Erstellt am: 5. 3. 2010 - 11:26 Uhr
"Wir wollten einfach nur helfen"
Akutelle Lage im Krisengebiet:
Am Mittwoch löste ein Nachbeben mit 6.1 auf der Richter-Skala inklusive Tsunami-Warnung Panik in den schon schwer zerstörten Städten aus. Die neuen Schäden halten sich aber in Grenzen. Mittlerweile ist die Katastrophenhilfe auch in den entlegeneren Städten angekommen und die Plünderungen nehmen langsam ab.
Der Ausgang der U-Bahn Station Salvador mitten im Stadtzentrum von Santiago. Links und rechts wälzen sich die Automassen über den von der Sonne aufgeheizten Asphalt. Zwischen den sechs Spuren der Downtown-Hauptverkehrsader, auf einem unscheinbaren Grünstreifen mit ein paar Baumen, verpacken rund hundert fast ausschließlich junge Leute Kleidung und Essen, das in die Krisengebiete geschickt werden soll. "Carpa da Ayuda" - zu deutsch "Hilfszelt" - nennt sich die Initiative.
Sarah Strauss
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Mit diesem Zelt ist alles losgegangen.
"Am Anfang waren wir zwei Leute mit einem Zelt", erzählt Mitinitator Renato Briseño (25), der in den letzten Tagen so gut wie gar nicht geschlafen hat. "Sieh dich mal um", beschwert er sich mit einer ausufernden Geste und deutet auf das geschäftige Treiben der 6-Millionenstadt. "Alle tun so, als wäre nichts passiert, wir wollen zeigen, dass das nicht so ist."
Aus den zwei Personen plus Zelt ist in gerade mal vier Tagen via Facebook und Twitter eine Hilfsorganisation mit 600 Unterstützern geworden. Die meisten spenden Kleidung, Essen und was sonst noch dringend benoetigt wird. Offizielle Unterstützung gibt es kaum. "Wir hatten zuerst Probleme mit der Stadtregierung, weil wir ja mitten im Park sitzen, aber das hat sich mittlerweile gelegt", erzählt der 26-jährige Daniel, seines Zeichens Pressechef der beeindruckend professionell arbeitenden Vereinigung. Der Kiosk-Besitzer, der sonst auf dem Grünstreifen arbeitet, hat sein Standl zugesperrt und versorgt die Truppe mit gratis Strom.
Sarah Strauss
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Unerwartete Hilfe kommt aber auch noch von woanders. "In den ersten Nächten hatten wir Angst, dass wir vielleicht überfallen und ausgeraubt werden", erzaehlt Renato. "Plötzlich sind zwei Reservisten der Armee gekommen und machen seitdem Security-Dienst."
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Zwei, die fast von Anfang an dabei gewesen waren, sind die beiden 15-jährigen Waisenkinder Paolo und Felipe. In der Nacht des Erdbebens haben sie in einem Obdachlosenheim geschlafen, das durch die Erschütterungen fast völlig zerstört worden ist: "Wir haben uns Drogen besorgt und im Park geschlafen, als die Aktion hier losgegangen ist". Mittlerweile sind die beiden für das Essenszelt verantwortlich, verteilen Rationen an die freiwilligen Helfer und verpacken die Lebensmittel-Care-Pakete. "Wir wollten einfach helfen und sind güecklich, dass wir auch mal Verantwortung haben", meint Felipe mit einem Grinsen und will unbedingt wissen, welche chilenischen Fussballer in Österreich bekannt sind.
Sarah Strauss
Nach über fünf Tagen ohne wirklichen Schlaf verpacken die Helfer den letzten LKW, der die Spenden in die schwer betroffenen Gebiete bringt. Morgen beginnt die nationale Spendenaktion "Chile ayuda a Chile", die Zelte im Park werden abgebaut. Die im Nichts enstandene Gemeinschaft soll aber weiterbestehen: "Wir wollen uns diese Philosophie und diesen Glauben behalten", schwärmt Renato vom Spirit im Camp. Kurz darauf muss der Student aber lachen: "Ich haette ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich mal solche Wörter benützen werde".
Sarah Strauss