Erstellt am: 23. 2. 2010 - 11:06 Uhr
Anglerglück in Gambia
ABBAs "Dancing Queen" dröhnt aus den Lautsprechern. Um den Pool herum werden die ersten Biere geöffnet, die Queens der vergangenen Nacht bekämpfen ihren Kater. Das üppige Frühstücksbuffet dauert nur bis 10 Uhr, das will man nicht verpassen. Das ist schließlich im Preis für die Übernachtung im Cape Point Hotel in Bakau inbegriffen.
Bakau liegt am nördlichen Ende der rund 80 Kilometer kurzen Küstenlinie von Gambia. So ziemlich am anderen Ende liegt Gunjur. Die Frauen dort sind schon vor dem Morgengrauen aufgestanden. In bunten Röcken, um den Kopf gewickelten Tüchern und Plastikwannen darauf balancierend, kommen zum Meer. Sie holen den Ertrag der Fischerboote ab, die über Nacht auf See waren. Damit die Boote nicht aus dem Wasser gezogen werden müssen, gehen die Frauen hinein. Das Wasser steht ihnen bis zum Hals, während die Fische in die Bottiche gefüllt werden. Vorsichtig, um nicht von den Wellen umgeworfen zu werden, tragen sie diese dann an den Strand. Ist eines der Boote vollständig ausgeladen, wirft der Kapitän den Außenbordmotor an und steuert wieder aufs Meer hinaus.
anna mayumi kerber
In der Empfangshalle des Cape Point Hotel surren die Deckenventilatoren. Frauen mit Kurzhaarfrisuren räkeln sich auf den Polstersesseln. Das Bücherregal daneben bleibt unbeachtet. Sehr facettenreich ist dessen Inhalt nicht. Es sind Groschenromane, allesamt. Und allesamt auf Schwedisch. Sie trifft ihn, den Arzt, den Ritter, den Unbekannten – und wenn er zunächst auch noch so unerreichbar scheint, am Ende kriegt sie ihn doch.
Mit dieser Erwartungshaltung kommen sie hierher, europäische Frauen auf der Suche nach Abenteuer. Sei es für eine Nacht, für eine Woche oder zwei. Der Sextourismus in Gambia boomt, mit vornehmlich weiblichen Kunden.
Am Strand von Gunjur hat sich eine kleine Menschenmenge eingefunden. Es sind Händler, regelmäßige Kunden der Fischer. Sie warten mit weiteren Plastikwannen auf den Fang, den die Frauen auf ihren Köpfen an Land bringen. Rund 7000 Dalasis – das entspricht in etwa 190 Euro – bringt eines der großen Holzboote an einem erfolgreichen Tag ein. Einen Teil bekommt der Inhaber des Bootes für dessen Wartung und den Treibstoff, der Rest wird unter den Fischerleuten aufgeteilt, wobei der Kapitän am meisten verdient. An einem schlechten Tag steigen letztere mit ein paar Cent oder gar nichts aus.
anna mayumi kerber
Die Zahlungsmodalitäten in Bakau sind anders. Der Preis wird oftmals nicht im Vorfeld vereinbart. Es bleibt etwas auf dem Nachtkästchen, es gibt "Geschenke", Abendessen, gratis Getränke, für einen Abend oder den Urlaubszeitraum. Viele der jungen Männer erhoffen sich auch eine Einladung nach Europa. Warum ausgerechnet hier so viele Schwedinnen sind? Ganz einfach, es gibt eine direkte Flugverbindung von Stockholm und Banjul, der Hauptstadt, die nur einen Katzensprung von der "Partymeile" Gambias, dem Senegambia-Strip, entfernt liegt. Außerdem spricht man hier - im Gegensatz zu den umliegenden frankophonen Ländern West- und Nordafrikas - Englisch. Das scheint den Frauen hier irgendwie wichtiger zu sein als Männern, die sich offenbar - ohne an sprachlichen Barrieren zu scheitern, etwa in Thailand - bestens amüsieren.
Rund 30.000 Gambier leben von der Fischerei. Nicht von der großen, kommerziellen. Dazu fehlt ihnen ein Hafen, an dem Schiffe entsprechender Größe anlegen könnten. Die Rechte an den fischreichen Gründen liegen bei europäischen und asiatischen Firmen, nur selten heuern dort Einheimische an. Die Gambier selbst haben ihre bunt bemalten Holzboote. Damit bleiben sie in Küstennähe.
anna mayumi kerber
Auch in Bakau tümpelt man in seichtem Gewässern herum. Von "den schönsten Augen", und dem "süßesten Lächeln" ist die Rede, während hinter den Sessellehnen die ersten Hände zu wandern beginnen. Graue Kurzhaarfrisuren neben Dreadlocks, der relative Altersunterschied liegt nicht selten bei über 100 Prozent. Die jungen Männer, so genannte "Bumster", geben sich Mühe, die Frauen genießen die Aufmerksamkeit offensichtlich. Manchmal noch ein bisschen verschämt, zur fortgeschrittenen Stunde lockert die Stimmung auf. Dann zeigt sich, wer sich gut riechen kann und wer vielleicht die Nacht gemeinsam verbringt.
Am Strand von Gunjur mischt sich der Geruch von Fisch mit dem von Rauch verbrannter Palmblätter. Nur ein kleiner Teil der Fische gelangt in klapprigen Kühlwägen auf den Markt im etwa 15 Kilometer entfernten Brikama. Der Rest wird vor Ort verarbeitet: Die Frauen nehmen Fische aus, entfernen ihre Schuppen, salzen sie und legen sie zum Trocknen auf einfache Tische. Andere kommen in die Hallen zum Räuchern. Dicht aneinandergereiht liegen die angekohlten Barsche, ihre golden schimmernden Schwänze nach oben gerichtet. Die Augen der Frauen sind von dem Rauch gerötet, in dem sie die Fische bis zum Abend immer wieder wenden.
anna mayumi kerber
Auch in Bakau gibt es ein paar Tränen. Der Abschied fällt schwer. Die letzte(n) Woche(n) waren schön. Nun werfen die beiden britischen Freundinnen einander mitleidsvolle Blicke zu, während sie gegen jene Gefühle ankämpfen, von denen sie sich zu Urlaubsbeginn versprochen hatten, sie nicht aufkommen zu lassen. Eine Hand noch auf seinem Schenkel und er umgekehrt seine auf ihrem. Er hofft immer noch auf eine Einladung nach Europa. Heute Nacht wird erst einmal mit Freunden gefeiert – wie immer, wenn Zahltag ist. Bis in die Morgenstunden, wenn die Frauen in Gunjur schon längst wieder auf sind.