Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "FM4 Draußen Winterpanorama: Zu Gast in der Steiermark"

Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

2. 3. 2010 - 10:58

FM4 Draußen Winterpanorama: Zu Gast in der Steiermark

Mit Vorurteilen kommt man auf der Schladminger Planai höchstens in die Sauröhre. Freeski-Profi Flo "Wigga" Wieser stellt seinen Homespot vor.

porträt flo wieser

mari lang

Flo "Wigga" Wieser

  • Geburtsdatum: 28.12.1984
  • Homespot: Dachstein Tauern
  • Beruf: Freeskier/Tischler
  • pickings-fam.com

Schirmbars mit DJ-Ötzi Sound und besoffenen, auf der Theke tanzenden Touristen. Pisten, die an eine Autobahn zu Ferienbeginn erinnern und lange Menschenschlangen vor dem Lift. Das fällt mir ein, wenn ich an Schladming denke, wo ich schon dreimal auf Winterurlaub war.

Freeskier Flo "Wigga" Wieser, den ich am Parkplatz im Planai Stadion treffe, hat für meine Vorurteile nur ein Lächeln übrig. Sein Blick ist verschwörerisch, als er fragt: „Kennst du die Saurean und die urigen Teile der Planai?“ Ich zucke mit den Schultern, und bin gespannt. Der 26–jährige Ski-Profi weiß nämlich, wovon er spricht. Immerhin ist er hier aufgewachsen und kennt sogar den Liftwart beim Vornamen.

Am freundlichen Sepp vorbei fahren wir mit der Gondel rauf auf die Planai, den Schladminger Hausberg. Holländische Touristen stehen laut schwatzend vor dem Ausgang und erschweren das Weiterkommen. Andere drängen von hinten nach. Es geht zu wie beim Winterschlussverkauf mit Armin Assinger. Erst ein paar Lifte später, bei der Mitterhausalm, wird es ruhiger.

übersicht planai

planai bergbahnen

flo wieser vor dem lifthäuschen

mari lang

Hier auf über 1.800 Meter ist Flo am liebsten. „Ich bin zwar Freeskier, aber in vielem doch recht traditionell", sagt er in tiefstem Steirisch. "Ich kann Schuhplattln und sammle wie mein Vater alte Traktoren. Voll oldschool halt". Die Pisten rund um die Mitterhausalm, der Verbindung zwischen Planai und dem Nachbarberg Hauser-Kaibling, sind auch eher oldschool - weitläufig und mit wenigen Menschen. Auf einer Anhöhe steht eine kleine Hütte, und rechts davon führt ein über ein Kilometer langer Schlepplift hinauf. Erst im nächsten Jahr soll ein bequemer Sessellift gebaut werden - eines der ambitionierten Projekte, die in den vergangenen zehn Jahren in Schladming umgesetzt worden sind.

Rund 113 Millionen Euro wurden bereits in Liftanlagen, Beschneiungsanlagen und die Erweiterung von Pisten gesteckt, damit man 2013 für die Ski-Weltmeisterschaft gewappnet ist. „Dann wird es hier mit der Ruhe auch vorbei sein", meint Flo ein bisschen bedrückt und erzählt mir im selben Atemzug einen Schwank aus seiner Kindheit. Schleppliftfahren ist zwar nicht entspannend, aber spannend. "Früher bin ich mit den Skiern bis vor die Haustür meiner Eltern gefahren, weil meine Kumpels und ich über die ganzen Weidezäune kleine Mini-Schanzen gebaut haben." Heute fährt der 26-jährige Skiprofi lieber mit dem Auto und springt über Obstacles in gut geshapten Parks und von hohen Felsen.

flo wieser springt

luca senoner

FM4 Draußen Winterpanorama

Logo von Blue Tomato

blue tomato

mit Unterstützung von blue-tomato.com

Flo, der gelernter Tischler ist und diesen Beruf im Sommer immer noch ausübt, hat die meiste Zeit seines Lebens auf Skiern verbracht. Schon mit drei Jahren hat ihn sein Vater auf zwei Brettl gestellt. Nach der Skihauptschule kam das professionelle Alpinskifahren und danach irgendwann das Hüpfen, "weil ich ein kleiner, gewandter Mensch bin. Aber vom Alpinskifahren werde ich trotzdem nie ganz wegkommen", sagt er, als wir beim Ende des elendslangen Mitterhauslifts ankommen. Nach 23 Jahren auf Skiern hat der gebürtige Schladminger immer noch Spaß auf der Piste und carvt wie ein Rennfahrer vor mir runter.

"Das Kind im Manne. Und stimmt es froh". Der Wind weht plötzlich Textfetzen zu uns herüber, die sich mit den Geräuschen der Bretter im Schnee vermischen. Peter Alexanders "Badewannentango" tönt mitten aus dem Wald. Ich ahne Schlimmes und kann mich wieder erinnern. Der Lärchkogel Südlift, ein kurzer, steiler Schlepplift, ist eine Art Erlebnispark für Schlagerfans und Puppenliebhaber mit seltsamem Humor.

flo wieser beim lärchkogl südlift

mari lang

Ein Pastikmann pinkelt in den Schnee, ein anderer streckt seine Beine unter einer Lawine hervor. Während wir hinauffahren, baumeln neben uns BHs an einer Wäscheleine und Schilder weisen den Weg nach New York und Rio. "Ich will wieder nach Hause", denke ich, während die STS meine Gedanken ins schönste Steirisch umwandelt und von Fürstenfeld singt. Flo Wieser zuckt entschuldigend mit den Schultern und erzählt mir wieder ein Detail aus seinem Leben – von Pickings Fam, einem Trendsportverein aus dem Ensstal, den er vor fünf Jahren mitgegründet hat. "Hier war früher halt echt wenig los in Sachen Freeski und Snowboard, und so haben wirs selbst in die Hand genommen." An die 20 Teamrider, wie Tobi Tritscher, Patrick Hollaus und Phillip Gruber, sind viel im recht neuen Planaier Snowpark unterwegs, produzieren Freeski- und Snowboard-DVDs und organisieren Parties in der Umgebung.

sauröhre

mari lang

"Wennst die Saurean probiert hast, sagst nix mehr", meint Flo plötzlich, als wir an der Pistengabelung "Die Sportliche" und "Die Schönfahrerpiste" vorbei kommen. In einer unscheinbaren Kurve zweigt ein schmaler, von Wurzeln und Ästen durchzogener Waldweg ab. Es ist steil und außer Äste voller Schnee nicht viel zu erkennen. "Das ist ein enger Schluf, wo's nicht wirklich Bremsmöglichkeiten gibt. Deshalb musst du eine Wildsau sein, damit du durchkommst." Aha.

Jetzt hätte ich doch große Lust auf eine der überfüllten Pisten, die ich vorhin so kritisiert habe - von mir aus auch die Klangpiste, eine 600 Meter lange Strecke, auf der man von Rock- und Popklassikern begleitet wird. Aber mein Guide, der Freeski-Profi, ist erbarmungslos: "Da lernt man so richtig das Skifahren bzw. Snowboarden." In der Sauröhre hat angeblich auch Hans Knauss seine Skikenntnisse perfektioniert. Der Schladminger, der in seiner Karriere sieben Weltcup-Siege gefeiert hat, ist Flo Wiesers großes Vorbild.

Während ich mich mit dem Snowboard durch das enge Schnee- und Ästedickicht quäle, muss ich an Schirmbars mit DJ-Ötzi Sound und besoffenen, auf der Theke tanzenden Touristen denken, und dass ich dort jetzt sogar lieber wäre, als in einer engen Schneeröhre, die selbst zu Fuß noch schwer zu bezwingen ist. Das hat man also von Vorurteilen.

mari zu fuß in der sauröhre

mari lang