Erstellt am: 7. 3. 2010 - 16:02 Uhr
Toleranz den Intoleranten?
Heinz-Christian Strache ist ein Mann der deutlichen Worte. Und auch diesmal hat er solche gefunden. Er und seine gesamte Partei verurteile den Nationalsozialismus. Ungewohnte Worte, mag man meinen, und trotzdem: So etwas sagt er öfter, es gehört zu seinem Job. Zu seinem Job, seine Partei als eine Partei darzustellen, die den antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Repubik respektiert und mitträgt, die sich also im demokratischen Verfassungsbogen dieser Demokratie bewegt. Und seine deutlichen Worte haben das getan, was sie sollten, sie haben vermittelt, der Mann meine das ernst. Dass mehr dahinter steckt als eine PR-Aktion, um die eigene Präsidentschaftskandidatin aus der Schusslinie zu nehmen, darf allerdings bezweifelt werden.
Der Wortlaut Straches stellt den Nationalsozialismus in eine Reihe mit "allen anderen totalitären Gesinnungen und Regimes". Das ist die mildeste Form des Geschichtsrevisionismus, wie ihn Rechtsradikale in Bedrängnis auch verwenden. Mit dieser an sich recht harmlos klingenden Formulierung sendet Strache erst wieder ein Signal an den rechten Rand.
Schon allein weil die Behauptung, die gesamte Freiheitliche Partei Österreichs verurteile den Nationalsozialismus, angesichts z.B. des Umfelds von Martin Graf schon ein gehöriges Maß an Realitätsverweigerung verlangt.
Und auch Barbara Rosenkranz ist kein unbeschriebenes Blatt. Viel war über sie schon seit Jahren bekannt: Dass sie mit jemandem verheiratet ist, der in der nach dem Wiederbetätigungsverbot aufgelösten NDP aktiv war, danach mit dem verurteilten Neonazi Gerhard Honsik eine Liste gegründet hat – und von dessen politischen Ansichten sie sich nie eindeutig distanziert hat. Dass ihr Leben aussieht, als sei es der Blaupause für NS-Mutterkreuzträgerinnen entnommen: Treu an der Seite ihres Mannes und dem eigenen Stamm zehn Kinder geschenkt: Alwine, Arne, Hedda, Hildrun, Horst, Mechthild, Sonnhild, Ute, Volker und Wolf. Hans-Henning Scharsach durfte Barbara Rosenkranz, nach einem Urteil des EMGH, ungestraft als Kellernazi bezeichnen. Seit HC Strache Parteichef ist, hat sie in der FPÖ eine immer größere Rolle gespielt. Trotz ihres politischen Hintergrunds oder vielleicht auch gerade deswegen. Ihre Kandidatur zum Amt der Bundespräsidentin soll ein weiterer Schritt sein, ihr Umfeld in der Mitte der Gesellschaft zu rehabilitieren.
Alles im Namen der freien Meinungsäußerung
An anderer Stelle hat sich HC Strache auch schon für die Abschaffung des Verbotsgesetzes ausgesprochen, und er tat das wie Barbara Rosenkranz unter dem Deckmäntelchen von Liberalismus und Toleranz. Die freie Meinungsäußerung sei ihm heilig. Unsere Demokratie sei stark genug, auch skurrile Meinungen auszuhalten. Wie es eben die rechten und rechtsrechten Recken so tun: Wenn es darum geht, die Grenze zum Nationalsozialismus, zum Geschichtsrevisionismus zu verwischen, dann entdecken sie plötzlich Liberalität und Toleranz.
Es klingt ja wirklich verführerisch (und es verführt auch viele, die sich für liberale Geister halten): Warum sollten Toleranz und Meinungsfreiheit nicht für alle gelten? Ist nicht das Einschränken der Meinungsfreiheit ein erster Schritt in die Diktatur, auch wenn es um "absurde, skurrile und verwerfliche Meinungen" (Zitat Rosenkranz) geht?
Kurz gesagt: Das ist es natürlich nicht. Absurd und skurril wäre es, beim Thema Nationalsozialismus ausgerechnet die Geschichte auszuklammern. Und genau das tun die, die sich beim Thema Verbotsgesetz liberal und tolerant geben.
Nationalsozialismus ohne Geschichte?
Denn der historische Nationalsozialismus hat die Toleranz und Liberalität des politischen Systems der Weimarer Republik ausgenutzt, um sie dann zu beseitigen. Seit damals wissen wir, wozu Menschen im Stande sind, und genau deswegen gibt es das NS-Verbotsgesetz. Die Ansichten und politischen Ziele des Nationalsozialismus sind eben nicht absurd und skurril – sie wurden im Gegenteil bereits einmal sehr real in die Tat umgesetzt. Allein die Bezeichnung als "absurde, skurrile und verwerfliche Meinungen" verharmlost den Neonazismus. Der Holocaust ist keine Meinung, sondern eine historische Tatsache, so sehr ihn die Freunde von Strache, Graf und Rosenkranz auch zur "Meinung" degradieren wollen. Und skurril ist auch der Regenbogenball, absurd ist der Dadaismus, und ein Swingerclub in der Secession ist nach FPÖ-Meinung verwerflich. Was, Herr Strache und Frau Rosenkranz, war das also damals vor 70 Jahren? Ein homoerotischer Maskenball mit Dario Fo und Rudelbums? Oder nicht vielleicht doch Krieg, Tyrannei und industrialisierter Massenmord?
Zu behaupten, dass so etwas nie mehr wieder möglich wäre, ist ziemlich naiv. Unsere Groß- und Urgroßeltern waren weder bösere Menschen, noch größere Idioten als wir heute. Der Nationalsozialismus hat, genau wie der Rechtspopulismus heute, aus einem Mangel an Bildung, aus naivem, unreflektiertem Idealismus, und vor allem aus Ängsten, Stimmungen und ökonomischer Unsicherheit Kapital geschlagen. Mit welcher Arroganz muss beschlagen sein, wer glaubt, genau diese Dinge wären heute ausgerottet?
Antifaschistischer Grundkonsens
Die österreichische Politik hat nicht viel dazu getan, ihre eigene dunkle Vergangenheit zu bewältigen. Man hat es sich bequem gemacht, alle Verantwortung den Deutschen zugeschoben und sich selbst als Opfer stilisiert. Der Satz Wir sind keine Deutschen war das exorzistische Dogma; Piefkehass als Antifaschismusersatz. Thema abgeschlossen, mehr war nicht nötig. Eine plakative Liberalität, die Toleranz gegenüber den Schlächtern und ihren Epigonen einfordert, reflektiert genau diese Geschichtslosigkeit. Man kann eben nicht so tun, als wäre damals nichts passiert.
Das klügste, was die europäische Politik aus der Geschichte gelernt hat, war es, das politische System nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine antifaschistische Grundlage zu stellen, eine Feuermauer zu errichten, wie es der aktuelle Bundespräsident ausgedrückt hat. Die EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung waren ein (leider politisch missglückter) Ausdruck genau davon. Das Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung gießt genau diese Grundlage in geltendes Recht bei uns. Und das ist gut so.