Erstellt am: 18. 2. 2010 - 19:23 Uhr
International Conference On Ultras
Vielleicht interessiert das wen in dem Zusammenhang:
Ultrà-Reportage aus dem Ballesterer auf fm4.orf.at.
Ultràs haben in der Öffentlichkeit kein besonders gutes Image. Die meisten verwechseln sie abwechselnd mit Randalierern, Hooligans, Rechtsextremen und einer Mischung aus alledem.
Als Fußballfans, denen Leidenschaft und Emotion über TV-Marketing-Spektakel und wirtschaftliche Interessen des eigenen Fußballvereins gehen, sind sie oft nicht einmal bei den Verantwortlichen der Fußballvereine besonders gut angeschrieben.
Bisher hat es (deswegen) auch noch keiner so recht der Mühe wert befunden, sie an politischen Prozessen oder Entscheidungsfindungen rund um den Fußball teilhaben zu lassen. Das hat sich diese Woche in Wien geändert. Oder aber auch nicht.
Aber alles der Reihe nach.
arthur einöder / radio fm4
Konferenz
Der Europarat hat Ultràs, Polizei und Behörden zu einer Fußballkonferenz nach Wien eingeladen. Die International Conference On Ultras soll sich laut Untertitel mit "Erfolgsrezepten im Umgang mit neuen Entwicklungen im Fanverhalten" auseinander setzten. Dass dazu auch die Betroffenen, nämlich die Fans, eingeladen sind, kommt angesichts der nicht ganz friktionsfreien Geschichte zwischen Polizei (die Sause findet im Innenministerium statt!) und Fans doch einigermaßen überraschend.
Die Fans gibt es natürlich nicht. Eingeladen ist eine Organisation, die sich Football Supporters Europe, kurz FSE nennt. Sie vertritt seit zwei Jahren die Interessen von einigen europäischen Fußballfans. Entsprechend gehen in diesen Tagen im Wiener Innenministerium Fans aus Schottland, Griechenland, Deutschland, der Slowakei und vielen anderen europäischen Ländern ein und aus.
In Workshops soll gemeinsam mit Vertretern der Polizei, von Ministerien, Staaten und Behörden, eine gemeinsame Gesprächsbasis geschaffen werden. Ein großer Wurf wird nicht gelingen. Einerseits weil der Europarat sich mehr und mehr in Richtung gesamteuropäischem Think Tank entwickelt, dessen Empfehlungen zwar zumeist Hand und Fuß haben, die aber auf Grund von verschiedenen Zwängen auf Ebene der Entscheidungsträger ungefähr den Ruf von heißer Luft haben.
Andererseits ist es das erste derartige Treffen, und mit entsprechend geringen Erwartungen ist etwa Daniela Wurbs an die Sache herangegangen. Sie leitet die internationale Fandelegation. In den Vorbesprechungen mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern ist sie nicht müde geworden darauf hinzuweisen, sich bloß nichts von dieser Konferenz zu erwarten.
Fan? Was ist das?
So war es dann auch die Hauptaufgabe der Fans, den anderen Konferenzteilnehmern einmal näher zu bringen, was Fankultur überhaupt ist. Dass bunte Choreographien, Spruchbänder, bengalische Feuer und Co. identitätsstiftender Teil der Subkultur sind und dass bei einem Polizeiangriff auf die Kurve die Solidarität untereinander wohl größer ist als der Ärger über einen möglichen Verstoß gegen irgendein Verwaltungsgesetz aus den eigenen Reihen. Umgekehrt haben Fans einiges über Hierarchie und Verantwortungsbereiche innerhalb der Polizei erfahren.
Österreichische Fans waren bei der Konferenz nicht eingeladen. Daniela Wurbs erklärt im FM4-Interview, dass das mit dem Ort der Konferenz zu tun hat. Die Leiterin der Fandelegation wollte verhindern, dass österreichische Fans von Politik oder Polizei für deren Ziele vereinnahmt werden.
Dabei wäre ihre Auswahl an heimischen Fans ohnehin eher gering gewesen. Abgesehen von der Initiative Fair Play ist aus Österreich niemand Mitglied der FSE, schon gar kein aktiver Fanclub. Die Faninitiative Pyrotechnik ist kein Verbrechen, an der sich aktive Fans aus ganz Österreich beteiligen, kommentiert das Treffen skeptisch. Treffen auf Augenhöhe sei das keines.
Immerhin, in Sachen eigenem Stellenwert hat sich FSE gut verkauft. In Zukunft werden sie als neutrale Berater in Entscheidungsfindungen von Europarat und EU mit eingebunden sein. Und auch am Sportministertreffen in Aserbaidschan im Mai soll Dialog mit den Fans auf der Agenda stehen.
arthur einöder / radio fm4
Fanterror oder Dialog?
Dass es überhaupt so ein Treffen gibt, ist eigentlich eine ganz gute Sache. Sicher, es lassen sich wie bei so ziemlich allem auf der Welt einige gute Kritikpunkte finden.
Ob die FSE nun die richtigen Fans repräsentiert, ist ein wenig haarspalterisch. Auf dem Niveau, auf dem die Gespräche abgelaufen sind - erstes Abtasten, Einblick in die Arbeitsweise der jeweils anderen - haben die eingelandenen Fans einen Einblick geben können, dem sicher ein Großteil der Fans in Europa zustimmen kann.
Ob die eingeladenen hoch dekorierten Beamten die Ergebnisse des Kongresses in Einsatzkräfteseminare auch wirklich einfließen lassen, liegt einstweilen in ihrem eigenen Ermessen. Direktive von ganz oben gibt es erstmal keine. Hoffnung gibt, dass auch ranghohe Vertreter der UEFA, des europäischen Fußballverbands, anwesend waren. Wenn für künftige Veranstaltungen Direktiven kommen, erinnert sich vielleicht der eine oder andere honorige Herr an den versprochenen Dialog mit den Fans.
Die Dialogbereitschaft in Österreich jedenfalls ist mehr als ausbaufähig. Noch gestern, am Tag des Beginns der Konferenz, hat sich der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl über den Fanterror ausgelassen.
Das Team von Daniela Wurbs wird in möglichen weiteren Entscheidungsfindungen immer wieder Kompromisse eingehen müssen - ob das jetzt bei der Vorbereitung zu den Europameisterschaften 2012 in Polen/Ukraine oder sonst wo ist. Aber das mussten Fußballfans bisher wohl auch schon, nur dass sie nicht einmal nach ihrer Meinung gefragt wurden.
Dass es in Wien überhaupt erstmals so etwas wie Dialog zwischen Fußballfans und Exekutive gibt, ist schön. (Das mit den 3D: Dialog - Deeskalation - Durchgreifen war ein PR-Gag anlässlich der Fußballeuropameisterschaft; österreichische Fans können sich abgesehen vom Durchgreifen an keins dieser Ds erinnern.)
Und wenns nur auf Grund dieses mitgelauschten Gesprächs ist:
Polizist: Ist das mit den pyrotechnischen Gegenständen wirklich notwendig?
Fan: Kein Mensch hat sich bei uns je wegen Bengalen verletzt. Aber schon recht viele wegen eurer Schlagstöcke, wenn ihr gegen Bengalen vorgeht.
Polizist: Aber wenn es doch verboten ist!
Zum Anhören:
Bericht von der International Conference On Ultras, am 18. 02. 2010 in FM4 Connected:
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