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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

24. 2. 2010 - 12:28

Pathos für den guten Zweck

Clint Eastwood versucht sich in "Invictus" am gefühligen Spagat aus Sport und Politik.

Es ist immer wieder faszinierend, was das Alter mit einem anstellt. Der Mann, der in jüngeren Jahren die eisige Coolness bis zur verkniffenen Erstarrung symbolisierte, hat sich in seinem Spätwerk zu einem Großmeister des Pathos entwickelt. Wo andere Regisseure sanft auf die Tränendrüsen drücken, verwendet Clint Eastwood manchmal seine geballten Fäuste.

Während aber sein letzter Streifen "Gran Torino" diesbezüglich über jeden Zweifel erhaben war und höchstens Komapatienten und gefühlskalte Zombies nicht ernsthaft berührte, ist "Invictus" eine weit diffizilere Angelegenheit.

Denn dieser Film versucht sich an einem beinahe unmöglichen Spagat. Der mittlerweile 80-jährige Eastwood lässt zwei Bereiche aufeinandertreffen, in denen mir persönlich übertriebenes Pathos des öfteren Würgereize verursacht: Sport und Politik.

Invictus

Warner Bros

Südafrika 1994. Ein Bürgerrechtskämpfer, der jahrzehntelang wegen seiner politischen Aktivitäten im Gefängnis gesessen ist, wird zum Präsidenten gewählt. Nelson Mandela hat die ersten freien Wahlen des Landes gewonnen.

Es geht dem neuen Staatsmann nicht um Vergeltung oder Rache. Ganz im Gegenteil. Mandela möchte den Hass hinter sich lassen. Er ruft alle Menschen, die die Apartheid aufgegeben haben, zur Mitarbeit an einem nichtrassistischen, geeinten und demokratischen Südafrika auf.

"Invictus" ist nun die erste Hollywood-Verneigung vor Mandela und seiner Friedensbotschaft.

Clint Eastwood, der als schießwütiger Einzelgänger des Kinos berühmt wurde, setzt seine Mission für unnachgiebige Zivilcourage fort. Mussten sich die Figuren den Humanismus aber bei ihm oft brutal erarbeiten, ist der Regisseur nun endgültig versöhnlich geworden.

Invictus

Warner Bros

Dabei dreht sich "Invictus" an der Oberfläche um Sport. Neben den politischen Umbrüchen gibt es in Südafrika 1995 nur ein Thema: die Rugby-Weltmeisterschaft, die im Land abgehalten wird. Die eigene Nationalmannschaft hat dabei wenig Chancen, so scheint es.

Die überwiegend schwarze Bevölkerung ist dem Team gegenüber ohnehin feindlich eingestellt. Denn die rugbyspielenden Bleichgesichter, Springboks genannt, stehen für das frühere Apartheid-System.

Morgan Freeman spielt Nelson Mandela als verschmitzten alten Herren, der seine Freunde und Feinde mit seinem politischen Weitblick überfordert. Ausgerechnet das umstrittene Rugby-Team hat es dem Präsidenten angetan. Mandela will die verhassten Trikots ebenso bewahren wie die Spieler selbst. Sein Vertrauen in die Springboks soll der weißen Minderheit im Land ein Gefühl der Sicherheit geben.

Invictus

Warner Bros

Und so beginnt das Training. Immer wieder trifft Mannschaftkapitän Pienaar (gespielt von einem aufgepumpten Matt Damon) auf Präsident Mandela, der das Team motiviert und anfeuert.

Als der Einstieg ins WM-Finale tatsächlich gelingt, scheint die Stimmung im Land zu kippen. Südafrikaner sämtlicher Hautfarben stehen plötzlich hinter der Nationalmannschaft, das Rugbymatch wird zum Sinnbild für ein neues, geeintes Land.

Wenn Clint Eastwood in den entscheidenden Spielminuten alles auffährt, was das Gefühlsarsenal zu bieten hat, von sentimental klingenden afrikanischen Chören bis zu weißen Polizisten, die mit der schwarzen Bevölkerung tanzen, dann läuten die Kitsch-Alarmglocken.

Denn natürlich vereinfacht der Regisseur unglaublich, huldigt Nelson Mandela als Lichtgestalt, blendet dabei das Scheitern der meisten geplanten sozialen Umwälzungen aus. Wer sich, wie der Schreiber dieser Zeilen, zusätzlich mit den massenpsychologischen Reaktionen schwertut, die Sport hervorzurufen vermag, dem kann dann leicht schwindlig werden.

Invictus

Warner Bros

Aber ganz so einfach lässt sich "Invictus" auch nicht abhaken. Denn was ich erst durch Lesen vieler Interviews nach dem Film realisierte: Der unerwartete Erfolg des Rugby-Teams ließ 1995 tatsächlich eine Utopie Wirklichkeit werden, wenn auch nur für eine Spiellänge lang.

Es ist dieser Traum von Nelson Mandela, der den Ex-Republikaner, späteren Bush-Gegner und mittlerweile kritischen Obama-Sympathisanten Eastwood fasziniert. "Invictus" erzählt eben nur von der Symbolkraft gewisser historischer Augenblicke, nicht vom knochenharten realpolitischen Alltag.

Und neben dem großen Pathos stecken in diesem Film auch noch etliche kleine, sehenswerte Momente. Am Ende kriegt Clint Eastwood auch die Skeptiker im Publikum, auch wenn ich mich zugegeben heftig zu wehren versuchte. "Invictius" mag ein naives Feelgood-Movie sein, bisweilen eine schmalzige Anti-Rassismus-Fabel, an seiner Botschaft kommt man aber nicht vorbei.