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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

9. 3. 2010 - 15:17

Diagonale, die dreizehnte

Neue Namen im Vorspann: Das Festival des österreichischen Films könnte für Entdeckungen gut sein. Eine Vorschau auf die dichteste Kinozeit des Jahres in Graz.

Diagonale-Festivalleiterin Barbara Pichler lächelt

Ruth Ehrmann

Gerhard Fillei und Joachim Krenn, Wolfgang Fischer, Marvin Kren, Barbara Eder oder Anna Katharina Wohlgenannt. Neue Namen finden sich im Katalog der Diagonale 2010 auf den ersten Seiten, die mich neugierig googeln lassen. Das diesjährige Festivals des österreichischen Films in Graz könnte wieder einmal ein Jahr der Entdeckungen werden.

Das täte der Diagonale gut, denn mit der Werkschau - all jenen österreichischen Filmen, die im Vorjahr einen Kinostart hatten und die nach Statuten der Diagonale gezeigt werden müssen - ist das Programm schnell allzu bekannt besetzt. "Es war ein sehr gutes Jahr für den österreichischen Film, es wird fast langweilig, das zu sagen", sagt Festivalleiterin Barbara Pichler und fügt in einem Atemzug begeistert hinzu: "Ob der Preise, die vergeben wurden und der Oscarnominierungen drei Jahre in Folge."

Im Fall der Diagonale drückt sich das heimische Filmschaffen in 450 Einreichungen aus. 100 Filme laufen im Wettbewerb. Alle Sonderprogramme eingerechnet sind an den vier Festivaltagen und dem Eröffnungsabend 147 Filme zu sehen.

Zombies, Räuber, Junkies - Österreichpremieren

Da werden mitunter Zombies über Leinwände in "Rammbock" von Marvin Kren taumeln und in "Crash Site/My_Never_Ending_Burial_Plot" von Constanze Ruhm haben die Untoten auch noch mit Gedächtnisverlusten zu kämpfen.

Wer bei welcher Vorstellung für Publikumsgespräche anwesend sein wird, wird dieses Jahr auf der Website der Diagonale zu lesen sein.

Beide Spielfilme haben auf der Diagonale ihre Österreich-Premiere, ebenso u.a. "South" von den beiden Kärntnern Gerhard Fillei und Joachim Krenn, die mit in New York gedrehten Film-Noir-Thriller für den Max-Ophüls-Preis nominiert waren und begeisterte Kritiken erhielten. Beinahe durchgängig schwarzweiß gehalten, wird ein gescheiterter Bankräuber mit rätselhafter Post von seiner Vergangenheit eingefangen. Mehr als zehn Jahre haben die beiden Regisseure für und an "South" gearbeitet, davon werden sie so einiges bei den Publikumsgesprächen erzählen.

In den USA, nahe der mexikanischen Grenze, also zwischen den beiden Amerikas hat Barbara Eder ihr Spielfilmdebüt "Inside America" verfilmt. "Ein sehr unösterreichischer Film und stilistisch eine sehr interessante Arbeit", sagt Barbara Pichler über den Episodenfilm, der sechs Jugendlichen folgt und alles andere als eine High-School-Komödie ist. Im Gegenteil: Aus dem Kühlschrank holen sich die SchülerInnen nachmittags nicht 2l-Kanister Orangensaft, sondern Drogen. Gewalt greift um und über - und ist in mehreren Spielfilmen der diesjährigen Diagonale ein treibendes Thema. "Was du nicht siehst" von Wolfgang Fischer zieht einen 17-jährigen Internatsschüler im Frankreichurlaub in die Gewaltspirale eines Geschwisterpaars, in Ludwig Wüsts "Koma", der bereits auf der Viennale zu sehen war, verschränkt stilisierter Realismus sexuelle Gewalt und bürgerliches Dasein bis zur Unerträglichkeit.

Ein Mensch in einem Ganzkörper-Hasen-Kostüm lauft in einer Parkallee

Spass mit Hase_Judith Zdesar

Wenn's lauft, dann lauft's?

Wieviel in Österreich entsteht und wieviele neue, junge RegisseurInnen nachrücken, zeigt sich für Diagonale-Indentantin Barbara Pichler auch bei den Kurzspielfilmen. Die Tendenz zum Dokumentarfilm steigt beständig, die Platznot im Programm wird akut. Erstmals wurden mehr Dokus eingereicht als Arbeiten im Bereich des Experimentalfilms. Und mehr und mehr Dokumentarfilme haben Spielfilmlänge.

Einen Tag mehr, um das Programm zu entzerren, würde sich angesichts dieser Entwicklung nicht nur die Festivalleitung wünschen. "Doch bei einem Budget von 1.190.000 Euro bleibt es beim Wunschdenken", so Pichler.

"Einmal mehr als nur reden" böte sich da als gute Antwort an, immerhin haben das Land Steiermark und die Stadt Graz mit der Diagonale 3-Jahresverträge geschlossen und erleichtern so die Planung. "Einmal mehr als nur reden" ist auch der Titel des ersten Lang-Dokumentarfilms von Anna Katharina Wohlgenannt, die darin den großen Plänen von 200 ÖsterreicherInnen aus dem Jahr 1984 nachgeht. Damals machte sich eine sozial bunt gemischte Gruppe auf, um sich als Arbeitsbrigade in Nicaragua aktiv daran zu beteiligen, eine neue Regierung nach dem Vorbild Kubas aufzubauen. Eine weitere Premiere auf der dreizehnten Diagonale.

Protestbilder

Platz, ein sich aufdrängendes aktuelles Special ins Programm zu hieven, wurde trotz der Dichte des Angebots gefunden. Auf die politische Tradition der Diagonale verweisend zeigt Barbara Pichler "Protestbilder". Bei den Studierendenprotesten im Herbst und Winter 2009 kamen Videos zu Dokumentationszwecken, aber auch als Kommunikationsmittel zum Einsatz. Die Diagonale räumt vier von diesen Filmen eine Plattform im größten Festivalkino ein, bei der nicht (nur) über die Themen der Studierendenproteste, sondern vor allem über die Rolle gesprochen werden wird, die das Medium Video als Kampfmittel hat. Zwei der vorgesehenen Filme sind work in progress, schließlich sind für den Bologna-Gipfel am 11. und 12. März in Wien weitere Proteste in Vorbereitung.

Der Eintritt zum Special "Protestbilder" ist frei und für die anschließenden Diskussionen sind die Kinosäle schon mal vorausschauend für open ends reserviert.

eine einzige Farbfläche mit zwei Schattierungen, ein Ausschnitt aus dem Diagonale-Trailer

Billy Roisz

Still aus "brRRMMMWHEee" von Billy Roisz, dem diesjährigen Diagonale-Trailer.

Körper, Raum, Wahrnehmung

Körper, Kino, Raum und deren Wahrnehmung bestimmen auch dieses Jahr die dreißig Arbeiten im Bereich Experimental- und Animationsfilm. Der Trailer zur Diagonale 2010 stammt von Billy Roisz: in visuellen und akustischen Schlaufen rasen vier verschiedene Sounds und Bilder, acht Minitore und vier Kanäle aufeinander zu - "brRRMMMWHEee"! Im Kunsthaus Graz ist eine längere Version der Arbeit Teil der aktuellen Ausstellung "Catch me!".

Was passieren kann, wenn man das Medium Film von der Leinwand in den dreidimensionalen Raum bringt, zeigt Norbert Pfaffenbichler in der Ausstellung mit dem poetischen Titel "Silent Alien Ghost Machine Museum" im Medienturm Graz. Die neuen Arbeiten Pfaffenbichlers sind bereits zu sehen, in der Diagonale-Woche gibt es ein "Second Opening" am 18. März.

Mann in schwarzer Kleidung und weißgeschminktem Gesicht und Totenkopfkette um den Hals steht in einem Wohnzimmer

Norbert Pfaffenbichler

Die dunkle, groteske und unheimliche Seite der Moderne glänzt in Norbert Pfaffenbichlers Video- und Rauminstallationen.

Eine andere Art der Videokunst ist bei den "screensessions" zu sehen, die Barbara Pichler gar als "Unterhaltungsprogramm" bezeichnet. Im Vorjahr erfreute sich die Zusammenstellung heimischen Musikclip-Schaffens großer Beliebtheit.

Das Logo der Diagonale, Festival des österreichischen Films

Diagonale

147 Filme, 4 Kinos, 5 Festivaltage und ein Abend: Die Diagonale (www.diagonale.at)hält wieder Einzug in Graz.

Und sonst so? - Lass' dich mal wieder anschauen

Eine Personale wird dem Filmemacher Peter Schreiner gewidmet, der in Graz anwesend sein wird. Im Dokumentarfilmprogramm läuft sein Porträt von "Totó", einem in Wien lebenden Kalebresen. Ebenfalls begrüßt und mit einem Special bedacht wird der deutsche Regisseur Romuald Karmakar, dessen Wille zur Unangepasstheit und Negieren von Genregrenzen zugunsten der jeweils besten Form für einen Film Anerkennung findet. Barbara Pichler spricht bewusst von einer "Wahrhaftigkeit".

Nicht in Vergessenheit geraten, sondern wieder ins Bewusstsein der Festivalbesucher gebracht werden, sollen die Werke von Günther Krampf, der vor dem Anschluss Österreichs bereits Anfang der 1930er Jahre nach England ging und dort dann zwei der ersten Anti-Nazifilme filmte. In Kooperation mit dem Österreichischen Filmarchiv werden drei Filme von Mansur Madav gezeigt, eine umfassende Retrospektive folgt später im Jahr in Wien.

Ein Mann und eine Frau diskutieren in Garage

Lotus Film Laszlo Bolyki

Gegenwartsliteratur erfreut sich nicht nur im Theater großer Beliebtheit. Im Bild: "Der Kameramörder".

Eröffnet wird die Diagonale 2010 übrigens mit "Der Kameramörder" von Robert Adrain Pejo, basierend auf dem Roman von Thomas Glavinic, und Andreas Lust in einer der Hauptrollen. Den nimmt sich dann wohl der geschätzte Kollege Markus Keuschnigg vor.