Erstellt am: 15. 3. 2010 - 12:14 Uhr
Schneller als der Tod
Es ist fünf Uhr früh. Dr. Peter Brown ist auf dem Weg ins Krankenhaus, als ein dümmlicher Möchtegernverbrecher ihm von hinten den kalten Lauf einer Pistole gegen den Hals drückt. Trotz verschlafenem Ärger analysiert Peter kurz die Situation, um dann im Bruchteil einer Sekunde den Räuber unschädlich zu machen. Synchron zum Kampf einer Taube und einer Ratte im Schnee knacken Elle und Speiche, Bänder reißen und Blut fließt aus dem Kopf Dr. Browns Widersacher, der bereits am Boden liegt. Nachdem Peter den bewusstlosen Idiot in eine stabile Seitenlagen gebracht und sich vergewissert hat, dass er nicht ins Gras beißen wird, wirft er sich seine morgendliche Drogendosis an Aufputschmitteln und Schmermedikamenten ein, schließlich wird es ein harter Tag im Manhattan Catholic.
Parallelwelten
Fischer Verlag
Der jüdische Pietro Brnwa wird von seinen Großeltern in New York aufgezogen. Er lebt ein ganz normales Leben eines großstädtischen Jugendlichen bis er kurz vor seinem fünfzehnten Geburtstag eine schreckliche Entdeckung macht, die sein Leben zum ersten Mal vollkommen verändert: Seine Großeltern werden ermordet. Bei dem Versuch, die Täter ausfindig zu machen, schlittert der junge Brnwa über seinen Schulfreund "Skinflick" in die Mafiaszene. Die italienische Familie Locano wird zu seiner eigenen und was als Rachefeldzug beginnt, wird zu Pietros blutigem Tagesgeschäft.
Doch ein zweites Mal ändert ein unvorhergesehenes Ereignis Pietros Leben. Er verliebt sich in die rumänische Violinistin Magdalena und will geläutert aus dem Killergeschäft aussteigen. Ein Zeugenschutzprogramm des FBI verhilft ihm zu einer Stelle als Turnusarzt, die er als Dr. Peter Brown antritt. Zunächst scheint alles glatt zu laufen, bis ein Mafiamitglied mit Magenkrebs eingeliefert wird und den Ex-Killer erkennt. Im Krankenhaus entspinnt sich ein wüstes Wettrennen mit dem Tod, wobei nicht nur das Leben des Patienten am Spiel steht.
Blood is beautiful
- fm4.orf.at/buch: Mehr Leseempfehlungen auf FM4
Der Amerikaner Josh Bazell hat Literatur und Medizin studiert. Als er sein Debüt "Schneller als der Tod" geschrieben hat, war er Turnusarzt in einem Krankenhaus. Er weiß also genau, wovon er erzählt. In Fußnoten vermittelt er anatomisches und ärztliches Grundwissen, enthüllt Mythen und Tricks der Götter in Weiß und plaudert in vertraulichem Ton so mache Pfuscherei und alltäglichen Murks aus, den man eigentlich lieber nicht wissen möchte. Mit Ironie und geschliffenem Wortwitz versetzt er dem Gesundheitssystem der USA und der Allmachtsstellung der Ärzte deftige Seitenhiebe. So wird bei einem chirurgischen Eingriff eines von Pharmafirmen gesponserten Scharlatans gleich mal die Milz in Stücke gerissen, dass das Blut nur so sprudelt. Oder ein kurzes Stolpern eines Virologen hat die Verbreitung einer schlimmen Infektion zur Folge. Doch das alles kann man gut überstehen, wenn man wie Bazells Hauptcharakter vollkommen zugedröhnt zwischen aufgeputschter Überdrehtheit und komatösen Blackouts durch den Krankenhausalltag wandelt.
Tamar Hurwitz
Es ist schwer zu sagen, ob die Mordauftragsarbeiten oder die medizinischen Eingriffe blutiger ablaufen. Einen guten Magen werden manche bei dieser Lektüre schon brauchen. Als Mittel gegen Übelkeit hat Bazell jedoch genug schwarzen Humor injiziert, der "Schneller als der Tod" neben der gewohnten Thrillerspannung zu einem überaus amüsanten Leseerlebnis werden lässt. Dabei bekommt auch die stereotype Hollywooddarstellung der Cosa Nostra ihr Fett ab. Denn bei Josh Bazell ist die Mafiafamilie kein hochstilisierter, mystischer Ort, der Schutz garantiert und in dem Stolz und Anerkennung die treibenden Mittel sind. Zwar verfällt der junge Pietro Brnwa genau diesen Klischeebildern, doch nur um kurz darauf ein der blutigen und garstigen Realität zu erwachen, die so gar nichts Glamouröses besitzt.
Wenn Dexter bei Dr. House Visite macht
Fischer Verlag
Durch die clevere Erzählstruktur, bei der sich Rückblenden mit brenzligen Gegenwartssituationen abwechseln, wird enormes Tempo erzeugt. Diesen Kniff holte sich Josh Bazell aus seinen Erfahrungen beim Schreiben von Drehbüchern. Kein Wunder also, dass die Fimrechte zu "Schneller als der Tod" schon verkauft wurden. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Projekt mit Leonardo DiCapro den ursprünglichen Spirit des Buches beibehalten wird. Denn klar ist, dass dieser Roman von der unverblümten Direktheit, dem bitteren Zynismus gepaart mit schrägem Witz und den blutigen Schockelementen lebt.
Außerdem stellt man sich am Ende des Buchs sowieso die Frage, warum nicht schon früher Leute wie Quentin Tarantino, Guy Richie, Jeff Lindsay oder David Shore auf die Idee gekommen sind, die Welt der mafiösen Auftragskiller mit jener der Ärzte zu verbinden. Schließlich liegt es auf der Hand, was Killer und Weißkittel gemeinsam haben: Die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden und die Tendenz, diesem göttlichen Gefühl gerne zu verfallen.
Josh Bazell ist mit "Schneller als der Tod" ein großartiges Buch geglückt, das Erfolge in den USA feiert und den Autor dazu veranlasst hat, an einer Fortsetzung zu arbeiten. Inzwischen können wir uns an den dreihundert Seiten des Debüts erfreuen und an einem ebenso hervorragenden Hörbuch, wobei der schnoddrige Charakter des Erzählers von niemand geringerem als Christoph Maria "Stromberg" Herbst gelesen wird.