Erstellt am: 19. 2. 2010 - 15:21 Uhr
Ruhe in Unfrieden
Peter Jackson, das ist bekanntlich nicht bloß ein neuseeländischer Blockbuster-Guru, der für Elfen, Hobbits und einen reanimierten Riesenaffen steht.
Es gibt auch den schundigen Splatterfilmer, der in seinen Frühwerken "Bad Taste" und "Braindead" den roten Farbstoff kübelweise verschüttet. Und wer die Filmographie des Herrn Jackson durchforstet, findet daneben noch einen feinfühligen Indieregisseur, der 1994 mit "Heavenly Creatures" seinen bislang meisterlichsten Streifen vorlegte.
Der Film erzählt, nach einem wahren Fall, von zwei jungen Mädchen, die aus unerfindlichen Gründen einen Mord begehen. Vor der dunklen Realität flüchten sich beide in ein imaginäres Tagtraum-Land, ein verwunschenes Königreich der Fantasie. "Heavenly Creatures" ist ein Film, der zwischen zwei Welten pendelt, wie auch Peter Jackson neuester Streifen.
Susie Salmon heißt die Hauptfigur in "The Lovely Bones" - und sie ist tot. Ein psychopathischer Serienkiller hat das vierzehnjährige Mädchen ermordet. Dass wir Susis Stimme trotzdem aus dem Off hören, hat einen bestimmten Grund. Es ist ihre Seele, die aus dem Jenseits das Geschehen kommentiert.
Dreamworks
"The Lovely Bones", die Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Alice Sebold, ist nicht dezitiert religiös, aber auf jeden Fall ein spiritueller Film.
Die eine Hälfte folgt in realistischen, zunehmend schwermütigen Bildern dem Alltag der Familie Salmon. Es sind melancholische Impressionen aus einer US-Kleinstadt der siebziger Jahre. Mark Wahlberg und Rachel Weisz verkörpern charmant ein liberales Elternpaar, wie es sich Kinder letztlich nur wünschen können.
Höchst präzise fängt Peter Jackson in diesem Teil des Films die Stimmung der Siebziger ein. Jedes Detail stimmt, jeder Farbton sitzt richtig. Susan Sarandons herrlicher Gastauftritt, als kettenrauchende, selbstbewusste Schwiegermutter, sorgt für komödiantische Auflockerung und ist alleine den Kinobesuch wert.
Wenn irgendwann Stanley Tucci als Lustmörder die Szenerie betritt, dann weichen die bunten Herbstfarben dem winterlichen Grau und die Emotionen gefrieren. Mit dem Tod der kleinen Susie zieht das Grauen in die heile Familienwelt ein.
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Aber all diese fantastischen Szenen, die in ihren spannendsten Momenten an Alfred Hitchcock erinnern und rein atmosphärisch sogar an Charles Laughtons Jahrhundertwerk "The Night Of The Hunter", sie sind eben leider nur der halbe Film.
Die andere Hälfte zeigt die kleine Susi, von der Newcomerin Saoirse Ronan grandios gespielt, im Himmel. Oder nennen wir es ein Zwischenreich, in dem ihre Seele gefangen scheint. Jedenfalls geht es dort meist so strahlend schön und knallbunt zu wie in einer durchschnittlichen Weichspülmittel-Werbung.
Während das Mädchen durch digitale Weizenfelder läuft und sich an computeranimierten Schmetterlingen erfreut, schüttelt man als Zuseher ungläubig den Kopf. Auch wenn er eine Familientragödie verfilmt, kann Peter Jackson anscheinend nicht auf die Trickkiste verzichten.
Der Gegensatz zwischen dem animierten Esoterik-Kitsch und der naturalistischen Geschichte ist groß. Aber dennoch gewinnt die ergreifende Studie über das Abschiednehmen am Ende. "The Lovely Bones - In meinen Himmel" ist ein verschenktes Meisterwerk, ein sehenswertes Scheitern.
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