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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

1. 3. 2010 - 21:00

Zahlen, bitte!

Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast: Was Arbeitslosenzahlen aussagen. Und was nicht.

Bei Statistiken muss man immer ganz genau hinschauen. Oft sagen sie nämlich etwas ganz anderes aus, als es auf den ersten Blick scheint. Besonders Politiker machen sich das ganz gern zu Nutze. Mit Fälschung hat das meistens gar nichts zu tun, sondern damit, dass den meisten BetrachterInnen gar nicht so klar ist, was dabei eigentlich genau gezählt wird.

Im Jänner hatten wir die höchste Zahl an Arbeitslosen seit dem Zweiten Weltkrieg, die heute veröffentlichten Februarzahlen sind wieder ein bisschen zurück gegangen - aber immer noch die höchsten Februarzahlen seit 1946. Stellt sich natürlich die Frage, ob solche Vergleiche mit der Vergangenheit überhaupt zulässig sind.

Kurz gesagt: nur sehr begrenzt. Zum Einen leben in Österreich heute so viele Menschen wie nie zuvor, also ist es auch relativ wahrscheinlich, dass es so viele Arbeitslose gibt wie nie zuvor. Zum Anderen kann man den Arbeitsmarkt von heute auch gar nicht mit dem der Sechziger Jahre vergleichen, weil die Arbeitsrealität damals eine ganz andere war - Vollbeschäftigung hieß eben zum Beispiel, dass viel mehr Menschen als heute selbständig in der Land- und Forstwirtschaft tätig waren, und dass die meisten Frauen zu Hause - und damit nicht auf dem Arbeitsmarkt - waren.

Drei Kriterien bestimmen, ob jemand in der offiziellen Arbeitslosenstatistik des AMS geführt wird: Er oder sie hat erstens keine Arbeit, steht aber, zweitens, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, könnte also unmittelbar einen neuen Job annehmen, und sucht - drittens - aktuell Arbeit. Arbeitslose, die krank sind oder in einer Schulung sitzen, stehen dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar zur Verfügung, kommen also nicht in der Statistik vor – obwohl sie natürlich trotzdem arbeitslos sind.

Ebenfalls aus der Statistik fallen zum Beispiel Menschen, die sich beim AMS nicht melden, weil sie noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten – Jugendliche zum Beispiel, die eine Lehrstelle suchen, ehemalige Selbstständige (oder auch Scheinselbstständige), die eine Anstellung suchen.

National oder international

Mehr als die absolute Zahl an Arbeitslosen sagt die Quote aus, also die Zahl der Arbeitslosen im Verhältnis zur Zahl der Menschen am Arbeitsmarkt insgesamt. Zwei Arten gibt es, eine Arbeitslosenquote zu erfassen: die Nationale Berechnung, die das AMS aus ihren Zahlen erstellt, und die Internationale Berechnung, die sogenannte EU-Arbeitslosenrate.

International heißt sie deswegen, weil ihre Vorgaben von der ILO, der Arbeitsorganisation der UNO, gesetzt werden, damit man die Situation in den verschiedenen Ländern miteinander vergleichen kann, zum Beispiel eben innerhalb der EU. Veröffentlicht werden sie für die EU von Eurostat, und ermittelt hierzulande nicht vom AMS, sondern von der Statistik Austria, und zwar über Umfragen.

Nach der Internationalen Berechnung ist die Arbeitslosenquote niedriger als bei der nationalen Statistik vom AMS – aktuell 5,3 Prozent statt 8,7. Das liegt an den unterschiedlichen Vorgaben: bei der Arbeitslosenquote nationaler Berechnung teilt man die Zahl der beim AMS registrierten Arbeitslosen durch die Gesamtzahl der unselbständig Beschäftigten (plus die registrierten Arbeitslosen). Das mal hundert ergibt die Prozentzahl, von der wir jeden Monat als Arbeitslosenquote hören.

Bei der internationalen Berechnung ist einerseits die Basis größer, es zählen nämlich alle Erwerbstätigen, also auch die Selbstständigen. Und andererseits gilt hier schon als nicht erwerbslos, wer nur eine Stunde in der Woche für Geld gearbeitet hat. Das heißt, es fallen die aus der Statistik raus, die neben ihrem Arbeitslosengeld noch geringfügig dazu verdienen und auch die, die unangemeldet, also schwarz, arbeiten.

Welche Statistik für welche Zwecke besser ist, muss im Einzelfall der entscheiden, der sie benutzt, und genau hier öffnet sich die Türe für manipulativen Umgang mit Daten. So ist die Gesamtquote der Arbeitslosen zwar deutlich niedriger als bei der nationalen Berechnung, die Zahlen bei Jugendarbeitslosigkeit sind aber nach internationaler Berechnung höher als nach nationaler - weil Berufsanfänger und Menschen, die noch nicht genug Beitragsmonate gesammelt haben, um Arbeitslosengeld zu bekommen nach nationaler Methode nicht, nach internationaler aber durchaus als arbeitslos erfasst werden.

Quantität vs Qualität

Was beide Methoden nicht berücksichtigen ist die Qualität eines Jobs. Wenn also zum Beispiel aus einer Vollzeitbeschäftigung zwei Teilzeitjobs werden, dann senkt das die Quote, obwohl die verfügbare Arbeit nicht mehr geworden ist.

Wenig sagen uns die monatlichen Zahlen auch darüber, warum jemand arbeitslos ist, und wie bedrohlich die Arbeitslosigkeit für den Betroffenen ist: Ein Teil der Arbeitslosigkeit, die Sucharbeitslosigkeit, betrifft nämlich Menschen, die ihren alten Job gekündigt und mit dem neuen noch nicht angefangen haben. Die Saisonarbeitslosigkeit, zum Beispiel am Bau oder im Tourismus, betrifft Menschen, die meistens bald wieder bei ihrer alten Firma anfangen können, sobald das Wetter besser ist oder die nächsten Ferien beginnen. Bedrohlich für den Einzelnen ist die konjunkturelle Arbeitslosigkeit, denn die löst sich nicht von selbst.