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Pia Reiser

Filmflimmern

5. 3. 2010 - 15:16

Academy Remmidemmi!

Ausladungen, Klagen, abgesagte Sketche: Die Oscar-Vorberichterstattung kann sich nicht über fehlendes Rambazamba beklagen.

Am Sonntag findet mein Superbowl, mein Fußball-WM-Endspiel, meine olympischen Spiele statt: Die Verleihung der Academy Awards of Motion Picture Arts and Science oder eben die Oscars. Ebenso wie oben aufgezählte Sport-Großereignisse hat die Oscarei relativ wenig mit dem unmittelbaren echten Leben zu tun, füttert aber gut Gesprächsstoffe, pflanzt Spekulationen und nährt Diskussionen davor und danach. Es ist ein Riesenzirkus, eine Tinseltown-Selbstpräsentation, eine Beweihräucherung, ein Pathosplantschbecken, ein überhöhter, von vorne bis hinten und wieder retour inszenierter Pomp. Wie eine glamourisierte Reflektionsfläche taucht atlantisgleich Hollywood auf, um ein bisschen Odeur von good old Hollywood zu versprühen. Tief einatmen.

Metrosexualized

ABC

Präsentatoren sind dieses Jahr Steve Martin und Alec Baldwin, das klingt zunächst so, als würde die Verleihung Anfang der 90er Jahre stattfinden, aber rekapitulieren wir mal: Steve Martin hatte letztes Jahr einen exzellenten Auftritt mit Tina Fey und Alec Baldwin hat es in den letzten Jahren geschafft vom das ist doch der, der seine Tochter via Mailbox beschimpft zum das ist doch der aus "30 Rock" zu werden. Über Baldwin die Nase zu rümpfen, ist ein bisschen zu einfach, er hat zwar keine Armada an Film-Meilensteinen in seinem CV, er ist aber auch nie wirklich schlecht. Baldwin, der sich seines jovialen Macho-Images bewusst ist, verriet bereits ironiegeharnischt, dass man sich auf einige Kostümwechsel einstellen soll, denn It's a very metrosexualized kind of a show now. Die Plakate, die für die TV-Übertragung werben, setzen auf jeden Fall fort, was mit der letztjährigen Verleihung begonnen hat, als man der Show einen Eigenironie-Anstrich gab: Auf des Oscars Schultern sitzend wird entglamourisiert. Gut so.

Bangen um TV-Quoten

Mit den Althasen-Moderatoren setzt man auf Nummer sicher, aber eben diese Nummer haben wohl die Show-Produzenten auf Kurzwahltaste: Die TV-Einschaltquoten der Oscarnacht sind das Sorgenkind der Oscar-Show-Macher. Das Rekordtief gab es 2006 als "Crash" ausgezeichnet wurde; als Faustregel gilt, je größer der Box Office Erfolg der nominierten Filme, umso eher flimmern die Oscars über die amerikanischen Bildschirme.Und nachdem noch nie ein oscarnominierter Film soviel eingespielt (und damit auch von so vielen Menschen gesehen wurde) wie James Camerons "Avatar" sollte die Sache eigentlich geritzt sein. Andererseits ist der größte Avatar-Konkurrent Kathryn Bigelows "The Hurt Locker". Der wiederum ist der Film mit dem schlechtesten Einspielergebnis, der jemals eine Nominierung als "Bester Film" erhielt. "The Hurt Locker" räumt Preise ohne Ende ab, gesehen hat ihn aber wohl nur die amerikanische Kritikerriege.

"The Hurt Locker"

Summit Entertainment

"The Hurt Locker"

E-Mails und Klagen

Und wär das nicht ohnehin schon eine David/Goliath-Aufstellung des Ex-Ehepaares Bigelow/Cameron (wie frustrierend das für die anderen nominierten Regisseure sein muss, dass das dieses Jahr als Zweikampf wahrgenommen wird), so hat "The Hurt Locker" noch an ein paar anderen Fronten zu kämpfen, für die die Entschärfungsspezialisten noch gesucht werden: Produzent Nicolas Chartier ist die ganze Oscar-Aufregung zu Kopf gestiegen und hat ein E-Mail an einige Mitglieder der Academy geschickt, mit der Bitte für "The Hurt Locker" zu stimmen und nicht für "the $500-million film". Das wiederum hat jetzt dazu geführt, dass Chartier von der Preisverleihung ausgeladen wurde; bizarrerweise nicht wegen dem Umstand der Wahlbeeinflussung, sondern wegen "creating a negative impression of a rival nominee".

Und während Chartier ab nun wohl jede E-mail dreimal liest, bevor er sie abschickt, bereiten die Anwälte von Master Sgt. Jeffrey S. Sarver die Klage gegen "Hurt Locker"-Drehbuchautor Mark Boal vor. Sarver nämlich erkennt sich in der Hauptfigur wieder; Mark Boal hatte 2005 ein Porträt über Sarver für den "Playboy" geschrieben. Das wiederum kann Cameron nicht passieren, außer ....

Avatar

Centfox

"Avatar"

Teenie-Lieblinge

Das letztjährige Geheimniskrämerei-Konzept wurde dieses Jahr überworfen und jeden Tag ein neues Fitzelchen zur Show publik gemacht: Als Präsentatoren dabei sein sollen Jason Bateman, Steve Carell, Tina Fey und Ben Stiller. Und - das hat man vom Schielen auf Einschaltquoten und dem Befriedigen der Teenager-Herzen - an Miley Cyrus, Zac Efron und Taylor Lautner kommen wir nicht vorbei. Gerard Butler ist zwar für nichts nominiert, weiß aber, wie er seinen Oscar-Gewinn faken kann: "I have the honor of presenting at the Oscars, and I had this genius idea that I was going to record it on my DVR, and then just watch it backwards, and then I’m going to feel like I won."

Neil Patrick Harris (Doogie Howser! Aber auch: Barney Stinson!) hat leider mit einem Tweet das Gerücht zu einer Ente gemacht, dass er und Martin Short die Awards eröffnen werden. //'I will not be performing a duet with Martin Short to open the Oscars. Misinformation, I'm afraid. Should I maybe pull a Kanye mid-show?" Hell, yes, NPH!

Ebenfalls nicht geben wird es Live-Darbietungen von den nominierten Songs. Da das meistens ohnehin Disney-Gejaule (aka Publikums-Toilettenpause) war, ist das nicht weiter zu betrauern. Highlight der letzten Jahre und Ausbruch aus dem Balladen-Genre war 3-6 Mafia "It's hard out there for a pimp". Jon Stewart meinte damals "For those of you keeping score at home, Martin Scorsese, zero; Three 6 Mafia, one."

Szenenild aus "A Single Man"

A Single Man

Für die Brille allein sollte es Oscars regnen: Colin Firth und Julianne Moore in "A Single Man"

Cameron, Schmäh ohne

Leider nicht sehen werden wir einen von Ben Stiller und Sasha Baron Cohen erdachten und gespielten Avatar-Sketch. Der wurde kurzerhand von Produzenten der Show gestrichen, weil man fürchtete, James Cameron würde dann eventuell die Veranstaltung verlassen.Offensichtlich ist Humor nicht gerade das, was mit Cameron verbunden wird. EDIT/UPDATE/ALLESANDERS!: Offensichtlich (danke an beastmaster, siehe im Forum) wird es den Sketch doch geben.

Ich hoffe einfach nur, er sagt nichts auf Navi, wenn er die Technik-Oscars entgegennimmt (Team Bigelow, yay), ansonsten geht mein Daumendrücken in Richtung Colin Firth ("A Single Man"), Carey Mulligan ("An Education"), Mo'nique ("Precious") und - Außenseiter vor - Sandra Bullock (ohne den Film gesehen zu haben, aber mir gefällt der Gedanke, dass Kalauer-Bullock einen Oscar bekommt). Es ist die 21. Oscarverleihung, die ich mir anschaue (früher halt aufgezeichnet auf VHS, zu einem freien Schulmontag konnte ich meine liberalen Eltern dann doch nicht überreden), überraschen kann mich nach der letztjährigen Verleihung, die sehr viel erstarte Inszenier-und Bierernst-Kruste weggebrochen wurde, jetzt eigentlich nur ein Waltz-Nichtgewinn.

Live-Protokoll zur Oscar-Nacht

Am Sonntag, 7. März 2010 gibt es hier ab Mitternacht ein Protokoll zur Oscar-Verleihung, clairegrube, madameclaudine, peggysue, flukekelso, matthews, beastmaster, alabaster, redde, smoan, ambre, elchaos, johnleehookerlectro und wie ihr alle heisst, ich freu mich auf euch!