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Pamela Rußmann

Brennend leben: Das Große im Kleinen erkennen

18. 3. 2010 - 14:22

Kein Fluss, nur Gezerre

Wie Filmszenen zuweilen dem echten Leben hinterherhecheln. Oder umgekehrt.

Zwanzig Grad, sagen die Wettermenschen, plus, fügen sie an zu unser aller Orientierung, was nach sechs Monaten Dauerbeheizung der Behausung keine Selbstverständlichkeit darstellt, man muss also an den Temperaturumschwung langsam herangeführt werden, soweit isses schon gekommen, liebe Sonne.

Der Energieschub setzt unmittelbar nach dem Aufwachen ein, schwungvoll werden Strickschals und Seidentücher in die Ecke gepfeffert und - schockschwerenot - man wird des blassen Halses ansichtig, der im Winter keine Rolle gespielt hat, es sei denn, er ist inwendig kratzig gewesen. Aber was tun mit der plötzlichen Nacktheit des Halses, der nun auf einen Schlag mehr Luftzufuhr ausgesetzt ist als die letzten 176 Tage? Ha! Es müssen doch irgendwo noch last season´s Ketterln rumliegen.

Und wie ich da so minutenlang rumfummle in meinem Nacken mit gespitzten Fingernägeln, an einem Verschluss, der selbst mit dem Vergrößerungsglas nicht zu finden ist, und die morgendliche Vögelgezwitscherharmonie umschlägt in ein „Sakra!“, wie ich hilflos der Spiegelverkehrtheit ausgeliefert an meinem logischen Denksinn zu zweifeln beginne, wünsche ich mich in eine Filmszene hinein, in der die männliche Hauptrolle geschmeidig und behende in einer fließenden Bewegung zwei Enden aneinanderführt und schwupps – hängt sie auch schon, die Halskette, und der Dialog geht friktions- und unterbrechungsfrei weiter.

Collage

Radio FM4

Aber hier an diesem Schauplatz, nix mit Fluss, mehr mit Gezerre. Auf den Streifen warte ich noch, in dem sich beim Anlegen einer Halskette eine halsbrecherische Auseinandersetzung zwischen Liebenden entzündet, an deren Ende die Infragestellung der Existenzberechtigung der Beziehung an und für sich steht, und den Müll trägst du Hund auch nie runter, und wann hatten wir überhaupt das letzte Mal Sex, du rasierst dich in letzter Zeit aber sehr selten, ich glaube, wir sollten uns eine Zeitlang aus dem Weg gehen. Das wär dann zur Abwechslung mal wie im echten Leben. Und nicht wie im Film.