Erstellt am: 13. 3. 2010 - 14:28 Uhr
Kluge Frauen, rabiate Männer
Nur mal so nebenbei, was wurde eigentlich aus Alejandro Amenábar? Dank einiger ungewöhnlicher Mysterythriller gehörte der spanische Regisseur in seinem Heimatland zu den zentralen Vertretern einer neuen Genrekinowelle. Mit dem herausragendem Gänsehautstreifen "The Others" gelang es ihm dann, weltweites Aufsehen zu erregen.
2004 entschloss sich Amenábar für einen seriöseren Weg und erntete prompt für das Sterbehilfedrama "The Sea Inside" etliche Auszeichnungen. Bei manchen Sympathisanten der frühen Stunde, zu denen ich mich gerne zähle, beschädigte er sich mit diesem schnulzigen Film aber auch den bisherigen Ruf.
Nun hat Alejandro Amenábar erneut die Richtung gewechselt. Viele Jahre arbeitete er an einem Historienepos der ungewöhnlichen Art. Muskelbepackte Gladiatoren und martialische Krieger sucht man in diesem Film vergeblich.
"Agora - Säulen des Himmels" handelt nämlich von einem Wettstreit der philosophischen Natur. Es geht um die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Religion, Vernunft und Glauben, männlichen und weiblichen Blickwinkeln. Blut fließt dabei aber dennoch.
Tobis Film
Im Jahr 291 nach Christus steht Ägypten unter der Herrschaft des Römischen Reichs, das sich immer mehr in Auflösung befindet. In Alexandria lebt Hypatia, eine begnadete Astronomin und Mathematikerin, die auch als Professorin lehrt. Die mächtigen religiösen Führer der Stadt begehren die alleinstehende Frau und fürchten zugleich ihre Intelligenz.
Alejandro Amenábar stützt sich auf die wenigen verlässlichen Quellen, die es zur historisch verbürgten Figur der Hypatia gibt, verpackt diese aber in einen Reigen schwülstiger emotionaler Verwicklungen, wie sie zu jedem massentauglichen Streifen gehören.
Dabei ist "Agora" in seinem Kern aber weder ein Liebesdrama noch ein actionlastiger Blockbuster, sondern ein Thesenfilm. Erfrischend polemisch teilt der Regisseur Breitseiten gegen unterschiedliche religiöse Fundamentalisten aus, die auf beklemmende Weise die Massen manipulieren. Er stilisiert Hypatia, gespielt von Rachel Weisz, im Gegenzug zu einer Ikone der Selbstbestimmung und Vernunft.
Tobis Film
So weit, so gut, so aktuell auf unangenehme Weise. Jeder 70 Millionen Dollar teure Historienschinken, der zeigt, dass hinter all den christlichen, heidnischen und jüdischen Hetzern nur Männer stecken, die ihre Angst, Verbitterung und sexuelle Frustration kompensieren, hat einen Pluspunkt bei mir.
Leider reicht die ganze berechtigte Religionskritik nicht, um aus "Agora" einen wirklich gelungenen Film zu machen. Denn auch wenn man zum Finale hin, wenn der frühchristliche Mob gegen die kluge Frau mobilisiert, wieder hellwach im Kinosessel sitzt, gilt es davor doch etliche Längen zu überstehen.
Viel zu zähflüssig und unentschlossen ist Amenábars Inszenierung, um zu fesseln. Einigen wenigen inspirierten Einstellungen, etwa wenn sich die Kamera immer wieder über dem Agora genannten Versammlungsplatz erhebt und die tobende Menge ameisenhaft anmutet, stehen öde Historienfilm-Konventionen gegenüber.
Tobis Film
Um jetzt von intelligenten Frauen auf Männer zu kommen, denen die Schrauben etwas locker sitzen, was wurde eigentlich aus Mel Gibson? Mein Kollege Markus Keuschnigg ist dieser Frage nachgegangen und hat ein wenig in der Schmutzwäsche von Hollywoods führendem konservativen Fettnäpfchentreter gewühlt.
Können böse Menschen auch sehenswerte Filme machen? Aber natürlich, lautet erstmal meine grundsätzliche Antwort auf diese gern gestellte Frage.
Man muss Gibson, abgesehen vom Legendenstatus, der ihm wegen seiner "Mad Max"-Vergangenheit zu Recht anhaftet, auch zugestehen, dass ihn gerade seine theologische Verwirrung und erzreaktionäre Weltsicht, in Verbindung mit ungesunden Mengen Alkohol, interessant macht.
Jetzt ist Big Bad Mel, nachdem er skandalbedingt der Schauspielerei den Rücken zugewandt hatte, wieder auf die Leinwand zurückgekehrt. In "Edge Of Darkness", bei uns unter dem perfekt für Videotheken-Ramschkisten geeigneten Titel "Auftrag Rache" im Kino, steht er in seiner altbekannten Rolle als rabiater Vigilant vor der Kamera.
Warner Bros
Aufhorchen lässt zunächst der Name des Regisseurs. Martin Campbell ist ein Veteran des Actionkinos, dem wir vor allem aber den großartigen James-Bond-Relaunch "Casino Royale" verdanken.
In den 80ern hat der Brite Campbell noch vorwiegend für das Fernsehen gearbeitet und unter anderem die sechsteilige BBC-Miniserie "Edge Of Darkness" inszeniert. Diesen TV-Thriller adaptierte der Regisseur nun in Hollywood und holte dazu Mel Gibson aus der Versenkung.
Der spielt den Polizisten Thomas Craven, einen zurückgezogenen Einzelgänger, der sich auf das Wiedersehen mit seiner erwachsenen Tochter Emma freut. Als die beiden einander in der väterlichen Wohnung endlich in die Arme fallen, wirkt die junge Frau verstört und kränklich.
Craven will mit ihr ins Krankenhaus fahren, da fällt ein Schuss. Ein maskierter Täter, der es scheinbar auf den Vater abgesehen hat, zerfetzt Emma mit einer Kugelladung.
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Wie der ohnehin fragile Cop Craven auf den Tod seiner Tochter reagiert, das gehört zu eindringlichsten Momenten von "Edge Of Darkness". Kein Wunder, denn Mel Gibson spielt im Grunde schon sein ganzes Leben lang bloß diese eine Rolle: den verbitterten Rächer mit dem schmerzverzerrten Antlitz, dessen Gesichtszüge langsam gefrieren.
Jetzt ist Gibson auch noch alt geworden, man sieht ihm die Kontroversen der letzten Jahre auf deutliche Weise an.
Aber "Edge Of Darkness" ist kein straighter Rachethriller, und das ist das Problem. In dem Augenblick, wo der Film die Perspektive wechselt und wir nicht mehr dem explosiven Polizisten folgen, kommt die Handlung ins Stocken. Cravens Tochter ist einer Verschwörung auf die Spur gekommen, findet der Vater heraus. Die Regierung kommt ins Spiel, die Atomindustrie, der Geheimdienst.
Viel zu sehr verstrickt sich Regisseur Campbell in absurde Szenarien. Mel Gibson, der rechtskonservative Narr, ist tatsächlich das Sehenswerteste an diesem Film. Aber seine grimmige Performance wirkt verschenkt.
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