Erstellt am: 11. 3. 2010 - 20:30 Uhr
Wahlparty in Togo
Ein Moped rast knatternd durch die nächtlichen Straßen. An einer Schnur befestigt schleift es eine ausgediente Autofelge hinterher. Der junge Fahrer hat sich einen Weidenkorb über den Kopf gestülpt, blindlings prescht er mit seiner Yamaha an der Menschenmenge vorbei. Für Sekundenbruchteile übertönt der blecherne Krach das Johlen der Menge. Dann hört man die Frauen, Kinder und Männer wieder: "Faure! Faure!" Sie bejubeln ihren neuen Präsidenten, der zugleich ihr alter ist.
Anna Mayumi Kerber
Anna Mayumi Kerber
Zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl vom 4. März hat Faure Gnassingbé seinen Sieg verkündet. Der Überraschungseffekt hält sich in Grenzen. Seit über vier Jahrzehnten hält Familie Gnassingbé an der Herrschaft über Togo fest. Auf den Freifahrtschein des Volkes hat sie dabei weitgehend verzichtet.
- Herrschaftsjahre von Gnassingbé Eyadéma: 38 (1967-2005), Rekord unter afrikanischen Präsidenten
- Unter der Leitung von Sergeant Gnassingbé Eyadéma wurde Sylvanus Olympio neben der US-Botschaft erschossen, in der er Zuflucht suchen wollte.
- Gnassingbé Eyadéma starb 2005 in einem Flugzeug über Tunesien, als er schwer krank zur Behandlung ins Ausland geflogen werden sollte, an einem Herzinfarkt.
Wenige Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit gab es 1963 einen Militärputsch, bei dem Sylvanus Olympio, regierendes Staatsoberhaupt, ermordet wurde. Eyadéma, der sich angeblich auch später immer wieder mit den zweifelhaften Lorbeeren schmückte, den ersten Präsidenten Togos ermordet zu haben, riss 1967 die Macht an sich. Von dieser ließ er bis zu seinem Tod nicht mehr ab. Nach einem Herzinfarkt übernahm 2005 der Sohn des Diktators - Faure - kurzerhand das Zepter.
Weil das von der internationalen Gemeinschaft nicht goutiert wurde, rief er wenige Monate später zur Wahl auf. Diese, behauptet er, mit über 60 Prozent der Stimmen gewonnen zu haben. Die Opposition sowie ausländische Wahlbeobachter berichteten hingegen von "massiven Unregelmäßigkeiten".
Familie Gnassingbé gehört der Volksgruppe der Kabyé an. Seit der Unabhängigkeit gab es im Vielvölkerstaat Togo zwischen diesen und den vorwiegend im Süden ansässigen Ewe zunehmend Spannungen. Nach der Wahl kam es zu Aufständen, etwa 500 Menschen starben in Straßenkämpfen, es wurde von Massakern in ländlichen Gegenden berichtet. Nord-Togolesen unterdrückten gewaltsam den Widerstand der Süd-Togolesen. Zehntausende Menschen flohen vor der Gewalt in benachbarte Länder. So begann Faures erste Amtsperiode.
Anna Mayumi Kerber
Anna Mayumi Kerber
Anna Mayumi Kerber
Sein Geburtsort liegt nur wenige Kilometer von Kara entfernt. Die Hauptstadt des Nordens ist damit eine Hochburg der Faure-Fans. In seiner ersten Amtsperiode soll Faure viel Geld in die Region gepumpt haben. Definitiv hat er in seinen Wahlkampf investiert. Das gut genährte Staatsoberhaupt lächelt nicht nur wohlwollend von Plakaten, Postern und Kalendern (für das Jahr 2010), sondern auch von den T-Shirts zahlreicher Bewohner. Mopedfahrer haben ihre Nummerntafeln mit Wahlstickern überklebt, einzelne Hardliner sich die Wahlsprüche gleich auf die nackte Haut geschrieben.
FACTBOX TOGO
- Bevölkerung: 6,7 Mio
- Bewohner: Togoer bzw. Togoerin; gebräuchlicher: Togolese bzw. Togolesin
- GDP (PPP): ca. 600 Euro
- Reihung auf dem Human Development Index: 159 (von 182)
- Lebenserwartung: 58 (die höchste in Westafrika)
- Kolonialmächte, die in der Vergangenheit Ansprüche auf (einen Teil) Togo(s) erhoben: Portugal, Frankreich, Deutschland, Großbritannien
- Eisbein auf Französisch = Jarret de porc
- unabhängig seit 1967: Präsidialrepublik
- Anzahl Faures "Facebook-Freunde": 4 (Stand. 4.3.2010)
- Faures Website: faurepresident.com, (CHECK!)
- Wahlspruch Faure: "Plus haute, plus loin, plus Faure!" ("höher, weiter, mehr Faure!" (bzw: "stärker", in Anlehnung an phonetische Ähnlichkeit mit "fort")
Eben wurde das Ergebnis im staatlichen Fernsehen verkündet. Auf Karas Straßen wird getanzt, gesungen, getrunken. Der schrille Klang von Trillerpfeifen mischt sich mit dem dumpfen Klang von Plastikkanistern, auf die mit Holzstöcken getrommelt wird, dem hysterischen Hupen von Mopeds und deren knatternden Motorengeräusch. Zweige wirbeln durch die Luft, die - kaum abgekühlt von der drückenden Hitze des Tages - erneut zu dampfen beginnt. Die Stimmung ist ausgelassen, der Alkohol hat seinen Beitrag dazu geleistet. Vereinzelt schlendern Soldaten durch die Menge, das Gewehr sorglos über der Schulter baumelnd, auch ihr Gang nicht immer ganz gerade.
1,2 Millionen Wähler sollen ihr Kreuz neben Faures Namen gemacht haben. Sein einzig nennenswerter Opponent Jean-Pierre Fabre muss sich mit knapp 700.000 Stimmen begnügen.
Pikantes Detail: Fabre, Spitzenkandidat der UFC (The Union of Forces for Change) war erst kurz vor der Wahl als Ersatz für Gilchrist Olympio eingesprungen. Der Sohn des ersten Präsidenten Togos - der einst von Faures Vater Gnassingbé Eyadéma erschossen wurde - zog aus gesundheitlichen Gründen (die angeblich auf einen Mordversuch von 1992 durch das togolesische Militär zurückzuführen seien) seine Kandidatur zurück.
Sichtlich angeheitert stolpert ein Gast aus dem Café Masita II und wird nicht müde lautstark zu wiederholen: "Faure hat uns die Demokratie gebracht!" Passanten, die weniger tief ins Glas geschaut haben, geben jedoch zu, dass nicht alle so denken. In der Hauptstadt Lome, im Süden des Landes protestieren Menschen gegen das Wahlergebnis. Kein Vergleich zu 2005, die Versammlung von ein paar Hundert Menschen wurde mit Tränengas aufgelöst. Fabre hat angekündigt, Berufung gegen das Auszählungsergebnis einzulegen - "obwohl sie (die Opposition) nicht an den Verfassungsgerichtshof als unabhängiges Organ glauben", wie ein Parteisprecher vernehmen ließ.
In Kara lassen die Menschen indes weiter dem Motto der Wahl hochleben, das auf zahlreichen Plakaten prangt, die in den vergangenen Wochen aufgehängt wurden: "No to a divided Togo - Yes to a united country." Demokratie nach dem Motto: Anpassung statt Meinungsvielfalt.