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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 2. 2010 - 13:40

Fußball-Journal '10-5.

Ich und die Expertin beim Auftritt von diesem Mann.

Die Informationen und Daten zum ÖFB-Länderspiel gegen Dänemark nächsten Mittwoch, dazu erste Interpretationen, ganz leise Kritik und dann und wann auch bereits im Titel versteckter Zynismus.

Die Expertin zuckt leicht, als sie die zu heiße Kaffeetasse berührt.
Autsch, sagt sie, schaut mich an und grinst: ja, so ähnlich fühlt es sich wohl an dieser Mann zu sein.

Ich hatte sie zur Pressekonferenz mitgenommen, die der ÖFB heute vormittag anlässlich des ersten Testspiels gegen Dänemark nächsten Mittwoch abhielt; wegen Kader-Bekanntgabe, Informationsaustausch und überhaupt dem Szene-Come-Together, das in Fußball-Bereich genauso üblich ist wie in jedem anderen.

Er ist wirklich arm dran, sagt die Expertin, eine Bekannte mit psychologischer Ausbildung und Praxis, eine Freundin mit einem scharfen Blick und einer Schwäche fürs Menschliche.
Er tut da etwas, was er nicht kann und auch nicht mag. Und er leidet jede Sekunde drunter. Und weil ihn alle spüren lassen, wie sehr er das alles nicht kann und nicht mag, wird er immer schlechter und auch immer, ja... Sie zögert.

Du willst den Begriff paranoid vermeiden, sage ich.
Die Expertin nickt. Klar, weil es keine wirkliche Paranoia ist. Aber diese Anzeichen, diese Ängstlichkeit, dieses Mißtrauen... Kannst du dich erinnern wie er nach der ersten Frage, Moment, ich hab sie mir sogar aufgeschrieben..., reagiert hat? "Wie schwer war die Kadererstellung?" assistiere ich, weil ich mir die Frage auch notiert hatte. Weil der Teamchef, weil Dietmar Constantini darauf reagierte, als hätte ihm jemand etwas unterstellt. Was heißt das?, hat er geantwortet, sagt die Expertin nach einem Blick auf ihre Notizen, oder was soll das heißen?. Dass sich jemand schon bei der ersten, völlig wertfrei gestellten Frage dermaßen in die Enge getrieben fühlt, das läßt schonn recht tief blicken.

Sie schüttelt den Kopf und schlürft den Kaffee, der jetzt eine nicht mehr zu heiße Tasse füllt, herunter. Wir haben Zeit, weil die Pressekonferenz nach ein paar Minuten auch schon wieder aus war.
Ist das normal, fragt sie, dass so eine Medien-Begegnung nur so kurz dauert? Und dass die meisten Antworten auf Fragen, die durchaus mehr als Ja/Nein-Antworten evozieren können, dann Ja, Nein, Weiß-Nicht oder, Moment - und sie kramt wieder in ihrer Mitschrift - muaß i des jetzt wirklich no amoi sagn? - lauten. Auch wenn er das Thema vorher gar nicht angesprochen hat?

Er bezieht sich da auf seine Interviews oder Vorgänger-Pressekonferenzen und manchmal auch nur auf Einzelgespräche, sage ich; er setzt da vieles voraus.

Das ist interessant, sagt sie, hochneurotisch, aber interessant. Wenn jemand das, was in seinem Kopf vorgeht, mit dem was die Außenwelt wissen muss, gleichsetzt, dann zeugt das von einem höchst zerissenen Über-Ich.

Aber das Über-Ich ist doch tendenziell der vernünftige Zensor, sage ich, mein freudianisches Halbwissen mühsam praktisch anwendend. Ja, sagt die Expertin, aber im Falle dieses Mannes (sie sagt immer "dieser Mann" wenn sie über Constantini spricht, das finde ich wiederum psychologisch interessant) zensiert das Über-Ich die wilden Ausritte des Es nicht wirklich, es verstärkt sie sogar noch. Und zwar wegen der Form ihrer Durchführung.

Weil das Misstrauem allem und jedem gegenüber in Verschwörungsängsten ausartet, frage ich sie.

Weil eine übertriebene Selbstbezogenheit alles als feindselig interpretiert, ganz egal, wie es gemeint ist, sagt sie. Gibt es eigentlich eine Erklärung dafür woher diese Angst rührt, fragt die Expertin im Anschluss. Die Körpersprache von davor und danach sagt nämlich, dass dieser Mann durchaus in sich selber ruhen könnte.

Ich erzähle ein wenig Constantinis Geschichte.
Guter Verteidiger, obwohl nie im Nationalteam. Image als knorriger aber gewitzter Tiroler, dann kleine Karriere als Co-Trainer, unter anderem bei Ernst Happel.
Ah, unterbricht die Expertin, von dem hab ich gehört, da gibt es sogar Analysen in Expertenkreisen (sie lacht, weil sowas natürlich verpönt ist) Vater-Figur, klassisch problematisch.
Auch weil er eigentlich nichts draus gemacht hat, sage ich, und freiwllig diese Assistenten-Rolle beibehalten hat. Immer in der zweiten Reihe stehen, gut dabei ausschauen und mit den Journalisten auf der Ebene "Ich will ja nix sagen, aber ich wüßt schon was!" kommunizieren.

War dieser Mann vor dem Teamchef-Job nie Chef einer Einheit, fragt die Expertin.
Doch, ein paar Monate beim LASK, zwei Jahre bei der Admira, zwei Jahre bei Innsbruck und dann auch sieben Monate in der zweiten deutschen Liga, wo er gescheitert ist. Das ist aber zwölf Jahre her. Und seitdem hat er nie wieder einen langfristigen Job gemacht.

Sondern, fragt die Expertin stirnrunzelnd?
Wieder Co-Trainer, oder bewusster Kurzzeit-Stand-In für ein paar Monate. Und dazwischen immer Rückzug auf so Sachen wie Kinder-Fußball-Camps, zehn Jahre lang nix G'scheites.

Da muss was passiert sein, sagt die Expertin, auf eine solche Adrenalin-Sache verzichtet kein Mann freiwillig, Vor allem, wenn er, wie er, dann wieder dorthin zurückdrängt. Da muss etwas Gravierendes vorgefallen sein, eine große Kränkung.

Es gibt auch die These, dass er die 10 Jahre in der zweiten und dritten Reihe dafür genützt hat, sich zu positionieren; und zwar als Medien-Kandidat.
Machen die die Politik, fragt die Expertin?
Ja, die können einem schwachen Verband und einer schwachen Liga personalpolitisch durchaus Vorschläge machen, die man besser nicht ablehnt, sage ich.
Oh, der Pate und der Pferdekopf, sagt die Expertin und lacht.
Nein, das hat mehr von einer verhaberten Schicksalsgemeinschaft, sage ich. Weil die österreichischen Trainer im Ausland nicht vermittelbar sind, ist der Konkurrenzkampf im eigenen Land ein recht brutaler, der über Seilschaften und nicht über Qualitätstranfer geführt wird.

Wieso sind unsere Trainer nicht vermittelbar, sagt die Expertin, im Wintersport ist es doch so, dass... Vergiss es, schneide ich die Diskussion ab, das ist eine andere Baustelle. Im Fußball-Ausland lachen sie über unsere Coaches. Montag wurde der letzte, der noch in Deutschland gearbeitet hat entlassen. Jetzt gibt es europaweit noch einen österreichischen Trainer in der Slowakei und einen in Kroatien.

Die Expertin nickt. Das erhöht den Druck, den dieser Mann hat und den er sich selber bereitet natürlich massiv, sagt sie, das erklärt einiges.

Hast du dir die anderen auch angeschaut, frage ich, die drei Co-Trainer, die auch jeweils einen Satz sagen durften?

Uninteressant, wischt die Expertin meinen Einwurf weg, du hast doch selber gemerkt, da haben alle abgeschaltet, die Journalisten, der Pressesprecher und auch der Mann selbst. Neinnein, es geht nur um ihn, das ist ihm klar, das ist allen anderen auch klar.

Weißt du noch, wie er einmal von Respekt geredet hat? Es geht um Respekt hat er gesagt... Ja, sage ich, im Zusammenhang mit der Nicht-Nominierung von Garics, als Begründung. Das ist ein Schlüssel, sagt sie, er braucht den Respekt um seine Rolle spielen zu können. Mit gleichwertigen Partnern geht das nicht. Deshalb auch die vielen jungen Spieler, da ist diese Distanz viel leichter herzustellen. Und es ist doch auch ganz gut so, die ältere Generation war ja nicht unbedingt... die Expertin lächelt, weil sie jetzt kurz auch Expertin für das Spiel selber ist.

Ja und nein, sage ich. Auf die Jungen zu setzen ist richtig. Aber auch hier wird zwischen denen, die zurückreden und denen, die problemfrei zu gängeln sind, differenziert. Wie auch bei den Älteren. Und jeder, der etwas miteinbringt, also vor allem die Legionäre in den besseren europäischen Ligen, die bringen einiges an Wissen mit, jeder von denen ist eine potentielle Bedrohung der Autorität des Teamchefs.

Es ist also wichtig, dass die Fußballer selber so viel einbringen, sagt sie, wusste ich nicht, ich dachte, das funktioniert viel über Anleitung und Strategie und Vorgaben.

Schon, aber nicht nur, sage ich, ist ja nicht American Football, mit aufgezeicheneten Spielzügen. Aber die professionelle Anleitung ist in Österreich unterentwickelt, und unpopulär. Und sowas wie Standard-Situationen trainiert Constantini ja auch nicht. Es geht, glaube ich, um den Erhalt des Anscheins, um den Erhalt der Macht.

Und die wäre durch die Wiederhereinnahme dieses Ivanschitz gefährdet, sagt die Expertin fragend.

Ja, sage ich, auch wenn Constantini sich dadurch eigentlich von diesem Wust an Verkrampfungen, die er mitschleppt und ausstrahlt, befreien könnte.

Aber nein, sagt die Expertin und setzt ihre Tasse ab, sicher nicht. Das geht sich nicht mehr aus, der Rucksack den sich dieser Mann in diesem Job aufgehalst hat, der bleibt, ganz egal was jetzt noch passiert.

Das muss doch lösbar sein, sage ich.
Du mit deiner Lösungsorientierung, sagt sie und lacht. Nein, schau, dieser Mann hat sich in seiner unangenehmen Situation eingerichtet; er wird dort drinnen bleiben und nicht mehr rauskommen. Und zwar weil sie trotz der Verspannung, die diese Medien-Probleme verursachen, total bequem ist.
Wenn er halbwegs Erfolg hat, wird er das auf seine Linie zurückführen und alle nur noch mehr verachten. Und wenn er keinen Erfolg hat, dann wird er das auf die anderen zurückführen und alle nur noch mehr verachten.

Erinnerst du dich, was er zu diesem Interview gesagt hat, von dem du mir vorher erzählt hast, wo er die deutsche Bundesliga angegriffen hat? Daran ist, hat er jetzt zuvor gesagt, nicht er schuld, sondern derjenige den er zitiert hat, ein deutscher Journalist oder so. Jetzt hab ich das auf den Kopf gekriegt, hat er gesagt. Das zeigt dir die Art wie er denkt: er versteht nicht, dass er es mit seinen öffentlichen Aussage ist, der die Diskussionen anheizt, sondern gibt denen die schuld, die er zitiert und denen, die ihn drauf ansprechen. Das hat was von der Logik im Trotz-Alter, das macht dich unangreifbar, weil du selber nie an irgendwas schuld sein kannst. Ganz bequem ist das.

Und das ist nicht paranoid, frage ich?
Ach, diese klinischen Begriffe, vergiss das, sagt sie, Alltags-Paranioa, von mir aus. Das Problem dieses Mannes ist aber der Hass, die er auf diesen Aspekt seiner Arbeit projiziert, die Medien-Auftritte. Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann war das früher seine große Stärke, jetzt aber hat sich das gedreht. Das ist der Hauptgrund für seine nach außen getragene Beleidigtheit.

Es wird sich also nichts bessern, sage ich.
Nein, sagt die Expertin. Aber ich bin mir auch nicht sicher, was besser sein oder werden könnte. Im Gegensatz zu den Fußball-Trainern, die sonst noch in der Öffentlichkeit stehen, hat dieser Mann nämlich einen großen Vorteil, nämlich ein echtes Profil. Es ist zwar ein wenig erschreckend, aber immerhin...

Nicht sag jetzt authentisch, sage ich, sonst muss ich dich schlagen.
Ja, dann musst du mich halt schlagen, sagt die Expertin und lacht. Selber schuld, wenn du mich zu solchen Auftritten mitnimmst.

Dann bin ich aufgewacht.
Und musste mich beeilen, um rechtzeitig zur Pressekonferenz um 11 im Stadthotel zu sein.
Dort ist dann nichts wirklich Ungewöhnliches passiert.