten kein anderes Auto, alle heiligen Zeiten eine gottverlassene Ranch.
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Wachsen hier die berühmten Big Potatoes? Oder gar die berüchtigten Neonazis der Aryan Nations?? Wo ist hier Demi Moore als Baby rumgekrabbelt? Und wo ist Evel Knievel bei seinem Canyonjump gecrasht? Die goldene Abendsonne im Rücken, eisige Gipfel vor mir - wie war das noch mit dem indianischen Wort für Idaho? Ach ja, "Ee-dah-how", heißt sinngemäß "Licht auf den Bergen".
sun valley
Sun Valley
Ein paar erstaunliche Fakten:
Idaho ist knapp dreimal so groß wie Österreich, hat aber nur 1,4 Mio. Einwohner, ist also nach Alaska der unberührteste Bundesstaat der USA.
Sun Valley ist eine ehemalige Goldgräberstadt, wo die Sonne angeblich 280 Tage im Jahr scheint und der Himmel - vor allem im Kontrast zum frisch verschneiten Berg - dieses magische, tiefe Blau hat, das Freerider gern als Bluebird Day besingen.
sun valley
Aber was die Reise ans andere Ende der Welt lohnt, ist nicht das Blau, sondern das Weiß, nämlich der unvergleichlich trockene Pulverschnee. Deshalb ist dort 1936 (!) der erste Sessellift der Welt (!) gebaut worden.
Die Rocky Mountains von Idaho waren Kulisse im Ski-Eislauf-Musik-Liebesfilm "Sun Valley Serenade" aus dem Jahr 1941, später in "Bus Stop" und "Wie angelt man sich einen Millionär" mit Marilyn Monroe. Und Clint Eastwood drehte hier Pale Rider.
Die Skischule von Sun Valley ist die älteste Amerikas, wurde von Österreichern (natürlich Tirolern...) aufgebaut und hat unzählige Oympiasieger, Weltcuprennläufer und weltbekannte Freerider hervorgebracht.
Die Abgeschiedenheit und schwere Erreichbarkeit ist der größte Vorteil von Sun Valley. Es war seit jeher sowas wie "The American Shangri-La" - ein magischer Rückzugsort in den Bergen.
sun valley company
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Im Gegensatz zu paparazziverseuchten Promi-Nestern wie Aspen, Vail oder Beaver Creek kommen Hollywoodgrößen und Politiker in dieses abgelegene Winterparadies, um nicht gesehen zu werden. Clark Gable, Gary Cooper, Jane Fonda und die Kennedy-Familie haben hier Skifahren gelernt. Katherine Hepburn und Marilyn Monroe waren Stammgäste. Ernest Hemingway hat dort seine letzten Jahre verbracht und ist in Sun Valley begraben.
Arnold Schwarzenegger, Jamie Lee Curtis, Clint Eastwood, Bruce Willis, Tom Hanks uvm. haben hier ihre Winterhütten. Angeblich hängen sie hier völlig unbehelligt und entspannt mit den Locals ab.
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Aber warum bitteschön
fährt ein Homo Alpinus aus einem Land, wo man vor lauter Skigebieten die Berge nicht mehr sieht um die halbe Welt zum skifahren?!? Diese (berechtigte) Frage habe ich schon einmal versucht, irre schlau zu beantworten. Die Wahrheit ist - wie meine Freunde sagen - ich hab' einen Huscher! Nach objektiven Kriterien gibt es keine Rechtfertigung, seinen dank jahrelangem Fahrradfahren auf Mäuschengrösse minimierten CO2-Fußabdruck durch einen einzigen Wildwest Skitrip auf Godzilla-Format zu boosten. Aber das schlechte Gewissen und eure bösen Blicke werden aufgewogen durch ein paar durchaus spannende Reiseerfahrungen. Und außerdem wimmelt es in Sun Valley vor Skibums, deren Schneesucht noch bedenklicher ist als meine eigene.
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Bald Mountain vs. Arlberg
Die Features von Baldy sind so absolut ideal, als wäre er von Skifreaks nach ihren Traumvorstellungen am Computer gemorpht worden. Kein Wunder, schließlich hat der Österreicher Felix Schaffgotsch im Jahr 1935 im Auftrag von W. Averell Harriman, dem Vorsitzenden der Union Pacific Railroad, monatelang den ganzen Westen der USA nach dem idealen Ort für ein Skigebiet abgesucht, und was sie in Sun Valley gefunden haben, ist einzigartig!
Am "Baldy" macht man keine leeren Meter, denn es gibt keine Flachstücke, sondern 1000 Höhenmeter konstante Steilheit! Wenn man von der Bergstation aus auf einem Bergsattel hinüber zur Seattle Ridge quert, tut sich linker Hand eine riesige Talschüssel auf - die sogenannten Bowls - weite, baumfreie Tiefschneehänge, die von der Ski Patrol (lawinen)gesichert werden. Je nach Temperatur und Tageszeit findet man immer einen Run mit der gerade passenden Sonneneinstrahlung und der gewünschten Schneequalität von Powder bis Firn.
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Apropos Powder - habt ihr schon mal von der magischen Verwandlung von feuchtem Schnee in trockensten Champagner-Pulver gehört? Durch die extreme Höhe (bei uns wäre der Bald Mountain von der Höhe her bereits ein Gletschergebiet) ist die Luft sehr trocken (ca. 10%). Es kann also ohne weiteres einmal richtig patzig schneien und über Nacht wird dem Schnee durch Kälte und Trockenheit sämtliche Feuchtigkeit entzogen. Interessant für Freerider: In Sun Valley gilt die "Open boundaries-policy", d.h. man darf auch das ungesicherte Backcountry befahren, die Glades (nach einem massiven Waldbrand vor einigen Jahren stehen dort nur noch vereinzelte schwarze Bäume pittoresk in den weißen Hügeln rum).
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Amerika vs Österreich
Dass sportliche Höchstleistungen nicht zwingend mit Verbissenheit und Askese, sondern auch mit Lässigkeit und Schmäh zu erreichen sind, war für Skiösterreich eine schwer zu verkiefelnde Lektion bei den olympischen Spielen. In Sun Valley ist der Spirit, den Lindsey Vonn und Bode Miller in die Welt raustragen, spürbar.
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Gleichzeitig haben sie in Sun Valley an Österreichern einen Narren gefressen: Rainer Schoner aus Wildschönau leitet die Race Academy, ist für die Skilehrerausbildung zuständig und wird ob seiner Vorfahren als "österreichischer Skigott" verehrt:
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Im Gegensatz zu Österreich ist Skifahren in Amerika kein Volks- sondern ein Elitensport. Sun Valley hat daher Hänge, die tagelang unverspurt bleiben und herrlich breite, menschenleere, weltklasse präparierte Pisten, wo man (relativ) ohne Reue fetzen kann, weil nicht ständig bewegliche Hindernisse die Spur kreuzen.
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Die österreichische Fehleinschätzung von wegen "wir-haben-das-Skifahren-erfunden-und-zeigen-euch-mal-wie's-richtig-staubt-bla-bla" wird aber hier schnell auf ein bescheidenes Niveau zurückgestutzt, wenn man sich - vermeintlich verwegen - mit persönlicher Höchstgeschwindigkeit ins Tal stürzt und von irgendeinem 70jährigen Ex-Olympiasieger oder gar einer Pistenpatrouille-Lady wie Ashley Brown überholt wird.
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Spektakulärste Begegnung: Randy (62) und Susie, zwei süße Omis mit grauen Haaren und faltigen Gesichtchen und schneeweißen Beisserchen. Jede und jeder hier hat so unfassbar weiße Zähne, dass man als Europäer sofort das Gefühl hat, mit seiner gelben Pappn nicht mehr ungeniert grinsen zu können. Aber das Grinsen ist mir sowieso vergangen, als Randy und Susie die längste und steilste Buckelpiste runtergehoppelt sind, die ich je gesehen hab'. Ich war ihnen zwar technisch gewachsen, aber nur kurz, dann ist mir die Zunge bis zu den Knien gehangen. Auf wieviele Skitage pro Winter sie kommen? 140!!!
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French Dip, Cozy oder Upper Holiday?
Während bei uns Pisten nur langweilige Nummern haben, klingt eine Diskussion über die Routenwahl zwischen Locals am Baldy wie spoken word poetry: "Upper Holiday runter, dann rüber zu Cosy, weiter auf Greyhawk, Exhibition und Plaza". Die Ehre einer eigenen Piste wird nur Einheimischen zuteil - für herausragende sportliche / kulturelle Leistungen - wie etwa "Upper Hemingway" oder "Picabo Street" nach der erfolgreichen Skirennläuferin. Aber bei Schwarzenegger, der in Sun Valley seit vielen Jahren ein Haus besitzt, war's wohl aus Mitleid, weil Arnold sich auf besagter Abfahrt das Bein gebrochen hat.
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Und Après Ski?
Im Apple's hängen die Locals ab bei ein paar Pale Ale's und im Loop laufenden, vom kanadischen Fernsehen aufgenommenen Skirennen. Und dann das schönste überhaupt: die namensgebenden schwefelhaltigen, heißen Quellen flußaufwärts im idyllischen Tal von Warm Springs.
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