Erstellt am: 28. 2. 2010 - 11:53 Uhr
Sound Of Berlin
In den Achtzigern gab es da die berühmte „Berliner Krankheit“ mit Bands wie „Sprung aus den Wolken“ und „Die Einstürzenden Neubauten“. In den Neunzigern machten Clubs wie Tresor, WMF und E-Werk Techno zum Sound der Stadt. Seither kamen zwischendurch immer mal kleine Wellen von Digital Hardcore, Elektropunk, Aggro-Berlin-Hip Hop auf, aber spätestens seit dem kenntnisreichen Buch von Tobias Rapp, „Lost and Sound“ (2009), ist allen klar, dass es immer noch der Technosound ist, der den Easy-Jet- Set aus der ganzen Welt nach Berlin zieht.
Christiane Rösinger
Im Schatten der bekannteren Clubszene gibt es jedoch jede Menge anderer Szenen. Eine davon besteht aus sehr vielen hippiesk anmutenden, oft englisch sprechenden Leuten, die ab dem Frühjahr mit Gitarren auf den Wiesen an den Kanälen und vor den Cafes sitzen und abends in kleinen Clubs auftreten. Der Regisseur Uli M. Schueppel, der zuvor auch die Neubauten und Nick Cave auf Konzertreisen dokumentarisch begleitet hatte, porträtierte in dem Film Film „Berlin Song“ von 2007 sechs Anti-Folk- Musiker aus aller Welt. Danach vergaß man Antifolk ein bisschen, kümmerte sich mehr um den Glam-Weird–Freak Folk von Devendra Banhart und Konsorten.
Aber jetzt, wo Adam Greens neues, gar nicht mal soo schlechtes Album erschienen ist, fällt einem Anti-Folk wieder ein. Und plötzlich fällt auf, dass man in Berlin wöchentlich auf sechs bis sieben Anti-Folk-Konzerte gehen könnte.
Christiane Rösinger
In improvisierten Läden wie „westgermany“, „Madame Claude“, „Antje Öklesund“ und dem „Schokoladen“ treffen sich die Anti-Folk-Aktivisten Berlins, der Eintritt liegt meistens unter 8 Euro, CDs werden über die Homepage vertrieben, leben kann man davon natürlich nicht.
Anti-Folk ist Arme -Leute-Musik, der Zugang ist niederschwellig, die Bühnen sind klein, die Instrumente vom Flohmarkt passen in jeden Kofferraum. Ein musikalisches Genre, ideal für ein Kulturprekariat, dem die Gentrifizierung im Nacken sitzt.
Die Stadt Berlin ist arm, diese Musiker sind es auch, da findet eins zum anderen, Vielleicht ist also Anti-Folk also der wahre Soundtrack Berlins.