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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 2. 2010 - 16:22

Fußball-Journal '10-7.

A bissl "taktisiern".

Während Rapid - Salzburg noch läuft, quasi als Halbzeit-Snack, würde ich gern eine Kleinigkeit ansprechen, die da zu Spielbeginn zu sehen war, und die Hans Krankl abfällig als überflüssiges "taktisieren" bezeichnen würde.
Da ich davon ausgehen muss, dass immer das Gegenteil von dem, was Krankl sagt, richtig ist, bleibt mir nix anderes übrig.

Es ist nämlich etwas ganz unglaublich Banales und gleichzeitig Interessantes passiert. Zunächst hat Huub Stevens nämlich unerwartet aufgestellt. Von Anfang an bewegte sich Barry Opdam (den man auf dem Papier links in der Abwehr erwartete) im defensiven Zentrum, während sich Franz Schiemer, der genau dort seinen Stammplatz hat, links hinten tummelte. Das war beim Anpfiff, dem Moment, wo sich die Teams so hinstellen, wie sie das Spiel taktisch beginnen werden, klar zu sehen.

Der Hintergrund liegt auf der Hand. Wenn Schiemer links hinten beginnt, dann steht er damit gegen die rechts aufgestellte Offensivkraft der Rapidler, Steffen Hofmann. Und Hofmann ist der einzige Spieler in der österreichischen Liga, gegen den eine echte, schön altmodische Manndeckung eingesetzt wird.
Dazu gleich mehr.

Die Macht der Präkonzeption

Nur war es interessant zu beobachten, wann diese Ungewöhnlichkeit in den beiden dieses Spiel verbreitenden Massenkanälen angesprochen werden würde. Im Fall 1 war das nach drei, vier Minuten der Fall - es wurde jedoch von einer momentanen Variante gesprochen, die man gerade sehe, und Opdam weiter als Linksverteidiger verortet (wiewohl er dort keinen Grashalm berührte). Das, was man als Beipackzettel mitgegeben bekommt, ist eben mächtiger als das, was man wirklich sieht.
Im Fall 2 war es nach 11 Minuten soweit. Und immerhin wurde hier wenigstens die Vermutung, dass man einer Finte von Stevens aufgesessen sei, eingeräumt.

Das zeigt mir die Macht der Präkonzeption. Wenn man ein Papierl mit einer taktischen Aufstellung in die Hände bekommt, dann hält man sich dran fest und tendiert nicht zum Hinterfragen. Das hat nix (oder nicht nur) mit der österreichischen Buckel- und Obrigkeits-Hörigkeits-Mentaltität zu tun, sondern mit einem sehr menschlichen Zug. Man glaubt einfach der Expertise der Auskenner; vor allem, wenn es mit Anstrengung verbunden wäre, ihr zu widersprechen.

Selbst, wenn die Anstrengung sich in Eigen-Beobachtung erschöpfen würde.

Kaisers Kleider

Ich habe genügend Spiele erlebt (auch im Stadion vorort), wo Berichterstatter eine vom Coach (bewusst) falsch angegebene Aufstellung bis in den Matchbericht hineingezogen haben. Weil man sich (aus einer Mischung von Faulheit, Unprofessionalität und "De wern scho wissn wos tuan!") auf die Vorlage verlässt. Und also mitmacht, wenn der Kaiser seine neuen Kleider präsentiert.

Wenn man uns erklärt, dass heute eine blaue Fahne geschwenkt wird, dann ist sie solange blau, solange Zuschauer, Kommentatoren und Experten das nicht in Frage stellen, egal wie grün sie leuchtet.

Und selbst, wenn das Grün dann erkannt wird, gibt es beschämte Bemühungen, es zu einem Blau oder Irgendwie-Doch-Blau umzuquatschen. Nicht, weil man zu eitel wäre, um enen Fehler zuzugeben (das ist heute kein Problem mehr), sondern weil man's echt nicht sieht.
Der Blick ist durch das vorab gelieferte Konstrukt verstellt.

Vielleicht wird in der Halbzeitpause alles so besprochen, dass man in der 2. Hälfte das, was man in der 1, Hälfte farbenblind übersehen hatte, durchdiskutiert.

Steffen Pawlow

Die zweite hochinteressante Feststellung, die sich aus der Schiemer-Links-Variante ergibt, ist eine sportliche, oder besser eine psychologische.

Steffen Hofmann hat übrigens direkt vor dem Match in einer wirklich gut inszenierten Video-Ansprache bekannt-gegeben, dass er (was zuletzt unklar war) bleibt und um vier Jahre verlängert hat. Die Rede war schlau aufgesetzt und dramaturgisch geschickt gemacht, mein Respekt.

Steffen Hofmann, der damit blockiert werden soll, reagierte wie der berühmte Pawlowsche Hund.
Mit taktischer Erstarrung.
Das ist besonders absurd, weil er sich ja sonst nix schert, was seine strategische Position betrifft. Hofmann sprintet, wiewohl er den Job eines rechten Offensivspielers ausfüllen soll, sonst ganze Spiele lang im Zentrum oder gar links herum und überläßt seine Seite gerne ihrem Schicksal (oder dem armen Schwein, das hinter ihm Rechtsverteidiger spielen muss). Heute blieb er rechts kleben, als wär' dort eine Klettverschluss-Linie.

Da desgleichen auch in den Spielen zu beobachten war, in denen etwa der Kettenhund Troyansky ihm auf Schritt und Tritt hinterherdackelte, gehe ich von einem Psycho-Phänomen aus. Hofmann ist von einem Manndecker so paralysiert, dass er seine Intuition verliert und sich auf seine Basis-Aufgabe zurückzieht. Damit verliert er zwar seine taktische Undiszipliniertheit, aber natürlich auch seine Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit.

Taktisieren

Ich habe keine Ahnung, ob Stevens das gewusst hat.
Wenn ja, ist er ein strategisches Genie. Wenn nein, hat er aus reinem Gespür eine richtige Variante rausgezaubert.
Zauber, den Hofmann verliert. Wer sich von einer Klette aus dem Spiel nehmen lässt, ist natürlich kein echter Fußball-Gott, maximal ein Achilles samt Ferse.

Nachtrag, knapp vorm Schluß-Pfiff: Nein, er hat's nicht geschafft.

Es sei denn, Hofmann überwindet sein Manndecker-Trauma in der 2. Halbzeit noch.

Hans Krankl ist natürlich nichts aufgefallen. Der hat halt was gegen das depperte "Taktisiern". Vielleicht ist er auch deshalb als Trainer so erfolgreich gewesen.